Spitäler beider Basel
Gesundheitsökonom: «Man sollte die Fusion verbieten»

Am Dienstag ist publik geworden, wie eine fusionierte Spitalgruppe aus Kantonsspital Baselland und Universitätsspital Basel aussehen könnte. Nicht zuletzt die Rechtsform ist umstritten: Angedacht ist eine Aktiengesellschaft in Staatshand. Stefan Felder, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Basel, sieht den Zusammenschluss skeptisch.

Andreas Fahrländer
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Gehen am Bruderholzspital bald endgültig die Lichter aus?

Gehen am Bruderholzspital bald endgültig die Lichter aus?

Walter Brunner

Herr Felder, warum kann sich eine private Spitalgruppe beider Basel besser auf dem Markt behaupten?

Stefan Felder: Es müssen jetzt einige Vorschläge geprüft werden. Etwa, die Augenklinik in der Stadt zu schliessen und die Veränderungen am Bruderholz. Das sind unternehmerische Entscheidungen, die man möglichst unabhängig von politischer Einflussnahme angehen sollte. Wenn die Gruppe eine privatrechtliche Form bekäme, wäre sie immuner gegen solche Einflüsse. Entscheidungen sollten bald gefällt werden, es braucht eine Bereinigung der bestehenden Überkapazitäten.

Gibt es Vorbilder in anderen Kantonen?

In Solothurn zum Beispiel gibt es gar kein öffentliches Spital mehr. Die Solothurner Spitäler AG ist eine rechtlich selbstständige Aktiengesellschaft, zu der etwa auch das Spital Dornach gehört. Wobei es auch Bewertungsprobleme gibt, wenn der Kanton öffentliche Institutionen privatisiert, etwa bei den Immobilien. Da ist auch Solothurn noch in einem Übergangsprozess.

Was bedeutet eine Privatisierung für die anstehenden Investitionen?

Die Spitalfinanzierung nach dem Fallpauschalen-System «SwissDRG» sieht 10 Prozent für Investitionen vor. Die privaten Spitäler investieren heute etwa 13 bis 14 Prozent, die öffentlichen nur etwa 7 Prozent. Es gibt also noch einen gewissen Investitionsstau, vermutlich aber auch verdeckte Investitionen, die nicht die Spitalrechnung, sondern den Steuerzahler belasten. Bei einer konsequenten Privatisierung würden die tatsächlichen Kosten aufgedeckt. Das ist auch wichtig für einen fairen Wettbewerb mit den privaten Mitspielern, von denen es in Basel einige gibt.

In der Stadt gibt es eine grössere Konkurrenzsituation. Wenn die öffentlichen Spitäler sich jetzt zusammenschliessen, würden sie in diesem Wettbewerb besser dastehen.

Das ist richtig, aber das macht mir als Ökonom grosses Bauchweh. Das USB hat im Moment in Basel-Stadt 64 Prozent Marktanteil, gerechnet nach Pflegetagen. Das KSBL hat 83 Prozent Marktanteil. Wenn die beiden jetzt zusammengehen, sind wir etwa bei 75 Prozent. Das ist fast, wie wenn Migros und Coop fusionieren würden. Aus meiner Sicht sollte man die Fusion verbieten. In Deutschland wäre das gar nicht möglich, dort schreitet die Monopolkommission ein.

Und in der Schweiz?

In der Schweiz hat man eine Missbrauchsgesetzgebung im Kartellgesetz. Man muss nachweisen, dass durch die Fusion eine marktbeherrschende Stellung zuungunsten der Kunden entsteht. Das ist hier nicht einfach zu beweisen. Der Wettbewerb, den man vorher zwischen USB und KSBL hatte, würde eingeebnet. Das ist wettbewerbspolitisch sehr problematisch.

Sie sind also für eine Privatisierung, aber gegen einen Zusammenschluss der Spitäler?

Ich verstehe grundsätzlich die betriebswirtschaftliche Logik der beiden Kantone. Aber als Volkswirt muss man feststellen, dass es ungesund ist, wenn durch die Fusion das neue Spital einen Marktanteil von 75 Prozent erhält.

Ist die aktuelle Situation in Baselland mit drei Standorten überhaupt noch zukunftsträchtig?

Ich habe es so verstanden, dass man nach dem Strategiepapier etwas «aufräumen» möchte, also nur noch eine Notfallstation und in Laufen nur noch ein reduziertes Angebot will. Das ist eine Bereinigung, die der ganzen Marktsituation geschuldet ist. Die Bettenauslastung des KSBL ist mit 80 Prozent die zweittiefste nach Appenzell-Innerrhoden. Das zeigt, dass man in einer schwierigen Wettbewerbssituation ist. Das KSBL ist unter Druck. Die Hälfte der Baselbieter lassen sich ausserkantonal, vornehmlich in der Stadt behandeln. Dazu kommt, dass es in der ganzen Region Überkapazitäten gibt.

Was heisst das konkret?

Man kann auf das Bruderholzspital verzichten. Die Versorgungssicherheit der Bevölkerung im Raum Basel wäre nach wie vor gewährleistet. Und man spart viel Geld für Renovation und Defizite. Die Frage stellt sich zudem, ob es ein ambulantes Angebot auf dem Bruderholz braucht.

Es ist die Rede von einem Ambulanzspital, das von Montag bis Freitag geöffnet hat, und einem zusätzlichen Haus mit 100 stationären Betten für Rehabilitationsaufenthalte. Ist das nicht ein komisches Konstrukt?

So ist es. Den Versorgungsauftrag an den Kanton gibt es nur für die stationäre Behandlung. Man fragt sich erstens, was der Kanton in der ambulanten Behandlung überhaupt zu suchen hat. Das könnten auch niedergelassene Ärzte übernehmen oder private, halbstationäre Einrichtungen. Und zweitens: wieso am Bruderholz? Dessen verkehrstechnische Lage ist nachteilig und wäre es noch mehr, wenn man auf ambulante Versorgung setzte. Schliesslich haben wir bereits relativ viele Reha-Kapazitäten. Die 100 zusätzlichen Betten könnte man auch weglassen.

Ist eine vereinigte Spitalgruppe also überhaupt realistisch?

Es gibt dank des medizintechnischen Fortschritts eine Tendenz dazu, stationäre durch halbstationäre oder ambulante Behandlungen zu ersetzen. Die stationären Kapazitäten müssen daher reduziert werden. Die Frage ist: Ist eine fusionierte Spitalgruppe am Markt langfristig halt- und finanzierbar? Kann ich sie so gut organisieren, dass die heutigen Defizite verschwinden?