Ingolstadt
Eine schwere Operation

Fusion von Orthopädie und Unfallchirurgie am Klinikum und die Nachwehen

05.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:27 Uhr

Geplante Operationen müssen verschoben werden, der Status Endoprothesenzentrum ist verloren. Die Zusammenlegung von Orthopädie und Unfallchirurgie hat auch Schattenseiten. ‹ŒArch - foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die Zusammenlegung zweier Fachbereiche am Ingolstädter Klinikum schlägt Wellen: Das zum 1. August gegründete Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie wird mit bis zu 120 Betten die größte Abteilung des Schwerpunktkrankenhauses nach der Psychiatrie. Doch es gibt Nachwehen.

Momentan bringt die Umstrukturierung dem Klinikum in erster Linie Nachteile. Weil aufgrund des Ausscheidens zweier besonders qualifizierter Hauptoperateure die Qualitätskriterien nicht mehr erfüllt sind, hat das Haus den Status "Endoprothesenzentrum der Maximalversorgung" verloren, ein Zertifikat, das bei der Auswahl eines Krankenhauses vor einer Kniegelenks- oder Hüftoperation für Patienten durchaus eine Rolle spielt. Man sei dabei, ein neues Experten-Team zusammenzustellen, um das Zentrum erneut zertifizieren lassen zu können, sagte der Leiter des neuen Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie, Michael Wenzl. Dazu werden mehrere Endoprothetiker und ein Wirbelsäulenexperte gesucht. Durch den plötzlichen Weggang des langjährigen Chefarztes der Orthopädie, Axel Hillmann, konnten außerdem einige geplante Operationen nicht durchgeführt werden. Manche lassen sich jetzt im Krankenhaus Kösching operieren, wie die dortige Klinik auf Anfrage bestätigte. Um die Zeit bis zur Neuausrichtung zu überbrücken, sollen drei niedergelassene Orthopäden aushelfen und für diese Zeit im Klinikum teilangestellt werden, sagte Klinikum-Geschäftsführer Heribert Fastenmeier gestern dem DK.

Der Weggang Hillmanns und eine Kündigungswelle von Ärzten in der Orthopädie im Vorfeld der Zusammenlegung sorgen bei der Belegschaft und innerhalb des Aufsichtsrats der Klinikum GmbH für Diskussionen. Die Aufsichtsräte wurden zu strengem Stillschweigen verpflichtet. Wie aus dem Schreiben eines ehemaligen Oberarztes der Orthopädie, das im Vorfeld der Zusammenlegung unter anderem an alle Aufsichtsräte ging und unserer Redaktion vorliegt, hervorgeht, sollen innerhalb kurzer Zeit aus der Abteilung zwei Oberärzte, zwei Fachärzte und drei Assistenzärzte gekündigt haben. Der Mediziner, der mittlerweile in einer anderen Stadt arbeitet, spricht in seinem Schreiben, dass schon 2013 eine (später wieder rückgängig gemachte) Zusammenlegung der Dienststrukturen beider Abteilungen viele Kündigungen nach sich gezogen haben soll. Der Abgang erfahrener Fachärzte habe einen "unwiederbringlichen Verlust von Erfahrung und Qualität" mit sich gebracht. Aus dem Brief geht hervor, dass auch die neuerlichen Kündigungen in Zusammenhang mit der Zusammenlegung stehen sollen. Klinikum-Geschäftsführer Heribert Fastenmeier weist dies zurück. Die Fluktuationsrate bei Fach- und Assistenzärzten liege im Durchschnitt bei 12 bis 13 Prozent. "Bei 300 Ärzten gehen im Jahr zwischen 35 und 40 weg", so Fastenmeier.

Hintergrund der Zusammenlegung sei auch eine schlechte Auslastung der Orthopädie: Von 93 genehmigten Betten seien zuletzt nur 35 ausgelastet gewesen, so Geschäftsführer Fastenmeier. Mit der Zusammenlegung sollen Kräfte gebündelt werden. "In Zeiten, in denen die Personalakquise schwieriger geworden ist, ist mit kleineren Einheiten nicht gut zu fahren", betont Wenzl. Gegenwärtig arbeite er "intensiv am Neuaufbau", der bis spätestens Frühjahr 2017 abgeschlossen sein soll. "Ich bin zuversichtlich und sicher, dass wir in der Region 10 wieder eine führende Orthopädie kriegen werden."

In einer Presseerklärung des Klinikums war, was die Zusammenlegung anbelangt, von einer "Empfehlung" der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) die Rede (DK berichtete). Gegenüber unserer Zeitung hat sich die Gesellschaft davon klar distanziert. "Wir geben grundsätzlich keine Empfehlungen zu Klinikstrukturen", betont Bernd Kladny, Generalsekretär der DGOU. "Zu einzelnen Kliniken gleich gar nicht." Grundsätzlich seien Zusammenlegungen der Abteilungen aber nicht unüblich, wie schon die Weiterbildung zum "Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie" zeige.

In dem Brief des früheren Oberarztes, der im Aufsichtsrat streng geheim gehalten wurde, wird die Zusammenlegung hart kritisiert. Das Klinikum verliere damit "Alleinstellungsmerkmale" der bisherigen Orthopädie unter Leitung Hillmanns. Dieser hat eine Weiterbildungsermächtigung für "Spezielle Chirurgische Orthopädie", einen Fachbereich, in dem außer Hillmann nur noch in einzelnen Universitätskliniken in Bayern weitergebildet werden darf.

Hillmann genießt international einen guten Ruf auf dem Gebiet der Tumororthopädie und wurde mehrmals zu den 40 besten Orthopäden/Unfallchirurgen in Deutschland gewählt. Auch beim DK haben sich Patienten von ihm gemeldet. Linde von Großmann (75) etwa schreibt: Vor fast acht Jahren habe Hillmann sie an der Hüfte operiert "und mir dadurch ermöglicht, ohne Probleme wieder Sport zu treiben". Jetzt hofft sie, dass sie rechtzeitig erfahre, falls wieder eine Hüft-OP anstehe, wo Hillmann in Zukunft tätig sei. "Ich habe dem Mann voll vertraut."

Ist Hillmann als Leiter des neuen Zentrums erst gar nicht in Erwägung gezogen worden? Laut Heribert Fastenmeier habe der Aufsichtsrat die Leitung abwechselnd besetzen wollen. Wenzl, der 2007 als Leiter der Chirurgischen Klinik II ans Klinikum kam, hätte beginnen und das Zentrum drei Jahre lang leiten sollen, dann wäre die Position für drei Jahre an Hillmann übergegangen. Doch, wie von mehreren Seiten zu erfahren war, soll die Chemie zwischen Hillmann und Wenzl nicht stimmen. So hat Wenzl nun die Leitung des neuen Zentrums dauerhaft. Viel Zeit für die Politik - Wenzl ist erster Nachrücker für die CSU im Stadtrat - dürfte jetzt nicht mehr bleiben.