L 1 KR 116/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 149/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 116/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Der am xxxxx 2007 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte M.H. wurde zunächst in der Zeit vom 2. bis 5. Juli 2008 im Krankenhaus des Klägers vollstationär behandelt. Am 3. Juli 2008 erfolgte die Exzision eines Hämangioms am Rücken. Im Operationsbericht wird der Operationsverlauf als gut und komplikationslos beschrieben. Unter Bemerkungen heißt es: "Druckverband belassen und Nahtentfernung erst nach 10 Tagen." Im Pflegeverlaufsbericht findet sich unter dem 3. Juli 2008 der Eintrag, dass der Verband abends sehr blutig gewesen sei und sich eine Blutansammlung unter der Naht befunden habe. Es sei daraufhin ein Druckverband mit Bauchbinde angelegt worden. Am 4. Juli 2008 wurde eingetragen, dass die Wunde nicht mehr nachgeblutet habe, der Patient aber laut behandelndem Arzt "nicht vor Montag nach Hause" dürfe.

Am 5. Juli 2008 verließ der Versicherte auf Wunsch seiner Mutter die Klinik gegen ärztlichen Rat. Im Entlassungsschein wurden als Risiken vermerkt: "Wundinfektion, Nachblutung, Verbluten mit Todesfolge". Im Entlassungsbrief vom 5. Juli 2008 wurde empfohlen, den Druckverband "bis Montag" (7. Juli 2008) zu belassen und die Nahtentfernung am 14. Juli 2008 vorzunehmen. Ferner wurde eine Wiedervorstellung des Versicherten am 7. Juli 2008 in der Klinik erbeten.

Am 16. Juli 2008 wurde der Versicherte wegen einer Wunddehiszenz erneut in der Klinik des Klägers aufgenommen und dort bis zum 18. Juli 2008 stationär behandelt. Es erfolgte eine operative Wundrevision, eine Spülung der Wunde, die Auffrischung der Wundränder, die Einlage eines Miniredon sowie eine anschließende Naht unter perioperativer Antibiotikaprophylaxe.

Der Kläger verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 11. Juli 2008 den Betrag von 2.458,23 EUR für den ersten Aufenthalt, den die Beklagte unter Abzug des nicht streitigen Einbehalts zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in Höhe von 21,83 EUR zahlte. Für den zweiten Aufenthalt berechnete der Kläger unter dem 29. Juli 2008 einen Betrag von 1.759,25 EUR, den die Beklagte ebenfalls unter Abzug des Einbehalts zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung in Höhe von 15,44 EUR zahlte. Die Beklagte meldete jedoch Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung an und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) mit der Überprüfung, ob es sich um eine Wiederaufnahme aufgrund einer Komplikation gehandelt habe und daher eine Fallzusammenführung vorzunehmen sei. Mit Schreiben vom 8. August 2008 zeigte der MDK dem Kläger den Prüfauftrag an. In seinem Gutachten vom 28. Januar 2009 gelangte er sodann zu dem Ergebnis, dass eine Fallzusammenführung vorzunehmen sei und für die Leistungen die Fallpauschale J11B abzurechnen sei. Unter Bezugnahme hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2009 mit, dass für beide Aufenthalte insgesamt nur 2.436,40 EUR vergütet werden könne und daher der Betrag von 1.653,81 EUR zurückgefordert werde. Irrtümlich rechnete sie aber am 8. Juni 2011 in Höhe von 2.436,40 EUR gegen eine andere unstreitige Vergütungsforderung des Klägers auf.

In einem weiteren Gutachten vom 21. September 2011 führte der MDK aus, dass eine Wunddehiszenz eine typische Komplikation im postoperativen Verlauf darstelle. Ob dies ausreiche, sie als in den Verantwortungsbereich der Klinik fallend anzusehen oder ob dieser Zusammenhang aufgehoben werde, wenn zu vermuten sei, dass das Verhalten des Patienten zu einer Verschlimmerung beigetragen habe, bedürfe einer juristischen Klärung.

