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Kooperation mit Pharmakonzern Streit um Einflussnahme von Boehringer Ingelheim auf die Uniklinik Mainz

Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim fördert Forschung an der Uniklinik Mainz mit mehreren Millionen Euro. Darf er auch Publikationen absegnen? Ein internes Papier legt das nahe. Die Uniklinik weist den Vorwurf zurück.

Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim ist in der Forschung sehr aktiv. Um internationale Spitzenforscher ins Rhein-Main-Gebiet zu locken, hat die konzernnahe private Boehringer-Ingelheim-Stiftung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz 150 Millionen Euro für die Biologie bis 2023 versprochen.

Um die Vereinbarung, in der diese Kooperation festgehalten wurde, gibt es Streit. Die Universität hatte die Verträge mit der Boehringer-Ingelheim-Stiftung lange unter Verschluss gehalten - bis SPIEGEL ONLINE und einige andere Journalisten schließlich hineinschauen durften. Kritiker warfen der Hochschule vor, nicht transparent zu machen, ob die Pharmaindustrie ungebührend Einfluss auf die Forschung nimmt.

Schließlich zwang SWR-Reporter Thomas Leif die Hochschule per Gericht, auch ihm Einblick in den Vertrag zu gewähren. SPIEGEL ONLINE veröffentlicht nun hier die noch gültige Fassung von 2012.

Daraus geht unter anderem hervor, dass das Institut nur von Wissenschaftlern geleitet werden kann, mit denen die Stiftung einverstanden ist. Einfluss auf wissenschaftliche Publikationen nehme man nicht, teilte die Stiftung mit.

Nach heftiger Kritik hatte Uni-Präsident Georg Krausch jedoch eingeräumt , dass der Vertrag Fehler enthalte. Derzeit liefen Gespräche mit der Stiftung über "mögliche Änderungen potenziell missverständlicher Passagen", teilt die Hochschule mit.

Gesundheitsdaten von 15.000 Menschen

Inzwischen gibt es zudem neuen Ärger über einen Vertrag, den die Uniklinik Mainz mit dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim vor einigen Jahren geschlossen hat. Dabei geht es um die Gutenberg-Gesundheitsstudie, ein "universitäres Leuchtturmprojekt", wie es auf der Website heißt. 

Für die Langzeitstudie wurden zwischen 2007 und 2012 mehr als 15.000 Menschen aufwendig untersucht. In den kommenden Jahren wollen Forscher ihre gesundheitliche Entwicklung dokumentieren.

Boehringer Ingelheim fördert die Studie mit drei Millionen Euro bis Ende 2017. Auch dieser Vertrag ist geheim. Einen Anhang zur internen Geschäftsordnung konnte SWR-Reporter Leif jedoch in Teilen erhalten. Er wirft der Uniklinik vor zuzulassen, dass der Pharmakonzern mit Sonderprivilegien in die im Grundgesetz garantierte Forschungsfreiheit eingreifen kann.

Wörtlich heißt es in Anhang XIV der Geschäftsordnung vom 17. Juli 2015: "Weiterhin ist mit dem Hauptsponsor der Studie, Boehringer Ingelheim (BI), vertraglich vereinbart, dass alle Manuskripte vor Veröffentlichung die Freigabe durch BI benötigen."

Die Uniklinik weist zurück, dass dieser Passus die Unabhängigkeit der Forschung gefährde: "Die Veröffentlichungsfreiheit von Wissenschaftlern ist damit grundsätzlich nicht eingeschränkt und die Freiheit von Forschung und Lehre nicht berührt", teilte sie mit.

Betriebsinterne Informationen schützen

Es gehe lediglich darum zu vermeiden, dass patentierbare Erfindungen, die sich eventuell aus der Forschungsarbeit ergeben, nach außen gelangen, bevor ein Patent eingereicht sei. Außerdem sollten betriebsinterne, vertrauliche Informationen der Partner geschützt werden.

Der Anhang zur Geschäftsordnung sei eine interne Leitlinie für die eigenen Wissenschaftler, heißt es vonseiten der Uniklinik weiter. Vertraglich sei Boehringer Ingelheim nur zugesichert worden, dass der Konzern Veröffentlichungen "kommentieren" dürfe.

Der Pharmakonzern teilte mit: "Der Studienpartner ist frei, sich über diese nicht verbindlichen Kommentare hinwegzusetzen." Eine solche Kommentierungsmöglichkeit entspreche der allgemeinen akademisch-wissenschaftlichen Praxis. Der Wortlaut solle aber dennoch in einem Nachfolgevertrag "entsprechend angepasst" werden.

Seit dem Beginn der Gesundheitsstudie 2007 habe Boehringer Ingelheim von seinem Kommentierungsrecht außerdem noch nie Gebrauch gemacht.

lov