Kommen jetzt die Ärzte aus Osteuropa?

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Deutsche wenden sich abKommen jetzt die Ärzte aus Osteuropa?

Trotz Ärztemangels verliert die Schweiz für deutsche Ärzte an Anziehungskraft. Damit könnte die Tür für Ärzte aus Rumänien oder Griechenland weiter aufgehen.

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Wegen besserer Arbeitsbedingungen in der Heimat wird es schwieriger, deutsche Ärzte in die Schweiz zu locken.

Wegen besserer Arbeitsbedingungen in der Heimat wird es schwieriger, deutsche Ärzte in die Schweiz zu locken.

Keystone/Martin Ruetschi

In der Schweiz hat fast jeder dritte Arzt ein ausländisches Diplom. Die meisten kommen aus Deutschland: 6240 arbeiten in hiesigen Spitälern und Praxen. Für deutsche Mediziner verliert die Schweiz aber an Attraktivität: Sie stellen noch 56 Prozent der ausländischen Ärzteschaft, während es vor fünf Jahren noch knapp 60 Prozent waren. Ein Grund für die Trendwende: verbesserte Arbeitsbedingungen in Deutschland.

Dafür kommen zunehmend Ärzte aus anderen EU-Staaten sowie Drittstaaten in die Schweiz. Bei der Anerkennung von Diplomen folgen die Rumänen hinter den Nachbarländern Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich bereits auf Platz 5. So wurden laut dem Bundesamt für Gesundheit im letzten Jahr 102 rumänische Ärzte anerkannt. In den letzten zehn Jahren liessen 498 Griechen, 459 Rumänen, 345 Belgier, 287 Ungarn, 286 Polen und 259 Spanier ihr Diplom in der Schweiz anerkennen.

«Ärzte müssen unsere Kultur kennen»

Für CVP-Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel birgt diese Entwicklung Gefahren: «Das Medizinalberufegesetz verlangt leider nur niedrige Sprachanforderungen.» Verstünden die Ärzte die Patienten nicht, sei das ein Risiko. Hier müssten die Spitäler und Behörden genau hinschauen. «Wichtig ist, dass Ärzte integriert sind, die hiesige Kultur und das Gesundheitswesen kennen.» Menschen könnten ja nicht einfach «als Sammelsurium von Organen betrachtet und behandelt werden».

Tatsächlich landen beim Patientenschutz immer wieder Fälle, bei denen es aufgrund von Sprachbarrieren zu Missverständnissen zwischen Arzt und Patienten gekommen ist. Patientenschützerin Margrit Kessler berichtete etwa von einem Fall, bei dem ein Patient in einer Deutschschweizer Psychiatrie gestorben ist. Der behandelnde Arzt habe den Patienten nicht verstanden, als dieser über Fieber und Unwohlsein geklagt habe.

Beim Universitätsspital Basel ist man denn auch skeptisch, dass Deutsche einfach durch Ärzte aus anderen Ländern ersetzt werden können: «Zwar erhalten wir Bewerbungen aus ganz Europa und auch aus Drittstaaten wie den USA, Russland oder Indien, doch Voraussetzung für eine Anstellung ist, dass sich jemand problemlos mündlich und schriftlich auf Deutsch verständigen kann», so Sprecher Martin Jordan zur «Schweiz am Sonntag».

Mehr Studienplätze in der Schweiz

Statt Ärzte aus dem Ausland zu rekrutieren, wünscht sich CVP-Nationalrätin Humbel, dass das Potenzial im Inland besser genutzt wird: So würden viele Schweizer Ärztinnen nach dem Abschluss aussteigen oder in tiefen Teilzeitpensen arbeiten. «Das Ziel muss sein, dass diese nach dem teuren Studium auch auf dem Beruf arbeiten.» Vielleicht brauche es eine Motivationskampagne. Zudem könnten etwa Apotheker und die Spitex mehr Kompetenzen erhalten. So würden Ärzte von Bagatellfällen entlastet.

Laut Schätzungen spitzt sich der Ärztemangel in den nächsten Jahren gerade bei den Hausärzten zu. Der Bundesrat will für 100 Millionen Franken zusätzliche Medizin-Studienplätze schaffen. Für Jürg Schlup, Präsident des Ärzteverbands FMH, der einzig richtige Weg: «Wir müssen möglichst schnell mehr eigene Ärzte ausbilden.» Es sei «unethisch», die benötigten Ärzte im Ausland ausbilden zu lassen, zumal in den meisten europäischen Ländern ein Ärztemangel herrsche. Schlup ist aber dankbar, dass ausländische Ärzte die Lücke füllen: «Sie helfen uns, die Versorgung sicherzustellen.»

Wurden Sie in Schweizer Spitälern oder Praxen von Ärzten behandelt, die kein Deutsch sprachen? Oder sind Sie eine Ärztin oder ein Arzt aus Deutschland und wollen die Schweiz verlassen? Dann erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen.

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