Vor dem Gasthaus Zur Post in Neubruchhausen herrschte am Montag Tumult. Rund 200 Mitarbeiter und Betriebsratsmitglieder der vier Krankenhäuser im Landkreis hatten sich dort versammelt, um im Zuge der Kreistagssitzung mit Trillerpfeifen und Transparenten auf sich aufmerksam zu machen. Denn im Kreistag ging es um die Zukunft der Krankenhäuser – entsprechend auch um die der Mitarbeiter, wie die Demonstranten betonten. „Wir kämpfen für den Erhalt aller Arbeitsplätze – unabhängig davon, wie es mit den einzelnen Kliniken weitergeht“, sagte Harald Schardelmann, Betriebsratsvorsitzender in Bassum und Sulingen.
Die Verunsicherung unter den Demonstranten war deutlich spürbar: Wie soll es mit den Krankenhäusern weitergehen, und was ist mit den Mitarbeitern? Das waren ihre drängenden Fragen, für die sie später auch noch im Sitzungssaal viel Applaus und Zustimmung per Trillerpfeife erhielten. Doch darauf konnte weder Landrat Cord Bockhop noch Axel Kaiser von der Krankenhausberatungsfirma Lohfert & Lohfert antworten. Letzterer stellte den Kreistagsmitgliedern zunächst nur ein Gutachten über die Lage der Kliniken im Landkreis und mögliche Zukunftsvarianten vor.
Zwei Kriterien waren bei der Begutachtung der Kliniken besonders wichtig: die Versorgung und die Wirtschaftlichkeit. Derzeit haben knapp 97 Prozent der Bürger die Möglichkeit, bei normalem Verkehr innerhalb von 30 Minuten selbstständig ein Krankenhaus im Landkreis Diepholz oder eines Nachbarkreises beziehungsweise einer Nachbarstadt zu erreichen. Genau das ist ein Problem: Viele Patienten fahren lieber in ein Krankenhaus der Nachbarschaft. Vor allem in Bassum werden rückläufige Patientenzahlen verzeichnet. Und obwohl die Zahlen in Diepholz und Sulingen leicht steigen, stehen die Kliniken in direkter Konkurrenz mit denen in Vechta und Lohne.
Bei dem Erhalt zweier Standorte würde das Bassumer Krankenhaus nach jetzigem Stand dazu gehören.
Hinzu kommt die Wirtschaftlichkeit. Alle Krankenhäuser des Landkreises verzeichnen verschlechterte Betriebsergebnisse. Das hänge laut Axel Kaiser nicht nur mit der rückläufigen Leistung zusammen, sondern auch mit der „Größe“ der einzelnen Kliniken – die eben eher klein ist. Optimal seien 500 bis 600 Betten pro Krankenhaus. Doch damit könnten die im Kreis nicht dienen – sie kämen auf jeweils rund 100 Betten. Die kleinen Kliniken müssten nicht nur in ihren jeweiligen Spezialgebieten Patienten behandeln können, sondern müssten auch ständig Notfalldienste für akute Fälle jeglicher Art verfügbar halten. „Das heißt, sie müssen immer etwas vorhalten, was aber gar nicht oft nachgefragt wird“, so Kaiser.
Doch was tun, damit die Grund- und Regelversorgung im Landkreis sichergestellt, qualitativ hochwertig und dazu wirtschaftlich wird? Kaiser stellte mehrere Szenarien vor. Eine Option wäre der Erhalt der drei Standorte in Bassum, Diepholz und Sulingen. Doch an der Betriebsgröße würde sich dadurch nichts ändern – und somit auch nicht an der Wirtschaftlichkeit.
Ein weiteres Szenario ist der Erhalt jeweils nur eines der drei Standorte. Doch der Richtwert von nur 30 Minuten Fahrzeit ist bei keinem Standort gegeben. „Dieses Szenario ist also eigentlich nicht denkbar“, sagte Kaiser. Auch die Errichtung eines komplett neuen Standortes wurde geprüft – zum Beispiel im zentral gelegenen Neuenkirchen oder in Wehrbleck. Doch auch hier stellt sich die Fahrzeit als Problem heraus. Und wenn man den Standort in Bassum erhält und in Wehrbleck einen neuen schafft? Dann wäre eine gute Versorgung gewährleistet. Aber mit einem Investitionsbedarf von 45 bis 55 Millionen Euro kann von Wirtschaftlichkeit keine Rede mehr sein.
Vor allem die Klinikmitarbeiter fürchten sich vor der Schließung eines Standortes.
Und so ist das wahrscheinlichste Szenario der Erhalt zweier Standorte – entweder Bassum und Diepholz oder Bassum und Sulingen. „Die Variante Bassum/Diepholz wäre ein wenig wirtschaftlicher, aber Bassum/Sulingen wäre auch nicht unwirtschaftlich. Zudem wäre bei der Variante die Versorgung gewährleistet – und die ist immerhin unser gesetzlicher Auftrag“, sagte Cord Bockhop.
Nur müsste dann deutlich an der Akzeptanz des Bassumer Krankenhauses gearbeitet werden. „Das ist Aufgabe der Ärzte, der Geschäftsführung und der Menschen, die ihr Krankenhaus vor Ort behalten wollen“, so der Landrat. Doch nicht nur mit Blick auf die Patienten, sondern auch für die Ärzte wären zwei große Standorte attraktiver, vor allem hinsichtlich der Ausbildung und der Personalplanung. Derzeit wandern sie genau wie die Patienten lieber in die großen Kliniken der Umgebung ab. Das ist Bockhop ein Dorn im Auge. „Beispiel Bremen: Dort schafft man immer mehr Angebote, sodass unsere Bürger lieber dorthin gehen, und dann will Bremen von uns Geld dafür, dass sich die Diepholzer dort behandeln lassen“, sagte er sichtlich erzürnt. Ähnlich verhalte es sich mit dem Landkreis Vechta: „Damme, Lohne, Vechta und Diepholz begreifen sich als Städtequartett, das zusammenarbeiten will, aber in Sachen Krankenhaus klappt das nicht.“
Umso wichtiger sind die anstehenden Regionalgespräche, mit denen der Landrat nun vom Kreisausschuss beauftragt worden ist. Dort will er diskutieren, wie man Leistungen untereinander aufteilen kann, ohne sich auf engem Raum gegenseitig Konkurrenz zu machen. Sein Ass im Ärmel: drei Millionen Euro, die ihm von der Politik für den Krankenhausausbau zugesichert wurden. „Ich habe kein Problem damit, Geld in die Hand zu nehmen, um unsere Kliniken konkurrenzfähig auszubauen“, sagte er.