Gerichtsentscheid
Unispitäler fordern höhere Rechnungen – müssen aber erst über die Bücher

Das Bundesverwaltungsgericht erhöht den Druck für mehr Transparenz in den Spitalbudgets. Es fordert Unispitäler auf, ihre Kosten für die Forschung und universitäre Lehre genau aufzuschlüsseln, wenn sie deswegen höhere Spitaltarife berechnen wollen.

Anna Wanner
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Die Spitäler machen nicht transparent, was die Weiterbildung eines Assistenzarztes kostet.

Die Spitäler machen nicht transparent, was die Weiterbildung eines Assistenzarztes kostet.

Keystone

Weder bei der Ausbildung von Medizinstudenten noch bei jener von Assistenzärzten scheint jemand eine Übersicht zu haben, wo die Hunderten von Millionen Franken hinfliessen, welche die Kantone und die medizinischen Fakultäten den Universitätsspitälern jährlich überweisen. Das belegen nicht nur Versuche des Bundesamts für Statistik, die Ausgaben für Lehre und Forschung zu erheben. Belegt wird das auch durch widersprüchliche Aussagen der Universitäten: Die Kosten eines Medizinstudiums schwanken je nach Berechnung zwischen 200 000 und 700 000 Franken (die «Nordwestschweiz» berichtete).

Kam der Druck für mehr Transparenz bisher vor allem aus der Politik, spricht nun auch das Bundesverwaltungsgericht ein Machtwort. In einem diese Woche publik gewordenen Urteil hält es fest, dass die Ausbildungsstätten nur dann mehr Geld für die universitäre Lehre und Forschung fordern können, wenn sie nachweisen können, dass das Geld auch wirklich in die Lehre fliesst.

Universitätsspital ist zu teuer

Der Gerichtsfall des Universitätsspitals Zürich (USZ) hat seinen Ursprung in einem seit 2012 schwelenden Streit zwischen Spitälern und Krankenversicherern um die Spitaltarife. Weil eine schwere Lungenentzündung andere Kosten verursacht als eine Knieoperation oder eine Entbindung, rechnen die Spitäler seit einer Gesetzesänderung vor drei Jahren ihre Leistungen via Fallpauschale ab. Obwohl das neue System eine Vergleichbarkeit herstellen sollte, monieren gerade Universitätsspitäler, dass über die Fallpauschale ihre Zusatzleistungen nicht abgegolten würden. Für die Weiterbildung von Assistenzärzten einerseits und die Behandlung vieler komplizierter Fälle andererseits fordern sie höhere Tarife. Die Krankenkassen wollen hingegen die Kosten möglichst tief halten.

Transparenz als Voraussetzung

Wenn die Versicherer und Spitäler sich wie so oft nicht einig werden, entscheidet der Kanton. Der Regierungsrat Zürich wollte dem Aufwand des USZ Rechnung tragen und setzte die Rate für die Fallpauschale bei 11 300 Franken hoch an – der nationale Vergleichswert für Unispitäler liegt gemäss Preisüberwacher bei 9674 Franken. Also führten die Krankenkassen dagegen Beschwerde, welche das Bundesverwaltungsgericht nun teilweise gutgeheissen hat.

Der Grund: Das Universitätsspital ermittelte die Kosten für Forschung und universitäre Lehre über eine Befragung der angestellten Ärzte, was Unschärfen und Verzerrungen zulasse. Vor allem konnte das USZ die Tätigkeiten der Ärzte nicht nach medizinischer Versorgung oder Lehre und Forschung aufschlüsseln. Auch werden die Kosten des Medizinstudiums und der Weiterbildung von Assistenzärzten vermischt, die eigentlich aus unterschiedlichen Töpfen finanziert werden. Das Bundesverfassungsgericht schliesst daraus, dass die Ausweisung «der Kosten der Forschung und universitären Lehre des USZ in verschiedener Hinsicht weder ausreichend transparent noch gesetzeskonform und vollständig erfolgte». Dabei sei die genaue Ermittlung der Kosten unumgänglich, wenn Unispitäler höhere Tarife berechnen wollen. Kurz: Solange Spitäler nicht transparent machen, wie viel Geld tatsächlich in die Forschung und Lehre fliesst, können keine finanziellen Forderungen geltend gemacht werden.

Jeder kocht sein eigenes Süppchen

Das Bundesverwaltungsgericht gab im aktuellen Fall nicht nur den Versicherern teilweise recht. Das Urteil folgt auch dem Ruf des Preisüberwachers, der schon lange für eine transparente Buchhaltung kämpft, so Manuel Jung, Leiter Fachbereich Gesundheit. Die Kostentransparenz sei allerdings bei allen Spitälern ein Problem, die Ärzte weiterbildeten. Die Schwierigkeiten beginnen schon bei der unterschiedlichen Finanzierung. Die kantonale Gesundheitsdirektoren- Konferenz (GDK) wollte ein einheitliches System einführen und die ärztliche Weiterbildung mit 15 000 Franken pro Arzt abgelten, um die Spitäler zu unterstützen. Doch nicht alle Kantone machten mit. Das verzerrt die Vergleichbarkeit. Und es trägt nicht eben zu mehr Transparenz bei, wie Jung sagt: «Heute weisen einige Universitätsspitäler den Betrag aus, den sie vom Kanton erhalten. Das Krankenversicherungsgesetz verlangt aber, dass sie die Kosten ausweisen.» Denn auf Basis der Kosten werden die Tarife verhandelt.

Wieso es zu Streit kommt

Auch sei für ihn überhaupt nicht klar, ob Assistenzärzte wirklich mehr Kosten verursachen, wie das die Spitäler gerne behaupten. Jung: «Ich stelle eine Gegenbehauptung auf: Assistenzärzte arbeiten viel und zu relativ tiefem Lohn, was die Kosten für deren Ausbildung kompensiert.» Beweisen lässt sich beides nicht. Die Daten fehlen.

So schätzt die Kosten jeder gerade so, wie es ihm passt. Die Unispitäler geben an, die Lehre belaufe sich auf 8 bis 10 Prozent des Spitalbudgets. Der Preisüberwacher geht von mehr als 20 Prozent aus. Dass die Differenz so gross ist, hängt mit entgegengesetzten Interessen zusammen: Je tiefer der Anteil der Ausbildungskosten am Budget, desto höher werden die Tarife angesetzt, desto mehr Geld steht dem Spital zur Verfügung – und desto höher fallen die Krankenkassenprämien aus. Und das führt dann eben zu Streit.