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Zeitweise keine Hilfe bei Herzinfarkt im HKZ und im Klinikum

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Weil es im HKZ an Pflegekräften auf der Intensivstation fehlt, müssen Patienten abgewiesen werden.
Weil es im HKZ an Pflegekräften auf der Intensivstation fehlt, müssen Patienten abgewiesen werden. © Schankweiler-Ziermann, Gudrun

Rotenburg. Die Versorgung von Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt war aus Mangel an Fachpflegekräften im Kreis Hersfeld-Rotenburg bis zur vergangenen Woche nicht durchgehend gewährleistet.

So ist es vorgekommen, dass sowohl das Klinikum in Bad Hersfeld als auch das Herz- und Kreislaufzentrum in Rotenburg gleichzeitig für Herzinfarkte abgemeldet waren. Auf Anfrage haben Martin Ködding, Geschäftsführer des Klinikums Hersfeld-Rotenburg, und Kreispressesprecher Dirk Herrmann das bestätigt.

So gab es nach unseren Informationen vor Pfingsten den Fall, dass beide Häuser gleichzeitig abgemeldet waren. Das heißt, dass man Patienten mit Herzinfarkt in eine Klinik außerhalb des Kreises hätte bringen müssen.

Das Klinikum hat sich auch in der Vergangenheit immer wieder für Herzinfarkte abgemeldet. Das spezialisierte Herz- und Kreislaufzentrum stand aber rund um die Uhr zur Verfügung, sodass die Versorgung der Patienten im Kreis gesichert war. Während es genügend hoch spezialisierte Mediziner in der Kardiologie und Herzchirurgie am HKZ gibt, fehlt es an Fachpflegekräften auf der Intensivstation.

Beide Kliniken gehören seit April zum Klinikkonzern Hersfeld-Rotenburg – also dem Kreis. Herrmann und Ködding räumen ein, dass nicht beide Häuser gleichzeitig abgemeldet sein dürften. Seit der vergangenen Woche gebe es nun eine Vereinbarung, mit der man die gleichzeitige Abmeldung verhindern will. Mit der Vereinbarung würden „die kardiologischen Kapazitäten koordiniert“, heißt es wörtlich.

Einen Plan, dass Patienten künftig am HKZ nicht mehr aus Mangel an Fachpflegekräften abwiesen werden müssen, gibt es bislang nicht. Personal werde gesucht, heißt es. Ein gegenseitiges Aushelfen von Mitarbeitern beider Häuser ist laut Klinikumssprecher Werner Hampe nicht möglich, weil es sich um verschiedene GmbHs handele.

Hintergrund: Abmelden dient der Sicherheit

Dass sich Kliniken zeitweise für die Aufnahme von neuen Patienten abmelden, ist ein normaler Vorgang. Die Gründe können beispielsweise eine Krankheitswelle sein, ungewöhnlich hoher Krankenstand beim Personal, besonders schwere Fälle und anderes mehr. Das „Abmelden“ dient vor allem der Sicherheit der Patienten, aber auch dem Schutz des medizinischen Personals, das natürlich keine unbegrenzte Kapazitäten hat. Patienten werden nur aufgenommen, wenn man sich auch angemessen um sie kümmern kann. In der Regel wird wegen zu hohen Patientenaufkommens abgemeldet. Eine Abmeldung wegen permanenten Personalmangels ist nicht vorgesehen.

Fragen und Anworten: 100 Tage Herz-und Kreislaufzentrum in kommunaler Hand

Seit 100 Tagen arbeiten das Klinikum Bad Hersfeld und das zuvor privat geführte Herz- und Kreislaufzentrum (HKZ) unter dem gemeinsamen Dach des neuen „Klinikums Hersfeld-Rotenburg“. Mit dem Kauf der Fachklinik wollte man das finanziell angeschlagene HKZ vor drei Monaten vor der Insolvenz bewahren und gleichzeitig den Grundstein für eine umfassende Gesundheitsversorgung in kommunaler Hand im Kreis Hersfeld-Rotenburg legen. Auch das Kreiskrankenhaus (KKH) Rotenburg will man noch in den Verbund holen. Wir blicken zurück und sehen, wo das HKZ zurzeit steht.

