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"Die Ersatzkassen erwarten, dass die Krankenhäuser schon jetzt eine gute Qualität für das Geld ihrer Versicherten erbringen. Alles andere ist unakzeptabel."

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Debatte zur Krankenhausreform: "Fehlanreize sind hier vorprogrammiert."

Eine qualitätsorientierte Krankenhausvergütung könnte dazu führen, dass leichte Fälle oder sogar Gesunde in den Kliniken bevorzugt behandelt werden, damit diese den finanziellen Zuschlag kassieren, warnt der Verband der Ersatzkassen. Ein Debattenbeitrag

Jüngst hat das Bundesgesundheitsministerium einen Referentenentwurf für das Krankenhaus-Strukturgesetz (KHSG) vorgelegt. Mehr Qualität in der Versorgung soll damit erreicht werden. Doch wird der Entwurf diesem Ziel gerecht?

Der richtige Ansatz: Planung nach Qualität

Das vorweg: Der Entwurf enthält gute Ansätze, um die Krankenhausversorgung zu sichern und mittelfristig zu verbessern. Stichwort Qualität: Kliniken, die dauerhaft schlechte Leistungen bringen, sollen künftig aus der Versorgung ausgeschlossen werden können. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird gesetzlich beauftragt, planungstaugliche Qualitätsindikatoren zu entwickeln. Planung nach Qualität, das ist eine Forderung, die die Ersatzkassen seit Langem stellen. Ebenso können unangemeldete Qualitätskontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und rechtssichere Mindestmengenvorgaben bei bestimmten Leistungen dazu beitragen, die Versorgung zu verbessern. Dass die Qualitätsberichte der Krankenhäuser für die Allgemeinheit verständlicher formuliert werden sollen, ist genauso zu begrüßen.

Zu- und Abschläge sind der falsche Weg

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e.V.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e.V.

© vdek

Doch steckt der Teufel wie immer im Detail. Nach dem vorgelegten Entwurf bleibt es nämlich den Ländern z. B. bei ihrer Krankenhausplanung weitestgehend freigestellt, ob und wie sie die – bundesweit gültigen – Qualitätsvorgaben des G-BA umsetzen: Sie können sich den Vorgaben durch Landesrecht entziehen. Äußerst fragwürdig ist auch der Plan, Krankenhäuser, die schlechte Qualität liefern, mit Vergütungsabschlägen zu versehen bzw. Krankenhäuser, die außerordentlich gute Qualität erbringen, mit Zuschlägen zu belohnen. Bevor man aber Zuschläge beschließt, ist durch den G-BA festzulegen, wann von besonders guter Qualität gesprochen werden kann. Die Ersatzkassen erwarten, dass die Krankenhäuser schon jetzt eine gute Qualität für das Geld ihrer Versicherten erbringen. Alles andere ist unakzeptabel. Das impliziert aber auch, dass Krankenhäuser - wenn sie dauerhaft schlechte Qualität aufweisen - von der Versorgung ausgeschlossen werden sollten. Das muss nicht sofort geschehen, aber nach einer gewissen Karenzzeit von maximal zwei Jahren schon. Weniger Geld für schlechte Leistung kommt daher für uns auf Dauer nicht infrage. Auch Zuschläge für außerordentliche gute Qualität sind untauglich, solange es noch keine klaren Festlegungen zur Indikationsstellung gibt. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass leichte Fälle oder sogar Gesunde bevorzugt behandelt werden, damit Krankenhäuser den Vergütungszuschlag bekommen. Fehlanreize sind hier vorprogrammiert.

Mengenproblem wird nicht gelöst

Ohnehin geht der Gesetzentwurf die Mengensteuerung nicht ausreichend an. Und dass, obwohl wir im OECD-Vergleich am Meisten operieren. Vielmehr sind noch weitere Zuschläge zur Verbesserung der Krankenhauseinnahmen und Anreize zur Mengenausweitung vorgesehen: neben den erwähnten Qualitätszuschlägen etwa Zuschläge für die Notfallversorgung, Sicherstellungszuschläge, Zentrumszuschläge und viele mehr.

Strukturfonds baut Investitionsstau nicht ab

Nachdem die Länder jahrzehntelang ihrer finanziellen Verantwortung bei den Investitionskosten der Krankenhäuser nur unzureichend nachgekommen sind, enthebt sie der Gesetzentwurf nun fast jeder Finanzierungsverpflichtung. Einzige Ausnahme: der Strukturfonds. Mit dem Fonds sollen z. B. Überkapazitäten abgebaut und ein Umbau, z. B. zu Tagespflegeeinrichtungen, ermöglicht werden – dringend notwendige Schritte aus Sicht der Ersatzkassen. 500 Millionen Euro Versichertenbeiträge aus dem Gesundheitsfonds sollen hierfür aufgewendet werden. An den konkreten Kosten sollen sich die Länder dann zur Hälfte beteiligen. Wir brauchen daneben aber auch ein verbindliches Bekenntnis der Bundesländer, notwendige Krankenhausinvestitionen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu leisten.

Ausgaben müssen noch einmal auf den Prüfstand

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

Auch die Ausgaben müssen noch einmal auf den Prüfstand. Kommt die Reform wie geplant, wird sie bis 2020 mit geschätzten 5,4 Milliarden Euro bei den Krankenkassen zu Buche schlagen. Kosten, die nach Einführung des neuen Finanzierungssystems durch die Politik allein die gesetzlich Krankenversicherten durch Zusatzbeitragssätze tragen müssen. Wenn sie aber solche Summen schultern sollen, dann muss sich im Krankenhausbereich deutlich mehr verbessern, als es der jetzige Entwurf erkennen lässt.

Ulrike Elsner ist Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e.V. (vdek). Ihr Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Krankenhausreform. Alle Debattenbeiträge finden sie hier.

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Ulrike Elsner

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