Hamburg. Dr. Roland Dankwardt, einer der Geschäftsführer des Asklepios-Konzerns, im Interview über Patientensicherheit und Behandlungsqualität.

Christoph Rybarczyk

Was macht eine gute Behandlungsqualität im Krankenhaus aus? Worauf sollten Patienten achten, wenn sie eine geeignete Klinik suchen? Darüber sprach das Abendblatt mit Dr. Roland Dankwardt. Der Mediziner und Krankenhausbetriebswirt ist einer der Geschäftsführer des Asklepios-Konzerns und leitet dort die Bereiche Strategisches Qualitätsmanagement, Medizin und Wissenschaft.

Hamburger Abendblatt: Wie stehen Sie zu dem Plan der Politik, Krankenhäuser nach Qualität zu bezahlen?

Dr. Roland Dankwardt: Qualität hat ihren Preis, insofern halte ich viel davon, zumal Qualität bei Asklepios seit mehr als 25 Jahren Erfolgskriterium ist. Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass in den Krankenhäusern die Qualität ständig analysiert und laufend verbessert wird. Dabei ist es sinnvoll, für besonders gute Qualität eine höhere Vergütung, also Zuschläge, zu zahlen. In der Politik werden auch Abschläge diskutiert. Diese halte ich für kontraproduktiv, weil damit möglicherweise Kliniken bestraft werden, die noch nicht die erforderliche Qualität aufweisen. Gleichzeitig würden diesen Häusern die Mittel genommen werden, um in eine bessere Qualität zu investieren.

Die Absicht dahinter ist, die Behandlung bestimmter Krankheiten in Zentren zu konzentrieren und dafür an anderen ­Kliniken gar nicht mehr anzubieten.

Dankwardt: Wenn an einem Krankenhaus hochkomplexe Leistungen nur fünf- bis zehnmal im Jahr erbracht werden, halte ich das auch für bedenklich. Von daher ist ein Konzentrations­prozess auf Zentren gerade hier sinnvoll. Auch Asklepios hat Kliniken, in denen sich mehrere gleichberechtigte Chefärzte hoch spezialisiert eines engen klinischen Bereichs annehmen und dort innovative Medizin anbieten. Das Ziel ist es, über eine höhere Fallzahl immer mehr Erfahrung und Routine und damit auch eine immer bessere Qualität der medizinischen Versorgung zu erreichen. Der Erfolg und die Qualität sind messbar. Ein gutes Beispiel für solch ein kollegiales Chefarztsystem sind Wirbelsäulenzentren, in denen Orthopäden mit Neurochirurgen und Reha-Medizinern gemeinsam an der für den Patienten optimalen Therapie arbeiten.

Wie definieren Sie Qualität?

Dankwardt: Wenn Sie vier Mediziner fragen, was Qualität ist, erhalten Sie vier Antworten. Der erste redet von Strukturqualität, also davon, wie viele Fachärzte vorgehalten werden müssen. Der nächste findet die Prozessqualität am wichtigsten, also eine stark geregelte Abfolge von Behandlungsabläufen. Der dritte meint „Erlebnisqualität“: Er fragt seine Patienten oder die einweisenden Ärzte, wie zufrieden sie sind. Und der vierte Mediziner setzt auf konkrete Erfolge, also messbare Ergebnisse wie Komplikations- und Revisionsraten nach Operationen. Zu den Letzteren zählen wir uns, denn die größten Sorgen des Patienten bei einem Krankenhausaufenthalt sind doch: „Hoffentlich gelingt meine Behandlung und es gibt keine Komplikationen“ und „Hauptsache, ich habe keine Schmerzen“. Die Revisions- und Komplikationsraten sind daher unsere zentralen Steuerungs­größen im Konzern.

Wie machen Sie Ihre Ergebnisse öffentlich?

Dankwardt: Diese Ergebnisse stellen wir – wie übrigens unsere ganze „Qualitätspalette“ – transparent, etwa über die Organisation 4QD auf der Internetseite www.Qualitätskliniken.de, dar. 4QD erstellt dabei ein Ranking von Kliniken anhand von vier Dimensionen: medizinische Qualität, Patientensicherheit, Patientenzufriedenheit und Zufriedenheit der einweisenden Ärzte. Es werden mehr als 400 verschiedene Kategorien gemessen und bewertet. Zum Beispiel die Komplikationsrate nach Gallenblasenoperationen, das Herausspringen des Hüftgelenks nach einer Operation, die Rate von Infektionen nach einer Blinddarmoperation oder die Anzahl von erneuten Eingriffen nach einer gefäßchirurgischen Operation.

Wie stellt sich Sicherheit für den Patienten dar?

