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Hygieneaffäre in Mannheim Uniklinik räumt höhere Infektionszahlen ein

Jetzt sagt es auch die Krankenhausleitung: Im Universitätsklinikum Mannheim lag die Zahl der Wundinfektionen nach Operationen deutlich höher als bislang behauptet. Das späte Geständnis hat auch eine politische Dimension.
Peter Kurz (SPD): Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef

Peter Kurz (SPD): Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef

Foto: Uwe Anspach/ picture alliance / dpa

Der Oberbürgermeister von Mannheim kämpft an diesem Wochenende um seine Wiederwahl. Peter Kurz, SPD, ist im Nebenberuf auch Aufsichtsratschef des Mannheimer Universitätsklinikums - und ein spätes Geständnis könnte ihn jetzt in Bedrängnis bringen: Die Krankenhausleitung räumt in einem Schreiben an SPIEGEL ONLINE erstmals ein, dass es in der Klinik zu mehr Wundinfektionen gekommen ist als bisher behauptet.

Zunächst hatte das Universitätsklinikum Mannheim Fehler und Defizite ausgeschlossen. Später dann, als Staatsanwälte im Haus ein- und ausgingen, wurden Journalisten und Medien (darunter auch SPIEGEL ONLINE) mal "irreführende", mal "fehlerhafte und diffamierende Artikel" vorgehalten, um "das Klinikum in ein schlechtes Licht zu bringen".

Und selbst in der "Mitarbeiterinformation" vom 3. Juli, einem Rundschreiben fürs Hauspersonal, ist noch von "tendenziösen, offensichtlich rein politisch motivierten Ansinnen der Redakteure" die Rede. Diese wollten "erneut - und noch vor der Wahl des Mannheimer Oberbürgermeisters am Sonntag - angebliche Mängel in Führung und Hygiene des Klinikums aufzeigen, um ihre politischen Ziele zu erreichen".

Mit "rein politisch motivierten Ansinnen" ist die Stichwahl um das Amt des Mannheimer Oberbürgermeisters gemeint, die an diesem Sonntag stattfindet.

Das Klinikum war im vergangenen Oktober durch gravierende Hygienemängel in die Schlagzeilen geraten. Über Monate hinweg hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe unzureichend aufbereitetes OP-Besteck bemängelt. Inzwischen wird gegen mindestens sechs damalige Mitarbeiter ermittelt.

Der Klinik-Aufsichtsrat unter Oberbürgermeister Peter Kurz war seiner Kontrollaufgabe offenbar nur unzureichend nachgekommen. Erst als Regierungspräsidium und Staatsanwaltschaft massiv intervenierten, trennte sich der Aufsichtsrat vom damaligen Geschäftsführer Alfred Dänzer (ebenfalls SPD).

Spätes Eingeständnis

Nun räumt die Klinikleitung erstmals ein, dass es deutlich mehr Infektionen innerhalb des Hauses gibt als jene jährlich "vier bis sechs versicherungsrelevanten Verdachtsfälle", die Geschäftsführer Frederik Wenz bisher stereotyp wiederholte. In einem Schreiben an SPIEGEL ONLINE heißt es, in einer Abteilung des Hauses im Jahr 2014 habe es "bei knapp tausend operativen Eingriffen rund 40 Wundinfektionen" gegeben, im ersten Quartal 2015 seien "dort bei 528 operativen Eingriffen zwölf postoperative Wundinfektionen aufgetreten". Dies gehe aus Statistiken einzelner Klinikdirektoren hervor.

Die Geschäftsführung, die Infektionen bis auf wenige Ausnahmen immer bestritten hatte, weist nun darauf hin, dass postoperative Wundinfektionen als die häufigste Komplikation der operativen Medizin gelten. Weltweit träten in allen Kliniken immer wieder postoperative Wundinfektionen auf, die "je nach Eingriff zwischen nahe 0 und deutlich über 20 Prozent liegen".

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Hygieneskandal in Mannheim: Haare, Keime und eine tote Fliege

Foto: Uwe Anspach/ picture alliance / dpa

Weiter sagt das Klinikum: "In Häusern der Maximalversorgung (z.B. Universitätskliniken) sind wegen der höheren Komplexität der Eingriffe und der höheren Morbidität der Patienten auch höhere postoperative Wundinfektionsraten zu erwarten als in kleinen Krankenhäusern." Haftpflichtrelevant würden diese Fälle aber nur selten, "da Wundinfektionen von der Klinik zumeist ohne bleibende Folgen behoben" würden.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE war die deutlich erhöhte Anzahl von Infektionen insbesondere in einigen chirurgischen Abteilungen in den Jahren 2013 und 2014 intern seit Längerem bekannt. Sie waren auch dem hauseigenen Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene gemeldet worden. Noch im Mai hatte die Geschäftsführung auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE jedoch behauptet, das Hygiene-Institut habe der Hausleitung nichts auffälliges berichtet. Dass vieles im Hygienebereich im Argen lag, ist auch daran zu erkennen, dass die auffälligen Infektionsraten inzwischen wieder deutlich abgesunken sind.

Hygieneskandal Tabu-Thema im Wahlkampf

Dass die Klinikleitung ihre Kommunikationsstrategie nun geändert hat und deutlich höhere Infektionszahlen einräumt, hat mutmaßlich auch mit der Debatte im eigenen Haus zu tun. In einer Leitungsrunde in den vergangenen Tagen sollen die beiden Geschäftsführer des Hauses zunächst erneut bestritten haben, dass es postoperative Infektionen gegeben habe. Ein leitender Chirurg soll daraufhin massiv widersprochen und der Geschäftsführung konkrete Zahlen aus seinem Bereich entgegengehalten haben.

Einigkeit besteht immerhin darin, dass die millionenschweren Investitionen des Klinikums insbesondere in die Hygiene inzwischen Wirkung zeigen: Die Zahl der Infektionen ist nach einem deutlichen Anstieg in den Jahren 2013 und 2014 wieder spürbar abgesunken.

Das Mannheimer Klinikum mit seinen Pannen und Mängeln hat in den letzten Tagen auch den OB-Wahlkampf befeuert. Lange gelang es Amtsinhaber Peter Kurz, das Klinikum aus dem Wahlkampf heraushalten. Zuletzt warf ihm Herausforderer Peter Rosenberger (CDU) dann doch Versagen in der Hygieneaffäre vor. Kurz hatte den ersten Wahlgang mit 46,8 Prozent gewonnen, Rosenberger kam auf 33,8 Prozent. Beide stellen sich nun einer Stichwahl.

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