Kassel (jur). Im Streit um Honorare der gesetzlichen Krankenkassen bis 2.000 Euro müssen Krankenhäuser ab September 2015 nun vor einer Klageerhebung doch erst die Schiedsstellen anrufen. Die Pflege-Schiedsstellen sind dann automatisch zuständig, sofern der eigentlich vorgesehene Schlichtungsausschuss noch nicht errichtet ist, urteilte am Dienstag, 23. Juni 2015, der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel (Az.: B 1 KR 26/14 R). Die Übergangsfrist gewährte der Senat wegen eines gegenläufigen Urteils des damals zuständigen 3. BSG-Senats vom Oktober 2014.

Seit Einführung der Fallpauschalen (DRGs) streiten Krankenhäuser und Krankenkassen immer häufiger, welche Fallpauschale im Einzelfall greift oder ob eine Überschreitung der mit der Pauschale abgegoltenen Verweildauer notwendig war und gesondert zu vergüten ist.

Die zuständigen Sozialgerichte können dies meist nur mit hohem Aufwand unter Hinzuziehung von Sachverständigen klären. Laut Gesetz sollen daher Krankenhäuser und Krankenkassen auf Landesebene Schlichtungsausschüsse für solche Streitigkeiten einrichten. Honorarklagen bis 2.000 Euro sind seit August 2013 unzulässig, wenn nicht vorher ein Schiedsverfahren durchgeführt wurde. Dadurch sollen die Sozialgerichte entlastet werden.

Allerdings sind bundesweit bislang erst zwei solcher Schlichtungsstellen arbeitsfähig: in Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Hintergrund der Verzögerungen sind vermutlich die hohen Kosten. Zudem wird teilweise der Sinn infrage gestellt, weil gerade große Krankenhäuser meist ohnehin eine außergerichtliche Einigung suchen, soweit es nicht um häufige Grundsatzfragen geht.

Um die Zwangsschlichtung dennoch auf den Weg zu bringen, hat der Gesetzgeber zum August 2014 das Gesetz dahin ergänzt, dass ersatzweise die bereits bestehenden Pflegesatz-Schiedsstellen zuständig sind, solange ein Schlichtungsausschuss für Honorarstreitigkeiten noch nicht besteht.

Der 3. BSG-Senat hatte entschieden, dass in dieser Situation die Zwangsschlichtung nicht greift. Für die Beteiligten sei überhaupt nicht klar, an wen sie sich wenden müssen. Das sei mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz unvereinbar. Die Zwangsschlichtung sei daher erst dann verbindlich, wenn eine Schlichtungsstelle „tatsächlich handlungsfähig ist“ und ihre Zuständigkeit den Kassen und Krankenhäusern „verbindlich angezeigt“ hat (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 8. Oktober 2014, Az.: B 3 KR 7/14 R).

Nachdem zum Jahresbeginn 2015 die Alleinzuständigkeit für Fragen der Krankenhausvergütung auf den 1. BSG-Senat übergegangen ist, hat der diese Rechtsprechung nun beendet. Mit der Gesetzesänderung 2014 habe der Gesetzgeber die Zwangsschlichtung durchsetzen wollen. Die Vorbehalte des 3. Senats ließen sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr seien die Pflegesatz-Schiedsstellen nun in der Pflicht. Um eine Überforderung zu vermeiden, seien sie ermächtigt worden, Unterausschüsse für die Honorarschlichtung einzurichten.

Allerdings berücksichtigte der 1.BSG-Senat, dass das Urteil vom Oktober Vertrauen in die ausgeurteilte Rechtslage geschaffen habe. Daher sind bis Ende August 2015 Honorarklagen bis 2.000 Euro auch ohne Schlichtung noch zulässig, ab September 2015 dann nicht mehr.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in Berlin kritisierte den Kurswechsel im BSG als „nicht mehr nachvollziehbar“. Danach müssen die Sozialgerichte bis Ende August nun wohl mit einer Klagewelle rechnen. „Den Krankenhäusern bleibt nach erster Einschätzung nur der Weg, bis zum 31. August 2015 so viele Klagen wie möglich bei den Sozialgerichten anhängig zu machen“, erklärte die DKG auf Anfrage.

Im konkreten Fall eines Caritas-Krankenhauses in Rheinland-Pfalz war nach dem Kasseler Urteil die Klage auf 912 Euro noch zulässig; sie blieb jedoch ohne Erfolg.


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