Warum hatte sich das HKZ Anfang Februar 2015 zum Verkauf angeboten?

Die renommierte Fachklinik stand vor einer zweiten Insolvenz. So drückten noch immer 20 Millionen Schulden aus der Insolvenz von 2001 das Haus. Allein 400 000 Euro jährlich mussten an Grundsteuer gezahlt werden, weil Betriebsgesellschaft und Immobilien getrennt waren. Außerdem gab es einen Investitionsstau in dem über 40 Jahre alten Haus hoch über Rotenburg.

Wie kam es, dass der Kreis Hersfeld-Rotenburg – offiziell seit Anfang April – das HKZ übernommen hat?

Nach einem Bieterverfahren war im Herbst 2015 nur noch das Rhön-Klinikum übrig geblieben, das sein Angebot öffentlich aber nie bestätigt hat. Rhön und das HKZ waren sich bereits einig gewesen, so berichteten wir damals. 100 Millionen Euro hatte das Rhön-Klinikum, an dem mit knapp 20 Prozent der Melsunger B.Braun-Konzern beteiligt ist, geboten. Das Klinikum hatte jedoch ein Mitspracherecht bei allen Transaktionen des HKZ, weil es in Folge der Insolvenz von 2001 mit 12,5 Prozent an der Betriebsgesellschaft des HKZ beteiligt war. So beschloss am 3. November 2015 der Aufsichtsrat des Klinikums, ein Übernahmeangebot abzugeben. Es sollte ebenfalls einen Umfang von 100 Millionen Euro haben. Für dringende Investitionen sollten neun Millionen Euro Soforthilfe fließen. ?Wie viel sind schon von den versprochenen 100 Mio. Euro ausgegeben worden? !Bekannt ist, dass neben dem eigentlichen Kaufpreis – dem Vernehmen nach wenige Millionen Euro – Schulden von etwa 20 Millionen Euro abgelöst worden sind. Weitere detaillierte Angaben dazu gibt es vom Kreis nicht. Lediglich so viel: Es seien Liquiditätsstützen geflossen. 500 000 Euro stehen für den Umbau für eine neue Geriatrie mit 20 Betten zur Verfügung. Hier haben die Arbeiten begonnen. Weitere 500 000 Euro sollen in medizinisches Gerät fließen.

Wie sieht es mit der Zahl der Arbeitsplätze am HKZ aus?

Landrat Dr. Michael Koch versprach, mit dem Angebot des Kreises würden 900 Arbeitsplätze am HKZ gerettet, betriebsbedingte Kündigungen sollte es nicht geben. Heute sind es laut dem Sprecher des Klinikums, Werner Hampe, nicht weniger Mitarbeiter.

Was war sonst noch entscheidend für die Übernahme?

Laut Landrat Koch sicherte man mit der Übernahme auch die Zukunft des Klinikums, weil beim Einstieg des finanzstarken Rhön-Klinikums Patienten von Bad Hersfeld abwandern könnten.

Welche Pläne hatte man für das HKZ?

Zugesagt wurde ein Neubau für 20 Millionen Euro. Dieses Geld stammt vom Land und war eigentlich für den Neubau des Bettenhauses Mitte am Klinikum Bad Hersfeld gedacht. Wozu der Neubau am HKZ dienen soll, ist bis heute nicht geklärt. Mit einer Zielplanung ist jetzt ein Architektenbüro beauftragt. Ein medizinisches Konzept gab es bei der Übernahme des HKZ nicht.

Wo steht man derzeit in dem schwierigen Veränderungsprozess?

Zurzeit wird eine medizinische Strategie für die nächsten fünf Jahre erarbeitet. Dies geschehe in Absprache mit dem medizinischen Personal vor Ort, heißt es. Außerdem werde an einer Gesamtstrategie 2021 gearbeitet. Es gibt extern moderierte Workshops im erweiterten Führungskreis, später für alle Mitarbeiter. Sie alle sollen „mitgenommen“ werden.

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