«Summer School»
Raus aus der Uni, rein ins Spital: «Die Hälfte von dem, was ihr lernt, ist falsch»

Das Kantonsspital Aarau bietet Medizinstudenten Einblick in den Klinikalltag. Davon profitieren angehende Ärzte und das Spital als potenzieller Arbeitgeber.

Urs Moser
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Vom Hörsaal in die Praxis: In der «Medical Summer School» konnten Medizinstudenten zum Beispiel üben, wie man eine Wunde fachgerecht näht. Alex Spichale

Vom Hörsaal in die Praxis: In der «Medical Summer School» konnten Medizinstudenten zum Beispiel üben, wie man eine Wunde fachgerecht näht. Alex Spichale

ALEX SPICHALE

Es gab eine Zeit, da war «Ärzteschwemme» ein gängiger Begriff, die Konkurrenz unter jungen Medizinern war gross und nach dem Studium malochten junge Assistenzärzte 75 Stunden in der Woche. Heute spricht man von Ärztemangel, durch die bevorstehende Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative noch verschärft, mit den Arbeitsbedingungen nicht klarkommende Ärzte steigen wieder aus dem Beruf aus, man muss sich um Nachwuchs bemühen, um den Bedarf für die medizinische Versorgung decken zu können.

Dies ist mit ein nicht uneigennütziger Grund, weshalb das Kantonsspital Aarau die «Medical Summer School» ins Leben gerufen hat. Es war diese Woche das zweite Mal, dass Medizinstudenten ab dem dritten Semester, die meisten aber schon fortgeschrittener, in Aarau während zweier Tage ein Einblick in die Spitalpraxis ermöglicht wurde: mit Vorträgen zu verschiedenen Aspekten des Arztberufs, aber auch mit praktischen Workshops wie «Chirurgische Nahttechniken». Das Kantonspital Aarau wolle auf sich aufmerksam machen, darauf sei man zur ausreichenden Rekrutierung von Mediziner-Nachwuchs angewiesen, sagt CEO Robert Rhiner, der die «Summer School» ins Leben gerufen hat. Das Angebot scheint auch anzukommen und einem Bedürfnis zu entsprechen.

Wie schon im letzten Jahr hatten sich wieder rund 80 Studenten und Studentinnen für die zwei Schnuppertage in Aarau angemeldet. Tipps, Tricks und Informationen, die man so an der Uni oft vergebens sucht, waren ihnen versprochen worden. Und der eine oder die andere dürfte vielleicht schon etwas gestaunt haben, wenn ihnen der Leitende Arzt Philipp Schütz erklärte: «Die Hälfte von dem, was ihr lernt, ist falsch. Glaubt nicht alles, was im Herold steht.» («Der Herold», Standard-Lehrbuch der Inneren Medizin.) Natürlich war damit nicht gemeint, dass an den Universitäten Unsinn gelehrt wird. Aber es ist in der Medizin nicht anders als in anderen Gebieten: Was heute Standard ist, kann morgen überholt sein. Unter dem Thema «Erfolgreich promovieren» war es ein Aufruf, sich zu wissenschaftlichem Ehrgeiz inspirieren zu lassen. «Es genauer wissen zu wollen, der Zweifel, das wird euch zu besseren Ärzten machen», so Schütz.

Als Georg Sasse, der Leiter des medizinischen Rechtsdienstes des KSA, den Studenten in einer bühnenreifen Vorstellung erklärte, warum man als Arzt theoretisch schon irgendwie immer mit einem Bein im Gefängnis steht, sich darüber dann aber doch keine zu grossen Sorgen machen sollte, wurde gerade eine Studie der FMH und des Verbands der Assistenz- und Oberärzte veröffentlicht: Jeder zehnte Arzt steigt aus seinem Beruf aus, weil die Arbeitsbedingungen nicht stimmen und Beruf und Familie nicht vereinbar sind. Da ist es für angehende Ärztinnen und Ärzte gut zu wissen, dass die Frauenklinik des Kantonsspitals Aarau von der «Fachstelle UND» als Arbeitgeberin mit familienfreundlichen Strukturen und einer fortschrittlichen Personalpolitik zertifiziert ist. Die Frauenklinik, nicht das KSA als Ganzes. Aber Chefarzt Gabriel Schär ist überzeugt: «Keine Fachrichtung kann es sich heute noch leisten, sich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verschliessen.» Top-Qualität könne man nur mit Top-Teams anbieten, und die bekomme man nur mit guten Arbeitsbedingungen.