Die Notfallaufnahme in Ludwigsburg wird umgebaut. Auch sonst müssen die Kliniken derzeit viele Baustellen abarbeiten. Foto: factum/Bach

Die Ludwigsburger Kreisräte üben massive Kritik an Rainer Haas, weil dieser die Zukunft des Krankenhauses in Marbach in Frage gestellt hat. Vor der Sitzung demonstrierten Verdi-Mitglieder zudem für eine entlassene Klinik-Mitarbeiterin.

Ludwigsburg - Nach seinen jüngsten Aussagen zu einer möglichen Schließung des Krankenhauses in Marbach ist der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas in der Kreistagssitzung am Freitag ungewöhnlich scharf attackiert worden. Alle Fraktionen kritisierten, dass Haas vorgeprescht und damit für eine erhebliche Verunsicherung unter den Mitarbeiterin und in der Öffentlichkeit verantwortlich sei. Andrea Stockmayer-Mohn (Grüne) warf dem Landrat gar eine „autokratische Vorgehensweise“ vor, weil seine Einlassungen nicht demokratisch legitimiert gewesen seien.

Haas hatte vor einer Woche erklärt, dass es keine Bestandsgarantie für die Marbacher Klinik gebe. Das 80-Betten-Haus produziert seit Jahren Verluste. Gutachter prüfen daher zurzeit, ob es sich lohnt, das Krankenhaus zu einem Zentrum für Altersmedizin umzubauen. Diese Lösung gilt als letzter Rettungsanker. Aber nun hat Haas für das geriatrische Zentrum einen anderen Standort ins Spiel gebracht: Bietigheim-Bissingen. Zu Marbach sagte er: „Eine Erhaltung nur um der Erhaltung Willen hat keinen Sinn.“

Der Landrat habe Vereinbarungen gebrochen, heißt es

Vor diesem Hintergrund stellte Herbert Pötzsch von den Freien Wählern, ehemals Bürgermeister in Marbach, in Frage, dass der Landrat überhaupt gewillt sei, ergebnisoffen über die weitere Entwicklung in Marbach zu sprechen. Das Minus aus dem laufenden Betrieb in Höhe von rund 700 000 Euro pro Jahr sei nicht derart gravierend, dass deswegen sofort eine Schließung eingeleitet werden müsse. Eckart Bohn von der SPD warf dem Landrat vor, er habe einen „Bruch der Vereinbarung“ herbeigeführt. Diese sehe vor, das zunächst das Gutachten abgewartet werde, um Klarheit über die Kosten und den Nutzen eines altersmedizinischen Zentrums zu erlangen. Erst danach dürfe man in die politische Debatte einsteigen. Ähnlich äußerten sich die Vertreter der CDU, FDP und der Linken.

Das Gutachten soll im März vorliegen, und Haas selbst betonte am Freitag, dass keine Entscheidung gefallen sei. Er habe, so der Landrat, auch nie etwas anderes gesagt. Sobald alle Fakten auf dem Tisch lägen, werde ergebnisoffen diskutiert. Die Wogen zu glätten, gelang ihm mit dieser Versicherung indes nicht.

Vor der Sitzung demonstrieren Verdi-Mitglieder

Die Stimmung im Saal war schon vor diesem Tagesordnungspunkt angespannt, was ebenfalls an einem Krankenhausthema lag. Mehrfach hat die Regionale Kliniken-Holding (RKH), die die Krankenhäuser im Kreis betreibt, Konflikte mit der Gewerkschaft Verdi ausgefochten. Nun hat die Ludwigsburger Klinik eine Mitarbeiterin entlassen, die im Betriebsrat sitzt. Die Hintergründe sind bislang unklar.

Der Fall wird voraussichtlich im Januar vor dem Arbeitsgericht verhandelt, aber die Klinikleitung steht nun ebenfalls in der Kritik. Vor der Kreistagssitzung versammelten sich Verdi-Mitglieder und Krankenhaus-Mitarbeiter vor dem Landratsamt und demonstrierten für die gekündigte Kollegin: unter anderem mit Plakaten, die ein Bild der Frau zeigten.

Diese Vorgänge wurden in der Sitzung nur am Rand thematisiert. Wobei mehrere Kreisräte erklärten, die Lösung von Konflikten falle nicht in den Aufgabenbereich des Kreistags, sondern in den der Geschäftsführung. Jörg Martin, der RKH-Geschäftsführer, war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls anwesend, um die Unternehmensplanung für 2016 vorzustellen. Er erklärte, die RKH halte die Arbeit der Gewerkschaft für wichtig und achte die Rechte des Betriebsrats. Die Kündigung habe nichts mit dem Betriebsrat zu tun, sondern sei aus ganz anderen Gründen erfolgt. Details nannte Martin nicht, er betonte aber: „Dem anstehenden Verfahren sehen wir sehr gelassen entgegen.“

Der Kliniken-Verbund

Holding
– Die Regionale Kliniken-Holding (RKH) betreibt neun Krankenhäuser, darunter fünf im Landkreis Ludwigsburg. Getragen wird sie von mehreren Kreisen und Kommunen. Die RKH beschäftigt rund 7690 Mitarbeiter und ist der größte Anbieter von stationären Leistungen in Baden-Württemberg.

Finanzen –
Für Investitionen, derzeit etwa in die neue Notfallaufnahme oder ein Mutter-Kind-Zentrum in Ludwigsburg, erhält die RKH hohe Zuschüsse des Kreises Ludwigsburg. Während die größeren Häuser in Bietigheim oder Ludwigsburg finanziell solide dastehen, produzieren die kleineren wie in Marbach regelmäßig Verluste. Das Krankenhaus in Vaihingen/Enz wird aus diesem Grund jetzt in eine Tagesklinik umgewandelt. (tim)