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Dreckiges OP-Besteck in Mannheim "Es ist das pure Chaos"

Haare am OP-Besteck, undichte Verpackungen: An der Uni-Klinik Mannheim gibt es erneut eklatante Hygienemängel - kurz nachdem sich das Haus für höchste Maßstäbe bejubelt hatte. An Aufklärung scheint das Management kaum interessiert.
Operation in Mannheim (Archiv): Pannenklinik Nummer eins

Operation in Mannheim (Archiv): Pannenklinik Nummer eins

Foto: Uwe Anspach/DPA

Am Donnerstagnachmittag vergangener Woche war es wieder mal so weit: In den Operationssälen des Mannheimer Uniklinikums gingen die Lichter aus. Das Programm wurde gestoppt, nur in absoluten Notfällen durften die Ärzte noch ans Skalpell. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte eine "sofortige Sperrung der OP-Instrumente" verfügt. Die Instrumentenschränke müssen demnach mit einem Schild "Siebe gesperrt" gekennzeichnet werden.

Es ist erst gut zwei Wochen her, da hatte sich die Klinik noch selbst bejubelt. Bei der Aufbereitung von OP-Bestecken würden "zukünftig höchste Maßstäbe gesetzt", versprach der neue Geschäftsführer Jörg Blattmann. Kollege Frederik Wenz kündigte eine "mit großem Aufwand betriebene Neuausrichtung" an und "nachhaltige Investitionen in Qualität". Und der Vorsitzende einer eigens einberufenen Hygiene-Expertenkommission, Oliver Kölbl, Professor für Strahlentherapie in Regensburg, ließ sich zu der Prognose überreden, das Klinikum werde "die Zentralsterilisation heute und in Zukunft sicher betreiben können".

Nun der Rückfall: Wieder Haare am OP-Besteck, wieder Flusen in den Instrumentenkästen, wieder Chirurgen, die Besteckkästen aussortieren, weil Verpackungen undicht sind. Weil es im Sterilisationsbereich an klaren Verfahrensregeln fehlt, sollen zahlreiche Instrumente, gerade für viel Geld neu angeschafft, schon wieder beschädigt sein. Ein verzweifelter Operateur: "Es herrscht das pure Chaos."

Zur Erinnerung: Im vergangenen Herbst wurden im Mannheimer Klinikum eklatante Hygienemängel öffentlich. Dass über Jahre mit fehlerhaften und unsterilen Instrumenten gearbeitet wurde, dass in den Instrumentenkästen Fliegen, Knochensplitter und Hautfetzen lagen, dass systematisch Vorschriften und Gesetze ignoriert worden waren. Der langjährige Geschäftsführer Alfred Dänzer musste gehen, gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Unterlagen nicht auffindbar

Eine eigens eingesetzte Kommission unter der Leitung von Kölbl sollte die Defizite aufarbeiten. Das tat sie so gründlich, dass Geschäftsführung und Aufsichtsratschef den Bericht unter Verschluss halten wollten. Denn es war wenig erfreulich, was die Prüfer zutage förderten: Zum einen hatte die Klinik das Thema Hygiene wissentlich und fahrlässig jahrelang vernachlässigt, zum andern zeigte sich die Klinikführung bei der Fehlersuche offenbar wenig kooperativ.

Erforderliche Unterlagen wurden nur "in unzureichender Qualität oder nicht fristgerecht zur Verfügung gestellt", zudem waren Papiere aus der Zeit zwischen 2007 und 2014 schlicht nicht auffindbar. Gerade mal drei Ordner bekamen die Experten überreicht. Prompt fanden sie "kein relevantes Dokument" mit Hinweisen, "wie sich die Geschäftsleitung in den letzten Jahren mit dem Thema 'Sterilgutversorgung' beschäftigt hatte".

Doch selbst aus den wenig verfügbaren Unterlagen ging Erschreckendes hervor. Schon 2007 hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe kritisiert: "Die meisten Geräte sind zwischen zehn und 20 Jahre alt, entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik." Nur, neue Instrumente gab es ebenso wenig wie Schulungen, Bestimmungen wurden serienweise missachtet.

Die klinikinterne Krankenhaushygiene habe gewarnt, so der Bericht, "dass bei der Aufbereitung von Instrumentarium zurzeit erhebliche Mängel bestehen, die eine direkte Patientengefährdung bedingen können". Im Klartext: Die Mängel waren alle bekannt, behoben wurden sie nicht. Wichtig war die Rendite. Kein Wunder, der gefeuerte Geschäftsführer hatte einen Vertrag mit variablem Anteil, der ihm umso höhere Gratifikationen bescherte, je besser das Jahresergebnis ausfiel.

Es ist indes nicht nur das Hygieneproblem, das das Universitätsspital derzeit zur deutschen Pannen-Klinik Nummer eins macht. Mindestens so skandalös sind Aufarbeitung und politisch-öffentlicher Umgang damit. Vom Stopp des OP-Betriebs Ende vergangener Woche erfuhr die Öffentlichkeit nichts. Genauso wenig sollten Journalisten den Bericht der Hygienekommission einsehen können. Der Aufsichtsrat und sein Vorsitzender, Oberbürgermeister Peter Kurz, SPD, wollen erstens keine Öffentlichkeit und zweitens keinen Neubeginn. Denn der müsste wohl ohne den Aufsichtsratsvorsitzenden stattfinden.

Der längst erstellte kritische Abschlussbericht des Landesrechnungshofes bleibt unter Verschluss, die Staatsanwaltschaft, die seit Monaten ermittelt, schweigt, weil sie sich nicht in den OB-Wahlkampf einmischen will. Dort ist der Skandal-Betrieb mit 4.800 Mitarbeitern und einstmals 20.000 Operationen pro Jahr kein Thema.

Der Imageschaden ist jetzt schon immens. Und immer deutlicher zeichnet sich ab: Mit seiner gegenwärtigen Führung, Kultur und Struktur wird der Medizin-Koloss zu einem Millionengrab für Mannheim und das Land Baden-Württemberg.