Solingen Kliniken: Gesetz ist eine Mogelpackung

Solingen · Geschäftsführer der drei Solinger Krankenhäuser kritisieren die geplante Krankenhausreform hart. Sie fürchten, dass Patienten deutlich länger auf Behandlungen warten müssen und nicht mehr alle Leistungen angeboten werden können.

Die Geschäftsführer der drei Solinger Kliniken haben bereits einen Namen für das Krankenhausstrukturgesetz (KSG), das zum 1. Januar in Kraft treten soll: Krankenhausschließungsgesetz. "50 Prozent der Häuser werden das nicht überleben. Und solche, denen es jetzt noch gut geht, die gehen dann am Stock", findet Hermann-Josef Bökmann vom Klinikum deutliche Worte für das, was der Bundesgesundheitsminister in der vergangenen Woche als "deutliche Verbesserung der finanziellen Situation der Krankenhausfinanzierung" bezeichnet hat. 660 Millionen Euro für 6300 neuen Pflegestellen bundesweit soll es geben. Geld, das an anderer Stelle von den Kliniken eingespart werden muss, wie die drei Klinikchefs betonen.

Die Einzelheiten dazu hätten Bökmann und seine Kollegen Gregor Hellmons von der Kplus Gruppe und Eckhard Rieger vom Krankenhaus Bethanien gerne dem für sie zuständigen Bundestagesabgeordneten Jürgen Hardt erläutert, doch der verweigerte nach Auskunft von Bökmann trotz alternativer Terminvorschläge die Teilnahme am gestrigen Pressegespräch im Klinikum.

Auch wenn die Kliniken einerseits Geld bekommen sollen, wird ihnen durch den Wegfall des Versorgungszuschlags Geld verloren gehen. NRW-weit sind das 120 Millionen Euro. Für die Kplus Gruppe, zu der die St. Lukas Klinik gehört, bedeutet dies den Gegenwert der Gehälter von 22,6 Vollzeit-Pflegekräften. Die Mittel aus dem Krankenhausstrukturgesetz wären zur Finanzierung von lediglich zwei Stellen ausreichend. "Die Politiker treiben ein falsches Spiel", kommentiert Gregor Hellmons das geplante Gesetz, das in der vergangenen Woche in erster Lesung den Bundestag passierte. Übereinstimmend bezeichnen die drei Geschäftsführer das neue Gesetz als Mogelpackung und haben ihre daraus resultierenden Forderungen zusammen mit anderem Kliniken im Bergischen in einer Anzeigenkampagne formuliert. Was Eckhard Rieger besonders ärgert: "Das Gesetz wird als Qualitätsoffensive zum Wohl der Patienten verkauft." Doch das Gegenteil sei der Fall: "Alle werden merken, dass weniger Personal auf den Stationen sein wird, tritt das Gesetz in Kraft", so Rieger. Und das vor dem Hintergrund, dass Deutschland mit durchschnittlich einer Pflegekraft auf zehn Patienten nicht eben an der Spitze der Statistik läge.

Neben dem Wegfall des Versorgungszuschlags kritisieren die Geschäftsführer die Unterfinanzierung der ambulanten Notfallversorgung. Pro ambulanter Notfallleistung erhalten die Krankenhäuser durchschnittlich 32 Euro. "Die Kosten, die entstehen, liegen aber bei rund 126 Euro", erläutert Hermann-Josef Bökmann. Auch wenn Kliniken Fälle aus anderen Häusern übernehmen, die zum Beispiel Fachabteilungen schließen mussten, gibt es laut Gesetzesvorlage dafür künftig weniger Geld. Das Krankenhaus muss in diesem Fall zusätzliche Leistungen erbringen, ob es will oder nicht, erhält aber dafür nicht den ihm zustehenden Preis, sondern einen um die Hälfte geminderten Abschlag von einer Summe, der über die Fallpauschalen ohnehin schon von der Politik diktiert wurde, so die Geschäftsführer. Nicht ausreichend berücksichtigt sind nach deren Meinung außerdem die Auswirkungen des demografischen Wandels, des zunehmenden medizinischen Fortschritts und des wachsenden ambulanten Potenzials. "Die Prognose der Steigerung der Fallzahlen bis 2030 liegt zwischen 6,6 und über 20 Prozent", sagt Gregor Hellmons.

Neben ihren Forderungen (siehe Kasten) würden sich Bökmann, Hellmons und Rieger eine Vereinfachung bei der Dokumentation der Tätigkeiten auf den Stationen wünschen. Die dort gesparte Zeit könnte den Patienten zugute kommen. "Es ist eine irrige Vorstellung der Politik, wir hätten beim Personal noch Potenzial, doch hier ist die Schraube schon fast überdreht", weiß Eckhard Rieger. Für die Geschäftsführer ist der Gesetzentwurf daher "in weiten Facetten fernab des täglichen Betriebs und der Nöte der stationären Versorgung".

(RP)
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