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Höchster Klinikum: "Der Zusammenschluss hat Potenzial"

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Der Zusammenschluss des Höchster Klinikums mit den Main-Taunus-Kliniken in Bad Soden und Hofheim schreitet voran. Stefanie Liedtke sprach mit Geschäftsführer Thomas Steinmüller über Tücken und Chancen des Vorhabens.

Der private Klinikbetreiber Sana hat das hochdefizitäre Klinikum in Offenbach binnen zwei Jahren wirtschaftlich saniert. Warum ist das Klinikum Höchst nach wie vor weit von der schwarzen Null entfernt?

THOMAS STEINMÜLLER: Ob das Offenbacher Klinikum wirklich auf wirtschaftlich gesunden Füßen steht, muss man zumindest hinterfragen. Das Haus profitiert sicherlich davon, dass dahinter ein großer Konzern steht, der bestimmte Dinge zahlt – beispielsweise stellte Sana dem Klinikum Offenbach laut Presseberichten 20 Millionen Euro für Abfindungen zur Verfügung. Die tauchen in deren Bilanz aber nicht auf. Wir müssen so was aus der eigenen Tasche zahlen. Ähnlich verhält es sich mit neuen Leistungsbereichen, die in Offenbach angesiedelt werden wie etwa die Adipositaschirurgie: Hier trägt der Konzern sicher die Vorlaufkosten. Und dem Sana-Einkaufsverbund gehören wir übrigens schon seit drei Jahren an.

Und das hat nichts gebracht?

STEINMÜLLER: Doch, einen nennenswerten sechsstelligen Betrag. Aber in die Größenordnung von Millionen kommt man da nicht. Einige Produkte beziehen wir übrigens auch weiterhin zu unseren bisherigen Preisen, weil wir dort schon vorher bessere Konditionen hatten als im Sana-Einkaufsverbund. Bei der ein oder anderen größeren Anschaffung wiederum können wir nicht mitmachen, weil wir als kommunale Klinik an Vergaberichtlinien gebunden sind.

Sie kaufen also bereits recht günstig ein. Warum sind Sie dennoch so weit von der schwarzen Null entfernt?

STEINMÜLLER: Ich will uns jetzt nicht andauernd mit Offenbach vergleichen, aber die haben seit ein paar Jahren einen Neubau – wir noch nicht. Das heißt, wir haben einen höheren Energieverbrauch, die Unterhaltskosten für das Gebäude sind höher und die Brandschutzvorschriften verschärfen sich permanent. Das alles kostet Geld.

Wie viel denn? Beziffern Sie das doch mal. . .

STEINMÜLLER: Zwei Millionen Euro pro Jahr macht das sicherlich aus.

Dann bleiben immer noch 6 bis 7 Millionen Defizit übrig. Zuletzt standen unter dem Strich immer 8 bis 9 Millionen Euro Miese. . .

STEINMÜLLER: 2014 rechnen wir mit einem besseren Ergebnis, aber konkrete Zahlen kann ich noch nicht nennen.

Besser oder deutlich besser?

STEINMÜLLER: Deutlich besser.

Aber Verlust machen Sie dennoch. Warum?

STEINMÜLLER: Allein mit den drei Notaufnahmen machen wir jedes Jahr 4,5 Millionen Euro Verlust. Offenbach hat zwar auch eine große Notaufnahme, aber die haben auch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst auf ihrem Gelände, an den sie Patienten weiterverweisen können, die keine echten Notfälle sind. Das ist schon ein Vorteil. Nicht umsonst hatten wir uns auch darum bemüht, bisher leider vergeblich. Dann betreiben wir noch eine Schule für Operationstechnische Assistenten, die nicht gefördert wird. Wir müssen Notfallbetten und Ausrüstung vorhalten. Aber allein von der schwarzen Null werden wir auf Dauer auch nicht leben können.

Was ändert der Zusammenschluss mit den Main-Taunus-Kliniken an der finanziellen Situation? Wird dann wirklich alles besser?

STEINMÜLLER: Bei dem Zusammenschluss wird immer vom Einsparpotenzial gesprochen. Das ärgert mich. Der Zusammenschluss hat Potenzial, aber dieses Potenzial ist vor allem auf der Leistungsseite zu sehen: Aktuell ist die Marktausschöpfung beider Häuser unterdurchschnittlich. Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir hier noch viel mehr herausholen und damit unsere Erlössituation verbessern. Dann ist der Fokus gar nicht mehr auf den Kosten. Deshalb wehre ich mich auch vehement dagegen, irgendwelche Zahlen zu nennen, wie viele Arbeitsplätze wir noch streichen könnten über die 110 Stellen hinaus, die unabhängig von dem Zusammenschluss in den nächsten Jahren wegfallen. Wir werden diese Leute brauchen. Deshalb ist auch die Diskussion, dass wir unser Personal künftig durchweg schlechter bezahlen könnten, Quatsch. Wir müssen über die Zusatzversorgung reden – ja, aber an den Gehaltsstrukturen wird sich nicht so viel ändern lassen. Wir müssen ein attraktiver Arbeitgeber bleiben, und das Rhein-Main-Gebiet ist teuer.

