WHO:Wenn Krankheitsnamen beleidigen

Die Namen von Erkrankungen können ganze Völker verunglimpfen; man denke nur an die "Franzosenkrankheit" Syphilis. Die WHO hat sich daher Gedanken um die korrekte Bezeichnung neuer Leiden gemacht. Dabei gibt es Wichtiges zu benennen.

Ein Kommentar von Kai Kupferschmidt

Krankheiten eignen sich hervorragend zur Rufschädigung. Die Syphilis etwa hieß in Deutschland einst Franzosenkrankheit, in Frankreich und in Russland Polnische Krankheit und in Polen Deutsche Krankheit. Die Japaner nannten sie Chinesisches Himmelsstrafengeschwür, was immerhin ein bisschen kreativer ist. Das ist alles lange her, aber noch heute heißen die Röteln in England "German measles", und zuletzt beschwerten sich Länder auf der arabischen Halbinsel über den Namen "Middle East Respiratory Syndrome".

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es nun offenbar zu bunt geworden. In dieser Woche hat sie Empfehlungen veröffentlicht, wie neue menschliche Erkrankungen in Zukunft benannt werden sollten: So sollen fortan Orts- und Ländernamen vermieden werden, ebenso Namen von Menschen sowie Begriffe, die Angst machen könnten - etwa Adjektive wie "tödlich" oder "unbekannt". Stattdessen schlägt die WHO vor, die Namen aus harmloseren Wörtern zusammenzusetzen, die sich auf die realen Symptome des Leidens oder den Zeitraum ihres Auftretens beziehen. Ordentliche Namen wären demnach zum Beispiel "Juveniles neurologisches Syndrom" oder "Wässrige Winterdiarrhö Viruserkrankung".

Der Ansatz ist nicht verkehrt. Ein Name kann nicht nur ein ganzes Volk verunglimpfen. Er kann tatsächlich die Menschen verwirren, den Handel behindern oder Touristen verschrecken. Beispiel Schweinegrippe: Der Erreger hatte zwar Bruchstücke des Schweineerregers in sich, wurde aber von Menschen übertragen. Trotzdem wurde in manchen Ländern die Einfuhr von Schweinefleisch verboten, oder es wurden Tiere geschlachtet. Andererseits lobt die WHO als gutes Beispiel die Malaria, dabei führt auch dieser Name in die Irre, bedeutet er doch "schlechte Luft", weil die Römer glaubten, das Leiden werde dadurch verursacht.

Haben Touristen Angst vor Marburg, weil ein Virus nach der Stadt benannt ist?

Bei aller Diplomatie darf man auch nicht übertreiben. So groß ist die Macht der Namen nun auch wieder nicht. Dass Touristen lieber nach München kommen als nach Marburg, liegt vermutlich nicht daran, dass die hessische Stadt Namenspate eines gefährlichen Tropenvirus ist. Und umgekehrt: Werden Touristen eher nach Liberia reisen, weil das Ebolavirus nach einem Fluss im Kongo benannt ist? Es liegt in der Natur von Infektionskrankheiten, dass sie zuerst an einem bestimmten Ort auftreten, Menschen infizieren und häufig von Tieren stammen.

Und wenn wir die Dinge schon beim Namen nennen: Viel wichtiger ist, wann die WHO etwa einen Ausbruch als "internationale Gesundheitskrise" bezeichnet. Das hat sie bei Ebola viel zu spät getan. Auf Empfehlungen, wie das in Zukunft verhindert werden kann, muss die Welt noch warten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: