Schweizer misstrauen Behandlungen im Ausland

Zum Shoppen strömen Schweizer über die Landesgrenzen – in der Medizin foutieren sie sich um die tieferen Preise anderswo.

Simon Hehli
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Bei einem Zahnarztbesuch liesse sich Geld sparen – doch populär ist diese Form von Tourismus in der Schweiz nicht. (Bild: Reuters)

Bei einem Zahnarztbesuch liesse sich Geld sparen – doch populär ist diese Form von Tourismus in der Schweiz nicht. (Bild: Reuters)

Schön ist es an der Donau. Wieso also nicht durch Budapest flanieren und gleich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden – einer Zahnbehandlung? Eine Firma im Internet wirbt mit Preisen, die in der ungarischen Hauptstadt bis zu 70 Prozent tiefer liegen sollen als in der Schweiz. Ab Behandlungskosten von 3000 Franken gibt es eine Übernachtung gratis dazu. Ähnliche Angebote gibt es für Mallorca oder Bulgarien, meist in Kombination mit Konsultationen und Nachbehandlungen bei Partnerpraxen in der Schweiz. Auch Augen lassen sich im Ausland günstig lasern, Brüste vergrössern.

Die Preisvorteile überzeugen die breite Bevölkerung aber offenbar kaum – im Gegensatz zum Shopping. Laut einer Umfrage, die das Forschungsinstitut GfS Zürich im Auftrag von «Reader's Digest» durchgeführt hat, reisten nur 4 Prozent die Schweizer bisher für eine Behandlung freiwillig ins Ausland. Sie taten dies vor allem aus finanziellen Gründen.

Konsumenten schätzen Qualität in der Schweiz

Für mehr als die Hälfte der Befragten kommt Medizinaltourismus jedoch überhaupt nicht in Frage. Bei den Deutschschweizern ist die Skepsis noch ein bisschen grösser als bei den Romands. Von den über 65-Jährigen lehnen 72 Prozent Behandlungen im Ausland grundsätzlich ab, während Gutverdienende offener sind dafür. Patientenschützerin Margrit Kessler erklärt diese Befunde damit, dass die Konsumenten um die «gute Qualität der medizinischen Versorgung in unserem Land» wüssten.

Das Ausmass der Bedenken ist je nach Eingriffsart unterschiedlich. Immerhin gut jeder fünfte Befragte kann sich vorstellen, für eine Zahn- oder Kieferbehandlung ins Ausland zu reisen. Dieser relativ hohe Anteil dürfte damit zusammenhängen, dass die Grundversicherung solche Eingriffe auch im Inland nicht bezahlt. Einige Krankenkassen übernehmen mittlerweile jedoch über Zusatzversicherungen ebenfalls die – tieferen – Kosten im Ausland. Für andere Behandlungen wie Laserkorrekturen der Augen, Krebstherapien oder Herzchirurgie würden nur wenige Schweizer das Land verlassen.

Leichte Aufweichung des Territorialprinzips

Für Leistungen, die von der Grundversicherung abgedeckt sind, ist der Anreiz für Auslandsreisen gering. Denn es gilt weiterhin das sogenannte Territorialitätsprinzip: Die Kassen müssen nur in der Schweiz von zugelassenen Leistungserbringern erbrachte Pflichtleistungen bezahlen. Der Bundesrat will das Prinzip aber leicht aufweichen: Wer in einer Grenzregion wohnt, soll auch im benachbarten Ausland ins Spital gehen können. Entsprechende Pilotprojekte existieren in der Region Basel und in St. Gallen.