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Medizintourismus: Neue Hoffnung für die Nachbarn

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b.a.MieterseitePeggy Schön ist die Initiatorin einer Petition gegen Medizintourismus im ArabellaparkFoto: Michael Westermann
Fordert die Stadt zum Handeln auf: Peggy Schön, die Initiatorin der Online-Petition. © Michael Westerman

Ein Urteil des Amtsgerichts könnte Bewegung in die Debatte um Medizintourismus in München bringen: Wenn Mieter ihre Wohnung an Medizintouristen untervermieten, ist die fristlose Kündigung möglich. Eine Online-Petition fordert die Stadt auf, konsequenter gegen Zweckentfremdung vorzugehen.

Es scheint ein gutes Geschäft zu sein: In vielen Münchner Wohnanlagen werden Wohnungen an ständig wechselnde Personen vorwiegend aus arabischen Ländern vermietet. Meist handelt es sich um Angehörige von Patienten, die sich in Münchner Kliniken behandeln lassen.

Das Problem: Den Berichten der Nachbarn zufolge sind die Wohnungen oft überbelegt, und die Mieter auf Zeit scheren sich herzlich wenig um hiesige Sitten und Gebräuche. Von durchdringenden, fremden Gerüchen im Treppenhaus, weil Gäste bei offener Tür kochen oder gar in der Wohnung grillen, wird ebenso berichtet wie von nächtlichem Lärm, Müll und rüpelhaftem Benehmen.

Die Rechtslage ist kompliziert. Die Stadt sieht die Vermietung von Wohnraum an Medizintouristen als verbotene Zweckentfremdung an und ist darin auch schon von Gerichten bestätigt worden. Die Verwaltung geht gegen solche Fälle vor, wenn sie bekannt werden. Doch der Bußgeldrahmen ist überschaubar, und die Verfahren ziehen sich hin. Noch im Juni 2015 hat das Münchner Amtsgericht im Fall einer an Medizintouristen vermieteten Wohnung erklärt: „Die Wohnung dient den Gästen als Unterkunft und damit zu Wohnzwecken“.

Doch die Rechtsprechung ist in Bewegung: Im Dezember 2015 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die „wiederholte und regelmäßige Untervermietung“ an Medizintouristen den Tatbestand der Zweckentfremdung erfüllt.

Und nun hat das Amtsgericht in einem Zivilprozess eine Entscheidung gefällt, die Peggy Schön, die Initiatorin einer Online-Petition, für wegweisend hält: Der Eigentümer einer Wohnung an der Elektrastraße hat seinem Mieter, der die Wohnung an Medizintouristen untervermietet hat fristlos gekündigt – und Recht bekommen.

Der Mieter wollte nicht ausziehen und behauptete, er habe die Wohnung nicht untervermietet, sondern lasse lediglich Freunde und Geschäftspartner kostenlos bei sich wohnen. Allerdings stellte das Gericht fest, dass der Mann selbst gar nicht in der fraglichen Wohnung wohnt. Die Glaubwürdigkeit des Mieters war völlig dahin, als bekannt wurde, dass er kurz zuvor wegen eines fast identischen Falles vor Gericht gestanden hatte. Der Rechtsanwalt des Mannes legte daraufhin sein Mandat nieder. Das Gericht ging von einer „Überlassung der Mieträume an Dritte“ aus und sah darin „einen derartig schwerwiegenden Pflichtverstoß (. . .), dass dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist“. Der Mieter muss die Wohnung räumen, das Urteil ist rechtskräftig.

„Das geht in die richtige Richtung,“, jubelt Peggy Schön, die zusammen mit weiteren Wohnungseigentümern von der Elektrastraße seit Jahren gegen die Vermietung von Wohnungen an Medizintouristen kämpft. Nun stünden die Eigentümer unter Druck, dem Treiben ihrer Mieter ein Ende zu bereiten – sofern sie nicht selbst diejenigen sind, die mit Medizintouristen schnelle Kasse machen.

Doch auch die Stadt sieht Schön in der Pflicht. Die müsse mehr tun, um Urteile gegen diese Art der Zweckentfremdung auch schnell und konsequent durchzusetzen. Um diese Forderung zu bekräftigen, hat Schön mit Unterstützung des Mietervereins eine Online-Petition  initiiert. Bis zur Sozialausschuss-Sitzung im April will sie 2000 Unterstützer-Unterschriften sammeln. „Wohnraum für Münchner statt für Medizintouristen – Durchsetzung der Zweckentfremdungssatzung“ heißt die Petition, die bisher 861 Unterstützer gefunden hat. Schön ist zuversichtlich, die 2000 in der noch verbleibenden Laufzeit von 36 Tagen vollzumachen. Neben dem Anliegen, die Stadt zum Handeln zu drängen, will sie mit der Petition auch öffentlich auf das Problem aufmerksam machen und betroffenen Nachbarn ein Forum bieten.

Um die 1000 Wohnungen, so schätzt Schön, werden in München dauerhaft an wechselnde Medizintouristen vermietet. Im Umkreis von Kliniken und Konsulate gebe es „richtige Nester“.

Was dort abläuft, schildern die Nachbarn in ihren Kommentaren zur Petition: „Viele Münchner suchen verzweifelt eine Wohnung und hier stoßen sich raffgierige Vermieter satt“, ist da zu lesen. Und „Alleine in unserem Hause werden von 140 Wohnungen 8 Wohnungen an Medizintouristen kurzzeitvermietet“. Von „rauen Sitten (wie z. B. Müll aus dem Fenster werfen und Hauspersonal im allgemeinen Waschkeller als Schlafstädte nutzend)“ berichtet ein anderer. Am 27. Januar schrieb ein Besucher der Seite: „Es muß endlich Schluß damit sein.“

Hier finden Sie die Petition:

noch bis 27. März auf www.openpetition.de/suche; In die Suchleiste den Begriff „Medizintouristen“ eingeben.

Peter T. Schmidt

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