Mangelernährung in Kliniken unterschätztes Problem
Die „Initiative Nachrichtenaufklärung“ zählt das Thema zu den Top 10 der vernachlässigten Nachrichten des Jahres 2016: Patienten, die in deutschen Kliniken aufgenommen werden, sind häufig mangelernährt. Und es wird nicht genug dagegen unternommen, wie Experten bemängeln. Schon vor Jahren hat eine deutsche Multicenterstudie ergeben, dass jeder dritte Patient in gastroenterologischen Abteilungen, fast 40 Prozent der onkologischen Patienten und 56 Prozent der Patienten in geriatrischen Abteilungen mangelernährt sind. Nimmt man alle stationär behandelten Patienten zusammen, sind 28 Prozent von ihnen bereits bei der Aufnahme ins Krankenhaus nicht ausreichend ernährt.
Mangelernährung erhöht Risiko von Komplikationen
Das Problem: Die wenigsten deutschen Krankenhäuser haben ein Ernährungsscreening eingeführt. Das kritisierte Professor Christian Löser, Chefarzt am Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel, bei der Dreiländertagung „Ernährung 2016: Ernährungsmedizin gemeinsam bewegen“ in Dresden. Der Experte betonte: „Wenn wir Mangelernährung nicht erfassen, heißt es: Die gibt's nicht!“
Löser erklärte auch, dass eine reine Blickdiagnostik nicht ausreiche. Es könne jemand übergewichtig sein und dennoch ein Mangelernährungsproblem haben. Professor Peter Stehle, Ernährungswissenschaftler aus Bonn und Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, forderte ein flächendeckendes Monitoring zur Erfassung des Ernährungsstatus von Patienten. Mangelernährte Patienten erleben häufiger Komplikationen wie Infektionen oder Wundheilungsstörungen als ausreichend ernährte Personen. Das erhöht auch die Morbidität, reduziert die Lebensqualität, verlängert Klinikaufenthalte und erhöht die Pflegeintensität.
Mehr Sensibilisierung nötig
Schon im vergangenen Jahr hat die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) darauf aufmerksam gemacht, dass zwischen 20 und 50 Prozent der älteren Patienten in deutschen Krankenhäusern mangelernährt sind. Daher sei es wichtig, den Ernährungszustand konsequent schon bei der Einlieferung zu dokumentieren, so die Experten.
Standardisierte Tests für das Erfassen von Mangelernährung existieren bereits. So wird zum Beispiel das Nutritional Risk Screening sowohl von der DGVS als auch in den aktualisierten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) empfohlen. Es braucht nun vor allem Ärzte und Pflegekräfte, die für das Problem sensibilisiert sind und einige Minuten Zeit aufbringen, um ihre Patienten auf Mangelernährung hin zu untersuchen.
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