Das heißt, Sie bleiben im Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst?

STEINMÜLLER: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehe ich davon aus, zumindest was die Bereiche in der direkten Patientenversorgung angeht.

Und was ist mit dem tertiären Sektor? Mit der Küche? Der Sterilisation? Diese Mitarbeiter werden künftig deutlich schlechter gestellt sein, wenn sie in Servicegesellschaften ausgegliedert werden. . .

STEINMÜLLER: Der Wechsel in die Servicegesellschaften muss nicht gleichbedeutend sein mit einer wesentlich niedrigeren Bezahlung. Den größeren Unterschied macht die Zusatzversorgung, in die wir mit den Servicegesellschaften nicht mehr einzahlen wollen.

Wieso wollen Sie aus der Zusatzversorgung aussteigen?

STEINMÜLLER: Wir können da gar nicht komplett aussteigen, aber sie kostet uns pro Jahr 8 bis 8,5 Millionen Euro, wobei allein 3 Millionen davon Sanierungsbeitrag sind, das heißt, damit erwerben wir für unsere Mitarbeiter keinen Cent Rentenanspruch, damit stützen wir das System Zusatzversorgung. Hinzu kommt, dass ein Mitarbeiter mindestens fünf Jahre einbezahlt haben muss, um Ansprüche geltend machen zu können. Das mag für behördliche Strukturen ideal sein: Da macht man seine Ausbildung bei der Behörde und bleibt sein Leben lang dort. Dann hat man im Alter eine schöne Zusatzrente. Aber das passt nicht zu einem Akutkrankenhaus, weil in diesen Systemen die durchschnittliche Beschäftigungsdauer weitaus geringer ist.

Kommen wir noch mal zurück zur Mitarbeiterzahl. Sie sagen, über die ohnehin geplante Streichung von 110 Stellen hinaus werden keine weiteren Stellen wegfallen? Die Gutachter sehen da in Höchst aber noch mehr Einsparpotenzial. . .

STEINMÜLLER: Da ist noch nichts konkret ermittelt. Ich sehe unsere Zukunft eher in der Leistungsausweitung als in einer weiteren Personalreduktion.

Es heißt immer wieder, Höchst arbeite nicht effizient genug. Stimmt das?

STEINMÜLLER: Die Aussage, die Mitarbeiter in Höchst sind weniger produktiv, ist ungerecht und falsch. Wir haben, verglichen mit dem Main-Taunus-Kreis, höhere Personalkosten, ja. Aber das liegt in erster Linie an der Zusatzversorgung. Ich kann von den Mitarbeitern schlecht verlangen, 15 Prozent mehr zu arbeiten, weil sie uns wegen der Zusatzversorgung mehr kosten. Deshalb ist es auch falsch zu sagen, wir könnten weiteres Personal einsparen.

Es wird also keine weitere Stellenreduzierung geben?

STEINMÜLLER: Ich habe die Diskussion über einen pauschalen Stellenabbau immer kritisiert und werde dem auch nicht zustimmen. Mittelfristig ist es denkbar, dass wir beispielsweise die Personalabteilungen oder die Buchhaltung zusammenlegen. Da ist dann schon noch Potenzial drin. Aber ich lasse mich da auf keine Zahlen festlegen. Ich schaue unter den Strich, und da steht: „Leistungssteigerung“.

Glauben Sie, das reicht, um künftig schwarze Zahlen zu schreiben?

STEINMÜLLER: Wir müssen natürlich weiter an uns arbeiten, um Wirtschaftlichkeit herzustellen. Die Politik erwartet, dass wir mittelfristig ohne fremde Hilfe klarkommen. Das halte ich für legitim.

Diese Forderung ist nicht neu, trotzdem ist Ihnen dies in der Vergangenheit nicht gelungen. Warum?

STEINMÜLLER: Das hat viele Facetten. Eine ist, dass man dachte, mit der Änderung der Rechtsform und der Umwandlung in eine GmbH würde sich automatisch Wirtschaftlichkeit einstellen. Das Potenzial dieses Prozesses war jedoch höchst übersichtlich, weil sich an den Rahmenbedingungen nichts geändert hat. Zudem war es zu lange Strategie zu sagen: Wir sanieren uns durch Wachstum.

