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Exhumierungen in Stuhr und Ganderkesee Klinikum-Morde Delmenhorst: Sieben neue Opfer gefunden

Sieben neue vermeintliche Opfer von Ex-Krankenpfleger Niels H. sind nun gefunden worden. Auf fünf Friedhöfen in den Gemeinden Stuhr und Ganderkesee gab es 16 weitere Exhumierungen.
14.01.2016, 00:00 Uhr
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Von Andreas D. Becker

Sieben neue vermeintliche Opfer von Ex-Krankenpfleger Niels H. sind nun gefunden worden. Wie Staatsanwaltschaft und Polizei mitteilen, gab es auf fünf Friedhöfen in den Gemeinden Stuhr und Ganderkesee 16 weitere Exhumierungen.

Damit wurden seit Beginn der Graböffnungen im Frühsommer des Vorjahres 63 Verstorbene auf den im Herzmedikament Gilurytmal enthaltenen Wirkstoff Ajmalin hin untersucht, 21 Mal konnte er nachgewiesen werden.

H. hatte Patienten auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst das Medikament gespritzt, um sie zuerst in eine lebensbedrohliche Situation zu bringen und sie dann wiederzubeleben.

Ende 2015 wurden laut Mitteilung der Ermittler Gräber auf den Friedhöfen Heiligenrode, Brinkum, Alt-Stuhr und Moordeich in der Gemeinde Stuhr und auf dem Friedhof Bookholzberg geöffnet. Und die Ermittlungen dauern an, „Polizeidirektion Oldenburg und Staatsanwaltschaft werden die Exhumierungen auf weiteren Friedhöfen fortsetzen“. Es wird sicherlich noch einige Monate dauern, bis der Abschlussbericht vorliegen wird, wobei Martin Rüppell, Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg nicht abschätzen konnte, wann die Akte H. genau geschlossen werden kann.

Patientenakten werden immer noch begutachtet

Zumal noch nicht einmal alle in Frage kommenden Fälle untersucht sind. Immer noch ist ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Gutachter dabei, Patientenakten zu betrachten. 174 Verdachtsfälle gab es allein in Delmenhorst, Patienten, die während der Dienstzeiten von Niels H. starben oder kurz nach seinem Schichtende.

Es sind ausschließlich Patienten, die nicht feuerbestattet wurden, denn dann lässt sich der Wirkstoff Ajmalin nicht mehr nachweisen. In allen Fällen, die sich laut Gutachter nicht plausibel durch die Erkrankung und den Krankheitsverlauf erklären lassen, wird genauer geschaut, ob die Patienten ermordet wurden. Wann alle Gutachten vorliegen, konnte Rüppell nicht sagen.

Insgesamt ermittelt die Polizei in über 200 Verdachtsfällen. Unter anderem gab es auch welche in Wilhelmshaven, wo H. aufgewachsen ist und im St.-Willehad-Hospital gelernt hat. Später, 2008, als das Urteil aus seinem ersten Prozess noch nicht rechtskräftig war, arbeitete er an der Jade noch in einem Seniorenheim und fuhr Rettungsdienst. Doch offenbar hat er dort niemanden getötet, zumindest ergaben die Ermittlungen „keine konkreten Hinweise“.

In über 20 Verdachtsfällen sind auch Ermittlungen wegen des Anfangsverdachtes des Mordes gegen H. während seiner Zeit am Klinikum Oldenburg eingeleitet worden. An diesem Punkt laufen die Ermittlungen noch, wie Rüppell sagte.

Ermittlungen gegen acht Mitarbeiter

Auch die Ermittlungen gegen acht Mitarbeiter der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst wegen des Anfangsverdachts des Totschlags durch Unterlassen laufen noch. „Aber erst müssen wir die Taten des Vordermanns, wie man juristisch sagt, also von Niels H., aufklären“, erklärte Rüppell, warum dort noch keine Fortschritte zu vermelden sind. Die letzte Baustelle, die die Ermittler bearbeiten, ist H.s Zeit beim Rettungsdienst in Ganderkesee. Auch dort heißt es: Die Ermittlungen laufen noch.

Im jüngsten Prozess gegen Niels H. – in dem er Ende Februar 2015 für zwei Morde, zwei versuchte Morde in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung sowie einer schweren Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilt wurde – hatte er eingeräumt, auf der Intensivstation in Delmenhorst 90 Patienten Gilurytmal gegeben zu haben. 30 – inklusive der damals verhandelten fünf Fälle – seien daraufhin gestorben. Die bisherigen Ermittlungen und Funde scheinen diese Aussage zu stützen.

H. arbeitete von Dezember 2002 bis Juni 2005. Damals wurde er auf frischer Tat von Kollegen ertappt, anschließend wurde er wegen des versuchten Mordes an einem Patienten 2008 rechtskräftig zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Im Rahmen der damaligen Ermittlungen pickte sich der Staatsanwalt acht weitere Fälle heraus, wobei bei fünf Patienten Ajmalin nachgewiesen wurde.

Der Prozess wegen dieser fünf Fälle begann im September 2014 und erregte bundesweites Medieninteresse, auch weil sich schnell abzeichnete, dass H. der wohl größte Serienmörder der bundesrepublikanischen Geschichte sein würde. Obwohl die Fakten, die in dem Prozess auf den Tisch kamen, schon deutlich früher bekannt waren, starteten Staatsanwaltschaft und Polizei erst im November 2014 mit den allumfassenden Ermittlungen, die bis heute andauern.

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