Chefärzte halten Konzentrierung der Spezialabteilungen an einem Standort für unabdingbar / In jedem Fall muss investiert werden

Von Gert Ungureanu

Balingen. Zwei Klinik-Standorte? Oder doch nur einer? Denn die Krankenhäuser in Albstadt und Balingen machen seit Jahren Millionendefizite. Ein wichtiges Thema, und entsprechend groß das Interesse: Zahlreiche Zuhörer kamen gestern in die Sondersitzung des Kreistags. So viele, dass manch einer im Foyer sitzen musste.

Klinik-Geschäftsführer Josef Weiss brachte es auf den Punkt: 89 Millionen Euro hat das neue Krankenhaus in Balingen gekostet, 56 Millionen davon hat der Landkreis finanziert. Ergo muss gespart werden. Konzentration an einem Standort also? Denn "Zentralisierung" klingt wie "Zentralklinikum", und das ist für viele ein Reizwort. Vorab betonte Weiss: Eine hochwertige medizinische Versorgung stehe im Mittelpunkt, und eine ortsnahe Grundversorgung nicht zur Diskussion.

Rainer Diekmann von der Hoppe Sommer Planungs GmbH hatte eine Machbarkeitsstudie für drei Varianten erstellt: eine Zwei-Standort-Lösung mit Umbau und Erweiterung in Albstadt, eine Zentralisierung am Standort Balingen und schließlich eine teilweise Verlegung von Fachbereichen nach Balingen und Beibehaltung einer Grundversorgung in Albstadt. Fazit: Bei allen drei Varianten muss investiert werden.

Landrat Günther-Martin Pauli verwies darauf, dass sich die Machbarkeitsstudie auf rein bauliche Aspekte beschränke und nichts mit dem Medizinkonzept zu tun habe, das auf den Weg gebracht werden müsse. Es werde vom Sozialministerium gefordert, wolle man Zuschüsse beantragen, die man in jedem Fall benötige. Eine Neustrukturierung des Klinikums werde man vorab in Bürgerforen erörtern und "Transparenz herstellen".

Edmund Merkel (CDU) sagte, eine gutachterliche Analyse sei unumgänglich. Der Mensch müsse im Fokus stehen, aber in dem "unerbittlichen Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern" laufe man Gefahr, "dass uns die Realität das Zepter aus der Hand nimmt". Die Chefärzte, die niedergelassenen Ärzte und das Krankenhauspersonal müssten bei der Planung eingebunden werden.

Manuela Heider (FWV) forderte eine Lösung, "wie das Klinikum mit zwei Standorten weitergeführt werden kann". Das Klinikum schreibe nicht nur wegen der zwei Standorte rote Zahlen. Das zu erstellende Gutachten dürfe nicht zum "Alibi für eine unpopuläre Entscheidung" werden.

Hans-Martin Haller (SPD) btrachte zwei Anträge ein: Von der Verwaltung forderte er einen "Fahrplan über das weitere Vorgehen" sowie eine Ergänzung zum Beschlussvorschlag: "Dass in Albstadt die Zahl der Schwerpunktdisziplinen beibehalten wird". Das sei teuer, aber "es ist Daseinsvorsorge, und wir sind bereit, sie aus Steuergeldern zu finanzieren".

Lorenz Welte (CDU), selbst Arzt am Klinikum, sprach von einer "historischen Fehlentscheidung" für die zwei Standorte. Es sei nicht tragbar, politischen Einfluss auf das medizinische Konzept zu nehmen. Das Ziel müsse vielmehr sein, ein "herausragendes Klinikum" zu bekommen, das auch Patienten aus den umliegenden Kreisen anziehe. Die Entscheidung müsse "frei von kommunalpolitischem Kirchturmdenken" sein.

Anton Reger (CDU) sprach von einer "Kostenexplosion" in Balingen, das für ein Zentralklinikum nicht in Frage komme. Vor Jahren habe man bewusst für zwei Standorte votiert, es gehe auch um Glaubwürdigkeit und darum, "das Konzept von 2005 in gute Bahnen zu lenken". Außerdem wohne ja die Hälfte der Zollernälbler in Albstadt.

Regers Fraktionskollege Lambert Maute warnte davor, den gleichen Fehler wie vor zehn Jahren zu begehen und schlug vor, mittelfristig ein Zentralklinikum auf der grünen Wiese zu planen, ujm nicht in zehn oder 15 Jahren erneut dort zu stehen, wo man jetzt steht.

Dietmar Foth (FDP) zitierte ein bekanntes Dakota-Sprichwort: "Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab!" Die Entscheidung vor zehn Jahren sei falsch gewesen, "ein Zementieren macht sie nicht richtig". Es gelte, das Konzept zu revidieren, weil man sonst in ein paar Jahren kein kommunales Krankenhaus mehr haben werde, "oder gar keins".

Josef Ungermann (CDU) erinnerte an frühere Entscheidungen, bei denen die medizinische Versorgung zweitrangig gewesen sei. Das Gutachten dürfe nicht gelenkt werden, weil man Gefahr laufe, die optimale Lösung von vornherein ausztuschließen.

Der Ärztliche Direktor des Klinikums, Michael Bitzer, erklärte, dass aus Sicht der Chefärzte eine Konzentrierung der Spezialabteilungen unabdingbar sei: "Es gibt keinen Königsweg mehr." Er selbst und Klinik-Geschäftsführer Weiss seien aber überzeugt, dass eine Grundversorgung in Albstadt bleiben müsse.

Der Antrag der SPD-Fraktion wurde mit 14 Ja-, 40 Neinstimmen und zwei Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt, und mit großer Mehrheit beschloss der Kreistag, das Medizinkonzept in Auftrag zu geben.