Die Zürcher Spitäler kommen unter Druck

Die Gesundheitskosten sollen in den nächsten Jahren rasant steigen. Mit einem Sparprogramm soll das verhindert werden. An einer Beschränkung des medizinischen Angebots wird wohl kein Weg vorbeiführen.

Jan Hudec
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Gerade die Regionalspitäler könnten das Sparprogramm zu spüren bekommen. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)

Gerade die Regionalspitäler könnten das Sparprogramm zu spüren bekommen. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)

Wenn angekündigt wird, dass bei der Bildung gespart werden soll, dann folgt der Aufschrei jeweils zuverlässig. So war es auch jüngst wieder, als die Zürcher Schulen im Januar mit einem Tag der Bildung gegen die kantonalen Sparvorgaben mobilmachten. Seither wird lebhaft darüber diskutiert, welche Angebote gestrichen werden können und wovon man lieber die Finger lassen soll.

Dass gerade dieses Thema die Debatte dominiert, überrascht zwar nicht, die Bildung hat zu Recht einen hohen Stellenwert in der Schweiz. Wenn man die Zahlen anschaut, kann man sich aber fragen, ob die Empörung verhältnismässig ist. Denn es gibt einen Bereich, den die sogenannte Leistungsüberprüfung weit stärker trifft: das Gesundheitswesen. Während im Bildungsbereich 49 Millionen weniger ausgegeben werden sollen als geplant, hat die Gesundheitsdirektion die Vorgabe, Kürzungen von insgesamt 322 Millionen Franken vorzunehmen. Im Detail heisst das: Für die Prämienverbilligung sollen 64 Millionen weniger ausgegeben werden und für die Psychiatrische Versorgung 30 Millionen. Der Löwenanteil aber betrifft die Spitäler und Rehabilitationskliniken, dort sollen die Kosten um 228 Millionen Franken gesenkt werden. Das sind stattliche Summen, auch wenn man sie ins Verhältnis zu den Gesamtausgaben setzt. Das Budget der Gesundheitsdirektion für 2015 im Reha- und Spitalbereich beträgt 1,2 Milliarden Franken.

Plafonierung der Ausgaben

Was heisst das für Spitäler und Patienten? Wird das Angebot eingeschränkt? Die Gesundheitsdirektion will derzeit kein Wort zu ihren Plänen sagen. Man sei damit beschäftigt, Massnahmen zuhanden des Regierungsrates auszuarbeiten, die dann im Frühjahr veröffentlicht werden sollen, heisst es.

Die Gesundheitsdirektion (GD) geht für den Reha- und Spitalbereich von einer recht drastischen Kostensteigerung aus. Für 2015 sind 1,207 Milliarden Franken budgetiert, für 2019 rechnet der Kanton mit Ausgaben von 1,435 Milliarden (siehe Grafik); ein Plus von immerhin 19 Prozent. Das soll mit dem Sparprogramm verhindert werden. Wobei Sparen hier eher eine Plafonierung der Ausgaben meint. So müssen die angepeilten 228 Millionen nicht vom jetzigen Budget abgezogen werden, sondern von den prognostizierten Ausgaben. Konkret hiesse das, dass 2019 noch so viel ausgegeben werden darf wie 2015.

Die Umsetzung ist trotzdem schwierig, weil der Handlungsspielraum des Kantons im Spitalbereich beschränkt ist. An einer Begrenzung des medizinischen Angebots dürfte letztlich kein Weg vorbeiführen. Warum ist das so?

Die Spitäler agieren heute selbständig in einem wettbewerblich organisierten System. Sie finanzieren sich über die Fallpauschale. Für den Kanton bedeutet dies, dass er sich an den Behandlungskosten von Zürcher Patienten beteiligen muss, sofern diese ein Listenspital aufsuchen. Dabei ist der Kostenteiler fix: 2015 haben der Kanton 51 und die Krankenkassen 49 Prozent der Kosten übernommen. Bis 2017 steigt der Anteil der öffentlichen Hand auf 55 Prozent. Allein dies verursacht jährliche Mehrkosten von über 80 Millionen Franken. Daran kann der Kanton nichts ändern.

Wie sieht es bei der Fallpauschale aus, also dem Tarif, den die Spitäler für ihre Leistungen erhalten? Könnte der Kanton einfach den Tarif senken? Grundsätzlich wird die Fallpauschale zwischen den Kassen und den Spitälern ausgehandelt. Erst wenn diese sich nicht einigen können, wie dies in der Vergangenheit der Fall war, setzt der Kanton den Tarif fest. Für das laufende Jahr zeichnet sich aber eine Einigung zwischen den Zürcher Krankenhäusern und Versicherern ab. Details sind zwar noch nicht bekannt, aber der Tarif dürfte kaum sinken.

Nun muss die ausgehandelte Fallpauschale allerdings der Gesundheitsdirektion vorgelegt werden. Die Kantonsregierung hat gewissermassen das Vetorecht. Selbst wenn der Regierungsrat aber auch künftig den Tarif festsetzen würde, könnte er dies nicht willkürlich tun. Bei der letzten Festsetzung hat der Kanton Berechnungsgrundlagen erarbeitet, die wegen eines Rechtsstreits schliesslich auch vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich für gut befunden wurden. An diese Grundlagen wird sich der Kanton deshalb unabhängig von Sparwünschen halten müssen. Kurz: Auch bei der Fallpauschale ist der Einfluss des Kantons recht begrenzt.