Mit Verlaub – genau das ist doch auch diesmal Ihre Strategie. . .

STEINMÜLLER: Mit dem Unterschied, dass wir nun die Main-Taunus-Kliniken als Partner im Boot haben, anstatt uns gegenseitig Konkurrenz zu machen. Wenn wir gemeinsam unsere Kraft dafür einsetzen, mehr Patienten an unsere Häuser zu holen und differenziertere Angebote zu schaffen, steckt in dem Zusammenschluss unheimlich viel Potenzial.

Wie hoch ist Ihre Marktausschöpfung aktuell und welchen Wert streben Sie an?

STEINMÜLLER: Weit mehr als die Hälfte der am Klinikum behandelten Patienten kommt aus Frankfurt und dem Main-Taunus-Kreis, mehr als zehn Prozent aus dem übrigen Rhein-Main-Gebiet, bei besonders spezialisierten Leistungen wie etwa der Augenklinik oder der Tumorchirurgie auch aus der ganzen Welt. Der Marktanteil liegt im unmittelbaren räumlichen Umfeld inklusive Main-Taunus-Kreis bei 32,5 Prozent. Die Wachstumsziele kann man nicht auf einen Prozentsatz reduzieren. Es müssen auch die richtigen Patienten sein.

Die richtigen Patienten?

STEINMÜLLER: Wenn wir die Zahl der ambulanten Notfallpatienten weiter steigern, bringt uns das gar nichts. Im Gegenteil: Es kostet uns Geld. Wir brauchen schwere Fälle, also Patienten, die auf die Strukturen angewiesen sind, die wir als Maximalversorger bieten können. Hier können wir von der Zusammenarbeit mit dem Main-Taunus-Kreis sehr profitieren, wenn die Kollegen uns komplexe Fälle schicken, statt die Patienten an andere Häuser zu überweisen. Und wir im Gegenzug natürlich auch – ein Beispiel in die andere Richtung wäre die Plastische Chirurgie.

Klappt das denn?

STEINMÜLLER: Das zarte Pflänzchen keimt, es braucht aber noch ein wenig Zeit zum Wachsen. Streng genommen sind wir aktuell ja noch Wettbewerber. Zudem sieht das Vertragswerk vor, dass die Träger für den Fall des Zusammenschlusses weitere fünf Jahre das Defizit ihrer jeweiligen Häuser ausgleichen. Deshalb wird die Wettbewerbssituation nicht von heute auf morgen beendet sein. Insgesamt aber birgt der Zusammenschluss viel, viel mehr Chancen als Risiken.

Kritiker befürchten einen Bedeutungsverlust für das Höchster Klinikum mit dem geplanten Zusammenschluss. Was halten Sie diesen entgegen?

STEINMÜLLER: Es ist kein Bedeutungsverlust. Wir müssen etwas ändern, sonst reden wir irgendwann nicht mehr über einen möglichen Bedeutungsverlust, sondern über viel existenziellere Fragen wie den Fortbestand des Klinikums. Fest steht: Wir werden Maximalversorger bleiben. Wir werden hier in dieser Funktion auch gebraucht.

Es heißt, der Zusammenschluss mit den Main-Taunus-Kliniken sei nur der Anfang, nach und nach würden weitere Häuser hinzukommen, etwa die Hochtaunuskliniken. Für wie realistisch halten Sie das?

STEINMÜLLER: Sicherlich ist es nahe liegend, weitere Partner hinzuzunehmen, wenn das Modell funktioniert. Und da wird man sich vermutlich auch erstmal nach Nachbarn in vergleichbarer Trägerschaft umsehen. Das hat auf jeden Fall Wachstumspotenzial. Wir sind aber ohnehin auch künftig an Kooperationen mit anderen Partnern interessiert. Es gibt da keine Denkverbote.

Was erwarten Sie: Werden Sie Sprecher der Geschäftsführung der neuen Dachgesellschaft?

STEINMÜLLER: Ich warte jetzt erstmal, bis die Dachgesellschaft gegründet ist. Ich habe hier in Höchst einen tollen Job. Ich sorge mich nicht um meine Zukunft.

Bei dieser Position geht es ja nicht nur um Ihre persönliche Zukunft, sondern auch darum, die Interessen des Höchster Klinikums zu wahren. Wie wollen Sie das schaffen, wenn ein anderer den Hut aufhat?

STEINMÜLLER: Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass ein Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten Teil eines größeren Verbundes wird. Das bedeutet nicht, dass wir als Höchster in diesem Verbund untergehen. Wir machen gute Arbeit, und wir wissen, was wir können. Deshalb mache ich mir überhaupt keine Sorgen um den Stand des Hauses innerhalb des Verbundes. Wir können nur gewinnen.

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