Personalisierte Medizin ist in Deutschland noch Zukunftsmusik
Mittwoch, 29. April 2015
– Autor:
Cornelia Wanke
Wir haben in Deutschland noch jede Menge zu tun – das war das Fazit, das Experten des Gesundheitspanels zur personalisierten Medizin anlässlich des Familienrenntages der Gesundheitswirtschaft auf der Galopprennbahn in Hoppegarten bei Berlin zogen.
Beispiel für personalisierte Therapiemöglichkeiten: Darmkrebs
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Es ging um nicht mehr oder weniger als die personalisierte Medizin – und Moderator Prof. Dr. Axel Ekkernkamp konstatierte gleich zu Beginn, dass das Thema ein „heißes Eisen“ sei. „Wir sind auf jeden Fall schon mittendrin“, antwortete Prof. Dr. Christiane Bruns, Ordinaria für Chirurgie an der Universität Magdeburg auf die Frage, ob das Thema personalisierte Medizin denn schon in der Klinik angekommen sei. Als Beispiel nannte sie die unterschiedlichen zielgerichteten Therapiemöglichkeiten beim Dickdarmkrebs. „Wir sind heute auf einem guten Weg, zu entscheiden, welche Therapie für wen in Frage kommt und für wen nicht“, so die Ärztin.
Personalisierte Medizin: Richtung stimmt – aber bei Innovationen ist Deutschland viel zu langsam!
Frank Michalak, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest, betonte, er habe ja überhaupt nichts gegen medizinischen Fortschritt – „und wenn wir im Gemeinsamen Bundesausschuss über ein Medikament diskutieren, das nur bei 50 Patienten mit Gendefekt eingesetzt werden kann, dann sind wir ja schon in der personalisierten Medizin angekommen.“ Er warnte aber davor, dass die Arzneimittelhersteller gleich versuchten, „die ganze Maschinerie anzuwerfen“ und auch Menschen behandelten, denen das neue Medikament gar nichts nütze.
Dr. Henning Schneider, Partner bei der Hamburger Kanzlei Latham & Watkins, stellte fest: „In Deutschland stimmt, was innovative Medizin anbelangt, zwar die Richtung, aber das Tempo ist eine Nummer zu langsam.“ Das liege vor allem am „starren Mindset“ des Gesundheitswesens. Hier sei man noch auf einem Stand von vor 15 Jahren. Beispielhaft nannte er die Themen Datenschutz und Fernbehandlungsverbot: „Das war früher wohl alles so richtig, aber man muss sich doch fragen, ob das heute alles noch so Sinn macht“, so der Jurist, der viele Startups im Gesundheitswesen berät. Regelmäßig bekämen junge Unternehmer dann Probleme, wenn es in die zweite Runde der Finanzierung ginge – „dann befinden sie sich mit ihrem Geschäftsmodell ganz schnell in einer regulatorischen Grauzone“. Gerne richte er den Blick da nach Dänemark – da sei man in der Politik um ein Vielfaches schneller.
Dänemark denkt beim Thema Innovationen weniger an die Probleme denn an die vielen Chancen
Aus Dänemark berichtete Hans Erik Hensenson, CEO von Healthcare Denmark, einem Unternehmen, das als Public-Private-Partnership mit der Regierung zusammen arbeitet: „Wir haben den Blick von Anfang an auf die Chancen gerichtet, die Innovationen für uns bieten können“, sagte er und berichtete über verschiedene Initiativen wie zum Beispiel zur frühen Prävention von Erkrankungen und zur Telemedizin. „Der Nutzen liegt darin, dass wir, indem wir das Gesundheitswesen zum Patienten bringen, die Kosten im stationären Bereich senken können.“ So habe man in Dänemark die Produktivität der Kliniken um zwölf Prozent steigern können. Darüber hinaus würden seit vielen Jahren Gesundheitsdaten elektronisch gespeichert. Alle Bürger hätten so vollen Zugang zu ihren eigenen Daten. „Das ist eine perfekte Basis für eine personalisierte Medizin“, meinte er.
Könnte so etwas auch in Deutschland gelingen? Prof. Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor des Unfallklinikums Berlin, und der Organisator des Panels, Dr. Henri Michael von Blanquet, sind da eher skeptisch. „Da müssen wir noch ganz viel Arbeit leisten.“ Und meinten damit auch ihre eigene Profession: Da gebe es zu viele Vorsichtige und noch mehr Bedenkenträger – „und nur ganz wenige Vorreiter“.
Foto: Cornelia Wanke