Spielraum bei Subventionen

Sparpotenzial gäbe es aber allenfalls bei den Subventionen: Der Kanton bezahlt die Spitäler auch für Leistungen, die zwar im allgemeinen Interesse sind, aber nicht durch die Fallpauschale gedeckt werden. So beteiligt er sich an der Ärzteweiterbildung. Die Subventionsbeiträge für Spitäler und Reha sind von 39,9 Millionen Franken (2013) auf 43,2 Millionen (2015) gestiegen. Mehr als die Hälfte davon entfallen auf die Weiterbildungsbeiträge. Weil der Kanton einer nationalen Vereinbarung beitreten wird (NZZ 19. 1. 16), sind diese künftig bei 15 000 Franken pro Ausbildungsplatz fixiert. Daran wird sich nicht mehr schrauben lassen. Bei den übrigen Beiträgen besteht ein gewisser Spielraum. Allerdings kommt hier nicht allzu viel zusammen. Selbst wenn man die restlichen Subventionen halbierte, handelte es sich lediglich um 10 Millionen Franken, also nicht einmal 5 Prozent der angepeilten Einsparungen.

Um das Ziel zu erreichen, bleibt wohl nichts anderes, als beim Angebot anzusetzen. Nun kann der Regierungsrat freilich nicht einfach verfügen, dass bestimmte Krankheiten künftig nicht mehr auf Staatskosten behandelt werden dürfen. Bestimmen kann die Regierung aber, welche Spitäler Leistungsaufträge für welche Behandlungen erhalten. Natürlich herrscht auch hier keine Willkür, es gilt für die Spitäler, bestimmte Kriterien zu erfüllen. Der Kanton kann allerdings die Anforderungen an die Spitäler erhöhen. Ein probates Instrument dazu wären die Mindestfallzahlen. Mit ihnen wird festgelegt, wie oft ein bestimmter Eingriff an einem Spital durchgeführt werden muss. Das Instrument wird in der Regel zur Qualitätssteigerung eingesetzt. Die Idee dahinter: Je grösser die Routine, desto besser die Qualität.

Mit den Mindestfallzahlen liesse sich aber auch das Angebot verknappen. Sind die geforderten Zahlen hoch, können sie gerade kleinere Spitäler nicht mehr erreichen. In der Folge verlieren sie Leistungsaufträge für bestimmte Behandlungen und werden diese aus ihrem Angebot streichen.

Nachfrage senken

Gesundheitspolitiker und CVP-Kantonsrat Lorenz Schmid findet, dass die Gesundheitsdirektion genau diese Strategie verfolgen müsste: «Die Spitäler werden ihre Kapazitäten in den kommenden Jahren unheimlich ausbauen und damit auch neue Nachfrage kreieren.» Die Folge davon sei eine teure Überversorgung und damit stetig steigende Gesundheitskosten. Dagegen müsse man nun endlich vorgehen, indem man durch eine Erhöhung der Mindestfallzahlen letztlich auch das Angebot begrenze. Seine Hoffnung: Wenn gerade komplexere und teure Behandlungen auf wenige Standorte konzentriert werden, dann steigen einerseits die Effizienz und Qualität. Andererseits sinkt die Nachfrage, wenn nicht mehr alles vor der eigenen Haustüre angeboten wird. Je umständlicher es wird, eine Leistung zu beziehen, desto mehr verliert sie an Attraktivität.

Die Spitaldirektoren schauen dem anstehenden Sparprogramm mit wenig Begeisterung entgegen. «Wenn die Mindestfallzahlen angehoben werden, dann werden gerade die Regionalspitäler bestimmte Leistungen streichen und womöglich sogar Personal reduzieren müssen, falls der Leistungsabbau nicht durch andere Angebote kompensiert werden kann», sagt Rolf Gilgen, CEO des Spitals Bülach. Eine Zentralisierung von Leistungen heisse aber noch lange nicht, dass damit auch die Kosten sänken. «Wir Regionalspitäler erbringen unsere Leistungen jedenfalls sehr effizient.» So sei der jährliche Betriebsaufwand in Bülach lediglich um 1 bis 2 Prozent gestiegen. Auch sei man heute schon in vielen Spezialbereichen Kooperationen mit anderen Spitälern eingegangen.

«Nicht präventiv klagen»

Von Verbandsseite will man sich zu den anstehenden Sparmassnahmen noch nicht äussern: «Es wäre falsch, schon einmal präventiv in Wehklagen zu verfallen, wenn wir noch nicht einmal wissen, wo gespart werden soll», sagt Christian Schär, Präsident des Verbands Zürcher Krankenhäuser. So etwas wie ein Tag der Gesundheit – analog zum Tag der Bildung – sei denn auch nicht geplant. Man will abwarten, bis die konkreten Vorschläge auf dem Tisch liegen, um dann Stellung zu beziehen. Schär macht aber auch klar, dass man darauf vorbereitet ist: «Die Zürcher Spitäler gehören zu den kostengünstigsten der Schweiz, und Zürich ist ein Wachstumskanton.»

Kampflos werden sich die Spitäler nicht ergeben. Dem Kanton stehen harte Diskussionen bevor.

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