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Skandal an Uni-Klinik Mannheim Mehr Infektionen als bisher bekannt

Knochensplitter am OP-Besteck: Der Hygieneskandal aus dem vergangenen Jahr lässt das Universitätsklinikum Mannheim nicht los. Es gab viel mehr Infektionen als bisher bekannt zeigt jetzt ein vertraulicher Bericht.
Universitätsklinikum Mannheim: Massiver Anstieg an Infektionen in chirurgischen Abteilungen

Universitätsklinikum Mannheim: Massiver Anstieg an Infektionen in chirurgischen Abteilungen

Foto: Uwe Anspach/ picture alliance / dpa

Nun soll alles wieder gut sein. Eine Expertenkommission hat einen 50-seitigen Bericht abgeliefert, an diesem Freitag soll er im Aufsichtsrat der Universitätsklinik Mannheim besprochen werden. Die Stadt zeigt sich zuversichtlich und teilt schon mal in einer sperrigen Mitteilung mit: Die ersten Schritte, die Hygienemängel zu beheben, seien geeignet, "einen den Richtlinien und Vorgaben entsprechenden Betrieb der Zentralsterilisation sicherzustellen".

Die einstige Vorzeige-Uni-Klinik war im vergangenen Herbst wegen massiver Hygienemängel in die Schlagzeilen geraten: Am Operationsbesteck klebten Knochensplitter und Blutreste, OP-Säle wurden geschlossen und unqualifiziertes Personal nach Hause geschickt. Monatelang gingen Staatsanwaltschaft und Kripo im Klinikum ein und aus, am Ende war der langjährige Geschäftsführer Alfred Dänzer, zugleich Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), seinen Job los.

Von Aufklärung war die Rede, von Lernprozessen, und eines war Klinikführung und Aufsichtsrat immer besonders wichtig: Patienten seien nicht zu Schaden gekommen. Jetzt ist also alles wieder gut?

Vieles spricht dafür, dass gar nichts gut ist in dem Haus, das jahrelang Gewinne in Millionenhöhe auswies. Gesperrte OP-Räume und weniger Patienten sollen 2014 ein Minus von 13 Millionen Euro hinterlassen haben. Auch in diesem Jahr wird ein Verlust im zweistelligen Millionenbereich veranschlagt. Spätestens im kommenden Jahr, so heißt es im Klinikum, dürften die Rücklagen aufgezehrt sein.

"Das war schon nicht mehr schön"

Doch es könnte noch schlimmer kommen. Die Infektionszahlen waren offenbar weitaus höher als bisher bekannt. Das geht aus Unterlagen hervor, die die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt hat. Demnach war bereits im Jahr 2012 in verschiedenen chirurgischen Abteilungen aufgefallen, dass die Infektionen massiv angestiegen waren.

Dem Chefarzt der Orthopädie kam diese Häufung schließlich seltsam vor, 2013 ließ er daraufhin im hauseigenen Labor drei Sets mit OP-Instrumenten überprüfen - in allen drei Sieben wurden Staphylokokken gefunden. Der Super-GAU für einen Operationstrakt. Doch es passierte: nichts. Und das, obwohl große Krankenhäuser in Deutschland erhöhte Infektionshäufigkeiten systematisch untersuchen und melden müssen. In Mannheim wurde nicht systematisch untersucht - und auch nicht gemeldet.

Auch in anderen Abteilungen soll die Zahl der operationsbedingten Infektionen in diesem Zeitraum dramatisch angestiegen sein, von bis zu 20 Prozent ist die Rede. Oder wie es ein Operateur beschrieb: "Die Zahl der Infektionen war so hoch - das war schon nicht mehr schön."

Bestätigen will die Zahlen niemand. Kurz nach Bekanntwerden des Skandals hatte Geschäftsführer Frederik Wenz von "circa vier bis sechs Verdachtsfällen für haftpflichtrelevante Infektionen" gesprochen. An dieser Darstellung hält die Klinik bis heute fest - was allerdings keineswegs ausschließt, dass die Zahl der intern registrierten Fälle um ein Vielfaches höher liegt.

Management war überfordert

Der Bericht der Expertenkommission ist nicht öffentlich, er soll es wohl auch nicht werden. Aufsichtsratschef und Oberbürgermeister Peter Kurz, SPD, verweigerte dem Aufsichtsrat sogar eine intensive Vorbereitung auf die Sitzung am heutigen Freitag. Die Mitglieder durften den Bericht vorab lediglich einsehen, "mit vorheriger Anmeldung in den Räumlichkeiten der Geschäftsführung".

Doch schon die zweiseitige, ebenfalls vertrauliche Zusammenfassung lässt erahnen, was wirklich los war in Mannheim. Von "unzureichend funktionierenden Schnittstellen" schreiben die Autoren, auf den Führungsebenen seien "die Anforderungen nicht hinreichend bekannt bzw. bewusst gewesen", Verantwortlichkeiten seien "sowohl fachlich als auch in der Kommunikation nicht ausreichend wahrgenommen" worden. Überhaupt seien Bereiche wie die Krankenhaushygiene, das Qualitätsmanagement und das interne Kommunikationsinstrument CIRS "personell unterbesetzt" gewesen und hätten auch "innerhalb des hierarchischen Verwaltungsgefüges nicht den Stellenwert" gehabt, "wie es in einem Universitätsklinikum notwendig gewesen wäre".

Im Klartext: Über Jahre hat das Klinikum das Medizinproduktegesetz, die Medizinproduktebetreiberverordnung und Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) missachtet. Das Management war überfordert, Experten im eigenen Haus wurden übergangen. Und die Missstände waren nicht unbekannt. "Es ging in Mannheim immer nur um die Rendite", sagt Jan Schultze-Melling vom Ärzteverband Marburger Bund, der zahlreiche Mediziner in Rechtsfällen gegen die Uni-Klinik vertritt.

Keine Schlagzeilen vor der Wahl

"Eine neue Unternehmenskultur mit der notwendigen Transparenz" empfiehlt der Bericht nun dem Klinikum. Doch damit ist auf die Schnelle nicht zu rechnen. Geschäftsführer Wenz war schon zu Zeiten, als der Skandal ruchbar wurde, als Ärztlicher Direktor Teil der Klinikführung. Und auch von Aufsichtsratschef Peter Kurz ist ein Neustart nicht zu erwarten. Selbstzweifel sind seine Sache nicht, er hatte Kritikern im vergangenen Jahr eine "Kampagne" und "gezielte Angriffe" auf ein "gut geführtes Haus" vorgeworfen.

Heute kann er Schlagzeilen noch weniger gebrauchen: In vier Wochen stimmen die Mannheimer über seine Wiederwahl als Oberbürgermeister ab.

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