Gesundheit:Plus statt Minus

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Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (Foto: dpa)

Die Krankenhäuser protestieren heftig gegen eine Reform, sie verlören 500 Millionen, heißt es. Nun schlägt die Bundesregierung zurück.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Sommerpause ist für die Abgeordneten des Bundestages immer ein Realitätscheck. Weil sie sich zwei Monate lang vor allem im Wahlkreis aufhalten, kommen sie intensiver mit den Wünschen und Sorgen ihrer Wähler in Berührung. Und manchmal treffen die Abgeordneten auch auf regelrechte Empörung. Ausnahmsweise geht es diesmal nicht um Griechenland, sondern um die Krankenhäuser. Ein Thema, das viele Leute sogar mehr interessieren dürfte, angesichts von etwa 2000 Krankenhäusern im Land, 1,2 Millionen Beschäftigten und jährlich etwa 18 Millionen Behandlungen.

Glaubt man der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), ist die Stimmung in den Klinken schlecht. Die von der Koalition geplante Reform verärgere Betreiber und Beschäftigte. Für 2017 seien Kürzungen von 500 Millionen Euro geplant. Die Kliniken erhielten weniger, als sie die steigenden Löhne kosteten. Werde die Reform umgesetzt, drohe der Abbau von bis zu 10 000 Pflegestellen.

In den vergangenen Wochen kam es zu ersten Kundgebungen, die in seltener Eintracht sowohl von Verdi als auch von den Krankenhäusern selbst organisiert wurden. Mitte August sollen nach Planungen der DKG Plakate in allen Kliniken hängen, die auch die Patienten auf den Protest aufmerksam machen sollen. Auf Landesebene laden die Krankenhausgesellschaften Abgeordnete aus dem Bundestag und dem Landtag zu Diskussionsveranstaltungen ein. Mit Macht soll den Parlamentariern klargemacht werden, dass Kliniken, Ärzte und Pfleger die Reform für einen "Etikettenschwindel" halten.

Die Aktion der Krankenhäuser ist nicht zu unterschätzen. Schon in der Vergangenheit hatte ein ähnliches Vorgehen zu Veränderungen im Sinne der Kliniken geführt. Häufig baut sich der Druck über die Kommunen auf. Schließlich sind viele Krankenhäuser auf dem Land gleichzeitig größter Arbeitgeber und Steuerzahler. Kein Kommunalpolitiker will es sich mit ihnen verscherzen. Doch diesmal sind auch die Landesregierungen alarmiert. Die Berechnungen der Krankenhausgesellschaft haben besorgte Anrufe und Nachfragen in Berlin zur Folge.

Um dem massiven Druck der Kliniken entgegenzutreten, hat das Gesundheitsministerium nun ein 14-seitiges Argumentationspapier vorbereitet, indem sehr detailliert auf die Kritik der Krankenhäuser eingegangen wird. Insbesondere die Behauptung, dass die Reform den Kliniken Geld entziehe, soll nicht so stehen bleiben. Das Gegenteil sei der Fall, heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. So erhielten die Krankenhäuser 2017 im Vergleich zu jetzt nicht etwa 500 Millionen Euro weniger, sondern rund eine Milliarde Euro mehr. Bis zum Jahr 2020 stiegen die zusätzlichen Mittel im Vergleich zum Jahr 2015 sogar um 1,7 Milliarden Euro an.

Die von der DKG angeführte Belastung sei "irreführend", weil sie nur die negativen Effekte der Reform und nicht die Entlastungen berücksichtige. So fällt die Regelung weg, wonach es zu landesweiten Kürzungen des Preises kommt, wenn die Krankenhäuser die vereinbarte Zahl der Behandlungen überschritten haben. Die Koalition erfüllt damit eine alte Forderungen der Krankenhäuser. Allerdings streicht sie damit auch den sogenannten Versorgungszuschlag von derzeit gut 500 Millionen Euro im Jahr.

Doch das wollen die Kliniken partout nicht hinnehmen. Sie bestehen darauf, den Versorgungszuschuss zu behalten, und die Gesundheitsminister einiger Länder stimmen ihnen offenbar zu. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach jedoch warnt vor einem solchen Schritt. "Diese Art der Finanzierung läuft unserer Absicht entgegen, die Leistungen an den Krankenhäusern zu steuern", sagte er der SZ. Eine solche pauschale Zahlung passe nicht zum System der Fallpauschalen und gehe am eigentlichen Bedarf in den Krankenhäusern vorbei. "Das Geld kommt überall an, nur nicht in der Pflege", sagte Lauterbach.

Seine Fraktion sei deshalb bereit, den Kliniken entgegenzukommen und die im Gesetz vorgesehenen Zahlungen für den Aufbau weiterer Pflegestellen zu verdoppeln. In das Programm sollen laut Gesetzesentwurf im kommenden Jahr 100 Millionen Euro und von 2018 an jährlich 300 Millionen Euro fließen.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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