Patienten wollen gläsernes Spital

Das Volk hält Qualitätsvergleiche zwischen den Spitälern für sinnvoll. Dafür ist der Ruf der Generika beschädigt, wie der neue Gesundheitsmonitor zeigt.

Simon Hehli
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Im Grossen und Ganzen zeigen sich die Schweizer hochzufrieden mit dem Gesundheitssystem. (Bild: Keystone)

Im Grossen und Ganzen zeigen sich die Schweizer hochzufrieden mit dem Gesundheitssystem. (Bild: Keystone)

In Zeiten, in denen sich für fast jedes Hotel oder Restaurant weltweit Kundenbewertungen im Internet finden, wollen die Schweizer auch im Gesundheitswesen nicht auf Ratings verzichten. Das ist eine der zentralen Erkenntnisse des GfS-Gesundheitsmonitors 2015. In seiner 18. Ausgabe fragte er zum ersten Mal nach der Haltung zur Transparenz. 85 Prozent der Befragten möchten vor der Entscheidung zu einer Behandlung die Qualitätsdaten eines Spitals kennen. Drei Viertel sind der Meinung, es erhöhe die Qualität an den Spitälern, wenn die Qualitätsdaten öffentlich zugänglich seien. Und 71 Prozent fordern von den Ärzten, dass sie vor einer Überweisung den Ruf des Spitals überprüfen.

Kein Bonus-Malus-System

Der Ruf nach dem gläsernen Spital ist Wasser auf die Mühlen von Unternehmen, die eine Art Gesundheits-Tripadvisor anbieten wollen. Die Bürger möchten die Vergleiche zwischen den Spitälern jedoch in erster Linie als Entscheidungsgrundlage für sich selber nutzen – vor einem Sanktionssystem schrecken sie zurück: Weder soll die öffentliche Hand schlechte Spitäler finanziell bestrafen, noch sollen Krankenkassen lediglich Behandlungen in gut bewerteten Institutionen bezahlen.

Die Studie befasst sich in einem weiteren Schwerpunkt mit den Generika. Galten diese vor einigen Jahren noch als Wundermittel gegen explodierende Gesundheitskosten, ist ihr Ruf nun ramponiert. 2009 gaben noch 73 Prozent an, sie würden einem Nachahmerprodukt den Vorzug geben, in diesem Jahr sind es nur noch 38 Prozent; 52 Prozent hätten lieber ein Originalmedikament. Der GfS-Chef Claude Longchamp erklärt die neue Skepsis mit der enttäuschten Hoffnung auf deutliche tiefere Preise. So stimmen 80 Prozent der Aussage zu, das günstigste Medikament sei nicht unbedingt das geeignetste. 63 Prozent sind der Meinung, ein Wechsel auf günstigere Medikamente könne langfristig sogar höhere Kosten auslösen, weil die Therapietreue leide. Eine Mehrheit findet zudem, eine Bevorzugung von Generika durch die Krankenkassen würde innovative Pharmafirmen bestrafen.

Auffällig ist ohnehin, wie gut der Ruf der Pharmaindustrie ist. In der vom Branchenverband Interpharma bestellten Studie werden die Medikamentenhersteller von allen Kostentreibern im Gesundheitswesen an letzter Stelle genannt – weit hinter Krankenkassen und Verwaltungsaufwand. Die beiden wichtigsten Kritikpunkte der letzten Jahre seien weggefallen, erklärt Longchamp das gute Abschneiden: «Den Vasella-Effekt gibt es nicht mehr, und auch den Vorwurf, dass sie ihren Heimmarkt in einer globalisierten Welt immer mehr vernachlässige, konnte die Branche entkräften.» Die Bevölkerung nehme die Pharmaunternehmen in erster Linie als zentrale Pfeiler des Forschungsstandorts und als wichtige Arbeitgeber wahr, betont Longchamp – und verweist auf die 400 neuen Stellen, die Biogen in Luterbach schafft.

Keine Illusionen über Kosten

82 Prozent haben ein positives Bild des Schweizer Gesundheitssystems. In Bezug auf die Kosten hegt jedoch kaum jemand die Hoffnung, dass diese auf heutigem Niveau stabilisiert oder gar reduziert werden können. Unter den Sparmassnahmen würde eine Einschränkung der freien Spitalwahl auf den geringsten Widerstand stossen. Von einem eingeschränkten Zugang zu neuen Medikamenten oder Behandlungen wollen hingegen 65 Prozent nichts wissen, an der freien Arztwahl halten 54 Prozent fest.

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