Am 10. Februar 2012 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen, dass das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 12. Juli 2012 (B 3 KR 18/11 R – Juris) den Begriff der Verantwortlichkeit im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 Fallpauschalenvereinbarung (FPV 2008) falsch ausgelegt habe. Die Rechtsordnung gehe insoweit von einer Verschuldenshaftung aus. Eine Haftung für typische Risiken könne daher gerade nicht gemeint sein. Im Übrigen sei es zu dem zweiten Krankenhausaufenthalt nur gekommen, weil die Mutter den Versicherten der stationären Behandlung vorzeitig entzogen habe. Zur Wunddehiszenz sei es dann durch unangemessen starke Bewegungen des Versicherten gekommen. Es habe sich daher um eine Komplikation gehandelt, die medizinisch und statistisch nicht zu erwarten gewesen sei und ihre Ursache allein im Verhalten des Versicherten und seiner Eltern gelegen habe.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29. Mai 2013 eine Forderung in Höhe von 692,59 EUR nebst Zinsen anerkannt.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 5. Juli 2013 gemäß ihrem Teilanerkenntnis verurteilt, an den Kläger 692,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent seit dem 8. Juni 2011 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat sich der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12. Juli 2012, a.a.O.) zur Auslegung des § 2 Abs. 3 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (FPV 2008) angeschlossen und ausgeführt, dass es vorliegend keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Komplikation auf ein Fehlverhalten des Versicherten zurückzuführen sei. Dieses liege insbesondere nicht darin, dass er das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat nicht erst am 7. Juli 2008, sondern schon am 5. Juli 2008 verlassen habe. Die Wiederaufnahme sei erst neun Tage nach der geplanten und elf Tage nach der tatsächlichen Entlassung erfolgt, sodass es nicht ersichtlich sei, dass gerade die aus ärztlicher Sicht verfrühte Entlassung ursächlich für die Wunddehiszenz gewesen sei. Heftige Bewegungen eines Kleinkindes seien einer mangelnden Compliance und einem Behandlungsfehler seitens des niedergelassenen Arztes nicht vergleichbar.

Der Kläger hat gegen das ihm am 10. Juli 2013 zugestellte Urteil am 9. August 2013 Berufung eingelegt und hält daran fest, dass die Wiederaufnahme von der Mutter des Patienten zu vertreten sei, weil die Entlassung verfrüht und gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat erfolgt sei. Deshalb sei es zu der Komplikation gekommen, die zur Wiederaufnahme geführt habe, wobei eine etwaige Unaufklärbarkeit zulasten der insoweit beweispflichtigen Krankenkasse gehen müsse. Die behandelnden Ärzte seien bereits im Zeitpunkt der Indikationsstellung für die operative Entfernung des Hämangioms von einer notwendigen Verweildauer von 7-10 Tagen ausgegangen. Die unmittelbare postoperative Anweisung des Operateurs habe gelautet, dass der Druckverband belassen und die Naht erst nach zehn Tagen entfernt werden solle. Am Abend des 4. Juli 2008 habe der behandelnde Arzt nochmals festgestellt, dass eine Entlassung nicht vor Montag, dem 7. Juli 2008 erfolgen dürfe. Dennoch habe die Mutter am Folgetag mit dem Kind die Klinik verlassen und unterschrieben, dass sie über die Risiken aufgeklärt worden sei. Den vereinbarten Termin für die Wiedervorstellung am 7. Juli 2008 habe die Mutter ebenfalls nicht wahrgenommen. Die Mutter habe offensichtlich auch die ambulante Nachsorge nicht sichergestellt und somit wissentlich alle Anweisungen der behandelnden Ärzte missachtet und die zur Sicherung des Behandlungserfolges notwendige Therapie verweigert.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Juli 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.743,81 EUR nebst Verzugs- und Prozesszinsen zu zahlen sowie ihren Verzugsschaden insgesamt zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und trägt ergänzend vor, dass ihrer Auffassung nach der Kläger beweispflichtig für seine Behauptung sei, dass die Komplikation durch die verfrühte Entlassung verursacht worden sei.

Auf Veranlassung des Gerichts hat der Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. D. ein Gutachten vom 7. November 2014 erstellt. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Der Senat hat am 23.Juli 2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in dem der Rechtsstreit zur Durchführung weiterer Ermittlungen vertagt wurde.

Die Beklagte hat auf Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 26. August 2015 mitgeteilt, dass sie aus ihrem Datenbestand keine ärztliche Behandlung des Versicherten im streitigen Zeitraum 2008 ermitteln könne. Sie gehe daher davon aus, dass eine ambulante Behandlung bei einem niedergelassenen Arzt nicht stattgefunden habe.

