Spricht für Baden-Württembergs Kliniken: Piepenburg Foto: BWKG

Der Heilbronner Landrat ist neuer Cheflobbyist der Krankenhäuser im Südwesten. Er warnt vor den Folgen der geplanten Klinikreform.

Herr Piepenburg, viele Kliniken im Land schreiben rote Zahlen, aber die Krankenhausreform der schwarz-roten Bundesregierung löst die Finanzprobleme der Krankenhäuser nicht. Im Gegenteil. Wie reagieren Sie als neuer Cheflobbyist der Kliniken darauf?
Die Reform hat unsere Hoffnungen nicht erfüllt. Wir sind enttäuscht und empört. Deshalb wird es sicher einiges an Protest geben. Wir haben seit Jahren eine strukturelle Unterfinanzierung in den Krankenhäusern. 45 Prozent von ihnen haben 2014 mit einem Defizit abgeschlossen. Weder die Finanzierung der Betriebskosten durch die Krankenkassen noch die Finanzierung der Investitionskosten durch die Länder ist ausreichend. Unsere Position ist unverändert: Ein bedarfsgerechtes Krankenhaus muss sich im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit auch refinanzieren können.
Was bedeutet der Wegfall des sogenannten Versorgungszuschlags?
Den Kliniken im Land werden 60 Millionen Euro jährlich entzogen. Das entspricht 1078 Stellen. Das Pflegeförderprogramm, das Bestandteil der Reform sein soll, kann das nicht aufwiegen. Es hat zudem noch einen weiteren Haken.
Welchen?
Die Kliniken müssen selbst Geld in die Hand nehmen, um voll von dem Programm zu profitieren. Unter dem Strich kommt auf sie eine große finanzielle Mehrbelastung zu. Nimmt man die geplanten Abschläge bei Leistungsausweitungen hinzu, sind wir bei mehr als 2000 Stellen, die uns fehlen werden in der Finanzierung. Die Personalkosten machen im Klinikbereich nun einmal 60 bis 70 Prozent der Kosten aus. Es tut weh, dass auch diese Reform wieder auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Denn wir wollen ja für unsere Patienten die bestmögliche Versorgung garantieren. Das geht nicht ohne eine gute Personalausstattung.
Jüngst hat sich auch der CDU-Fraktionschef Guido Wolf in die Debatte eingeschaltet mit der Einschätzung, dass nicht alle Kliniken im Land überleben werden. Wie sehr hat sie das überrascht?
Man muss sehen, dass wir jedes Jahr Klinikschließungen erleben und jedes Jahr etwa ein Prozent unserer Betten abbauen. Das ist nichts Neues für uns. Wir müssen auch sehen, dass sich die Medizin verändert.
Inwiefern?
Was früher stationär gemacht wurde, kann heute vielfach auch ambulant erfolgen. Diesen Veränderungen müssen sich die Kliniken stellen, sie müssen die Herausforderungen anpacken, ganz klar. Was wir uns allerdings wünschen, ist, dass die Veränderungen am Einzugsgebiet eines Hauses festgemacht werden. Da muss man auf die regionalen Patientenströme schauen und dann entscheiden, was vor Ort gemacht werden muss und was gemacht werden kann. In ländlichen Regionen kommen Patienten direkt in die Notaufnahme, weil es vor Ort vielleicht gar keinen niedergelassenen Arzt mehr gibt. Darauf muss die Krankenhausplanung reagieren. Wir laden die Landesregierung ein, das Thema gemeinsam mit uns anzugehen. Das sollte man, im Interesse der Menschen vor Ort, nicht von oben verordnen.
Würde zu einer solchen Planung auch gehören, dort abzubauen, wo derzeit eine stationäre Überversorgung herrscht – also in den Ballungsräumen?
Das ist ein sicher ein schwieriger Prozess. Gerade hat eine große Studie der Bertelsmann-Stiftung gezeigt, dass die Ballungsräume in den kommenden Jahren mit einem Bevölkerungszuwachs rechnen müssen. Das Stichwort lautet Landflucht. Auch dem muss man sich stellen, wenn man fragt, welche Versorgungsmöglichkeiten wo vorgehalten werden sollen.
Politisch wird die Klinikreform auch mit dem Stichwort Qualität verkauft. Künftig sollen Zuschläge oder Abschläge in der Vergütung möglich sein, je nach der Ergebnisqualität, die ein Haus abliefert. Was halten Sie davon?

Der Aufgabe, möglichst gute Ergebnisse zu liefern, stellen sich die Kliniken schon lange. Sie lassen sich zertifizieren und rezertifizieren. Auch deshalb bieten die Krankenhäuser in Baden-Württemberg bei planbaren Eingriffen eine hohe Qualität. Insofern bin ich bei diesem Thema ganz gelassen. Mich treibt eher etwas anderes um.

Und zwar?
Die Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber vorgibt, berücksichtigen zu wenig die besondere Situation der Kliniken in Baden-Württemberg. Wir haben durch den guten Arbeitsmarkt im Land andere Personalkosten. Das Fallpauschalen-System, nach dem wir vergütet werden, berücksichtigt das nicht. Das macht unseren Häusern das Leben schwer. Trotzdem arbeiten unsere Kliniken sehr effizient, wir haben die niedrigsten Fallkosten pro Einwohner. Das wird in Berlin nicht gesehen.