Dankwardt: Wir haben ein umfassendes System von Abläufen rund um die Patientenversorgung. Dazu zählen unter anderem Checklisten sowie ein Fehlermeldesystem. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass ein Patient auf dem Weg in den OP bisweilen dreimal nach seinem Namen gefragt wird. Das sorgt zwar manchmal für Irritationen,
erhöht aber die Sicherheit für den
Patienten und ist Teil unseres OP-Sicherheits­systems. Die Checkliste der Weltgesundheitsorganisation WHO, die zur Anwendung kommt, erfordert das, um Verwechslungen auszuschließen. Außerdem tragen alle Patienten, die bei Asklepios operiert werden, ein Armband mit ihrem Namen und einer Identifikationsnummer. Bevor der Patient in Narkose liegt, arbeiten wir wie in der Luftfahrt weitere Checklisten ab, zum Beispiel: Ist es der richtige Patient, operieren wir die richtige Seite, geben wir dem Patienten im OP-Saal Antibiotika, ist er entsprechend vorbereitet, benötigt er weitere Medikamente.

Welche Vorkehrungen treffen Sie, um Ihre Patienten vor Krankenhauskeimen zu schützen?

Dankwardt: Schon mit Betreten des Krankenhauses werden Patienten in einem Screening durch Abstriche, zum Beispiel aus der Nase, auf bestimmte Keime untersucht. Getestet werden alle Patienten, die zu den definierten Risikogruppen gehören. Das sind zum Beispiel alle Patienten, die aus einem Heim kommen oder Patienten vor Operationen, die in den letzten Wochen einen Krankenhausaufenthalt mit einer Infektion hatten, sowie alle Schwangeren vor der Geburt. Wir filtern diese Patienten somit früh heraus und können besondere Hygienemaßnahmen ergreifen und sie konsequent isolieren. Das heißt, wir legen sie in Einzelzimmer.

Trotzdem wurden Anfang des Jahres bei mehreren Patienten multiresistente Keime nachgewiesen ...

Dankwardt: In diesem Fall kam ein russischer Patient mit Darmkrebs nach Hamburg. Als er zurückfliegen wollte, ist er am Flughafen zusammengebrochen und kam allein, nicht ansprechbar im lebensbedrohlichen Zustand in unsere Notaufnahme. Bei der Eingangsuntersuchung wurde eine Besiedlung mit einem multiresistenten Keim bei ihm festgestellt. Der Patient wurde noch vor Bekanntwerden des Labor­befundes isoliert. Vier weitere Patienten wiesen bei einer sofort durchgeführten Untersuchung ebenfalls eine Besiedlung auf. Durch die unverzüglich eingeleitete Isolierung der betroffenen Patienten und die Verschärfung unserer Hygienemaßnahmen haben wir die ­Situation schnell unter Kontrolle bekommen. Kein Patient ist zu Schaden gekommen, und ein Ausbruch konnte verhindert werden. Das ist ein Erfolg unserer geübten Abläufe und des guten Zusammenspiels aller Einheiten, vom Pflegeservice über das Hygiene-Management bis hin zu unserem hauseigenen Labor. Dieser Patient war bei Einlieferung in einem so kritischen Zustand, dass lebenserhaltende Maß-nahmen zunächst wichtiger waren – durchs Raster gefallen ist er aber nicht.

Wie gehen Sie mit Fehlern um?

Dankwardt: Wir haben bei Asklepios eine konstruktive Fehlerkultur mit dem Critical Incident Reporting System, kurz CIRS, etabliert. Dabei handelt es sich um ein System, in welches Mitarbeiter anonym Ereignisse oder Fehler melden, die die Sicherheit des Patienten gefährden könnten. Dieses System arbeitet also mit Erkenntnissen und dem Wissen der Mitarbeiter. 5200 Mitarbeiter haben in den vergangenen vier Jahren etwas gemeldet, daraus haben wir knapp 3600 Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet. Dafür sind wir kürzlich auch vom Aktionsbündnis Patienten­sicherheit ausgezeichnet worden.

Was halten Sie von Internetportalen zur Bewertung von Kliniken, wie zum Beispiel vom Krankenhausnavigator der AOK?

Dankwardt: Ich schätze den Krankenhausnavigator. Ich denke, dass die AOK einen sehr großen Schritt mit diesem Portal gegangen ist, weil sie auch die Daten der stationären mit der ambulanten Behandlung verzahnt hat und Qualität für einzelne Indikatoren über einen längeren Zeitraum darstellbar macht.

Für Patienten zählt ja häufig auch das Urteil anderer Patienten. Was halten Sie von Portalen, die ein Ranking nach Patientenzufriedenheit vornehmen?

Dankwardt: Für zukünftige Diskussionen könnte zunehmend ein Ansatz eine Rolle spielen, bei dem man Patienten bevorzugt befragt, die mit ihrer Behandlung an sich zufrieden waren. Denn jemand, der mit dem Erfolg seiner Operation bereits unzufrieden ist, wird sich schwertun, über den Grundzustand eines Krankenhauses ein objektives Urteil abzugeben. Und in entsprechenden Portalen finden wir Patienten, die schon von ihrem Behandlungserfolg enttäuscht waren. Der liegt aber häufig nicht nur am Krankenhaus. Ich glaube, dass die Krankenhäuser sich mit der Bewertung durch Patienten noch viel intensiver auseinandersetzen müssen. Denn die junge Generation nutzt alle Möglichkeiten der Social Media, sich und ihre Erfahrungen – also auch über Krankenhausbehandlungen – über eindeutige Empfehlungen darzustellen.