Die Mutter des Versicherten hat auf gerichtliche Anfrage mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 mitgeteilt, sie habe am Abend nach der Entfernung des Blutschwamms bemerkt, dass der Verband blutig gewesen sei. Der Krankenhausarzt habe sich die Wunde angesehen und sie hätten am nächsten Tag das Krankenhaus verlassen können. Zur Kontrolle seien sie bei ihrem Kinderarzt Dr. S. gewesen. Dieser habe nach ein paar Tagen gesehen, dass die Naht aufgegangen und die Wunde entzündet und vereitert gewesen sei. Daher habe er sie wieder in die Klinik geschickt.

Dr. S. hat dem Gericht mitgeteilt, nicht mehr in seiner damaligen Praxis zu arbeiten und sich daher an die Einzelheiten des Behandlungsfalles nicht mehr erinnern zu können. Seine Praxisnachfolgerin, die M. GmbH, konnte außer den Entlassungsberichten des Klägers keine weiteren Unterlagen übersenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Krankenakte des Klägers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über den Rechtsstreit ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG)

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (FPV 2008) sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und unter anderem der Beklagten (Vertrag nach § 112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – Juris).

Der vom Kläger geltend gemachte Vergütungsanspruch für den zweiten Aufenthalt ist durch Aufrechnung (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. §§ 387 ff. BGB) erloschen. Der Beklagten stand insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, denn der Kläger hätte die beiden Behandlungsfälle gemäß § 8 Abs. 5 KHEntgG i.V.m. § 2 Abs. 3 FPV 2008 zu einem Fall zusammenfassen müssen.

§ 8 Abs. 5 KHEntgG bestimmt: "Werden Patientinnen oder Patienten, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen, hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen. Näheres oder Abweichendes regeln die Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes oder eine Rechtsverordnung nach § 17b Abs. 7 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes." Aufgrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 5 S. 2 KHEntgG haben der GKV-Spitzenverband, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft die zum in Kraft getretenen FPV 2008 vereinbart. § 2 Abs. 3 FPV 2008 lautet: "Werden Patienten oder Patientinnen, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Aufenthalts, wieder aufgenommen, hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen."

Die obere Grenzverweildauer bei der abgerechneten DRG J11B beträgt 15 Tage, sodass der Versicherte innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen worden ist.

Hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wiederaufnahme aufgrund einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung erfolgt ist, schließt sich der Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an. Dieses hat in seinem Urteil vom 12. Juli 2012 (a.a.O.) mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass das Krankenhaus das Risiko von innerhalb der oberen Grenzverweildauer auftretenden Komplikationen trägt, soweit diese nicht auf das Verhalten des Versicherten oder Dritter zurückzuführen sind. Stellt sich folglich ein konkreter stationärer Behandlungsbedarf als spezifische Folge einer Erkrankung bzw. deren Behandlung dar, auf die sich der Behandlungsauftrag des Krankenhauses bereits während des vorangegangenen Krankenhausaufenthalts erstreckt hat, und erfolgt wegen dieser Komplikation noch innerhalb der oberen Grenzverweildauer die Wiederaufnahme des Versicherten, so bleibt das Krankenhaus aufgrund desselben Behandlungsauftrags auch für die weitere Krankenhausbehandlung verantwortlich und hat Anspruch auf eine einheitliche Vergütung. Wenn die nach Beginn der Behandlung eingetretenen Komplikationen bis zum Ablauf der oberen Grenzverweildauer auftreten und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit begründen, kann es keinen Unterschied machen, ob der Patient sich ununterbrochen in der Klinik aufgehalten hat oder ob das Krankenhaus ihn zwischenzeitlich entlassen hatte. Denn mit dem Eintritt der Komplikation verwirklicht sich gerade das spezifische Gesundheitsrisiko des Behandlungsfalles, das zu bekämpfen das Krankenhaus gegen Zahlung der Fallpauschale beauftragt worden ist. Nach dem BSG (a.a.O.) trifft dies sowohl auf absehbare, behandlungstypische Nebenwirkungen als auch auf Fälle unvorhersehbarer, atypischer Komplikationen zu. Auf ein Verschulden hinsichtlich der erneuten Behandlungsbedürftigkeit kommt es dabei nicht an. Nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen daher nur die Komplikationen, die maßgeblich erst durch ein hinzukommendes weisungswidriges oder unvernünftiges Verhalten des Versicherten nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, durch ein Behandlungsverhalten des ambulant weiterbehandelnden Arzte oder durch ein sonstiges, nicht vom Krankenhaus zu beeinflussendes Ereignis wie z.B. einen Verkehrsunfall hervorgerufen worden sind.

Vorliegend kann die Ursache der zur Wiederaufnahme führenden Wunddehiszenz nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden.

Der Sachverständige hat hierzu in seinem Gutachten vom 7. November 2014 ausgeführt, dass es sich bei dem Versicherten um einen multimorbiden Patienten im Kleinkindalter gehandelt habe. Er sei durch eine Frühgeburt in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen und habe multiple Vorerkrankungen (rezidivierende Bronchitiden, Lippen-Gaumen-Spalte, Kurzdarmsyndrom, diverse Vor-Operationen). Aufgrund dieser Multimorbidität sei von einer Abwehrschwächung des Körpers auszugehen, sodass Wundheilungsstörungen prädestiniert seien. Die primär geplante längere Aufenthaltsdauer über den 5. Juli 2008 hinaus sei daher medizinisch indiziert gewesen, insbesondere da schon am ersten postoperativen Tag Komplikationen aufgetreten seien und das Risiko für eine Wundheilungsstörung durch das subcutane Hämatom und die dokumentierte motorische Unruhe des Kindes deutlich erhöht gewesen sei. Gegen die Ursächlichkeit der vorzeitigen Entlassung für das Entstehen der Wunddehiszenz spreche aber, dass die Wiederaufnahme erst am 16. Juli 2008 erfolgt sei. Es sei dabei typisch, dass der Wundbereich so lange stabil sei, bis die Fäden entfernt würden, sodass davon auszugehen sei, dass erst nach der Nahtentfernung die Wunddehiszenz aufgetreten sei. Nähere Angaben dazu könnten allerdings dem Aktenmaterial nicht entnommen werden. Auch die Hypermobilität des Kindes sei allein nicht ausschlaggebend, da bei der Nahtausführung schon Vorkehrungen getroffen worden seien, um das Risiko einer Wundheilungsstörung zu minimieren.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 3. Juli 2015 hat Dr. D. ausgeführt, die vorzeitige Entlassung auf Wunsch der Mutter sei nicht als alleiniges Risiko für eine mögliche auftretende Wundheilungsstörung zu diskutieren. Es gebe vielmehr von beiden Seiten mögliche Ursachen, die aber aufgrund der sehr mangelhaften Dokumentation über den Aufnahmebefund und den Verlauf nicht gelöst werden könnten. Auch für den Zeitraum zwischen Entlassung und Wiederaufnahme gebe es keinerlei Dokumentation aus kinder- oder hausärztlicher Seite.

Somit steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht fest, dass die frühzeitige Entlassung des Versicherten gegen ärztlichen Rat ursächlich für die Entstehung der Komplikation war. Es konnte weder geklärt werden, zu welchem Zeitpunkt die Wunddehiszenz eingetreten ist, noch, was sich in der Zwischenzeit ereignet hat. Ebenso wenig kann im Nachhinein beurteilt werden, wann der Versicherte mit ärztlichem Einverständnis entlassen worden wäre, sodass auch unklar bleibt, ob die Wundheilungsstörung womöglich auch nach einer regulären Entlassung eingetreten wäre. Wie der Sachverständige betont hat, spricht der zeitliche Verlauf – Wiederaufnahme erst elf Tage nach der Entlassung – sogar gegen eine Ursächlichkeit der aus ärztlicher Sicht verfrühten Entlassung. Ob der Versicherte in der Zwischenzeit in ambulanter ärztlicher Behandlung war und was dabei gegebenenfalls veranlasst wurde, konnte ebenfalls nicht mehr aufgeklärt werden. Die Mutter des Versicherten hat zwar mitgeteilt, mit ihrem Sohn bei dem Kinderarzt Dr. S. in Behandlung gewesen zu sein. Dieser konnte jedoch, ebenso wie seine Praxisnachfolgerin, keine Angaben mehr dazu machen, ob dies zutrifft und – gegebenenfalls – wie die Behandlung aussah. Somit kommt als Ursache für die Wundheilungsstörung ein schicksalhafter Verlauf ebenso in Betracht wie ein unsachgemäßes Verhalten des Versicherten bzw. seiner Eltern oder eines ambulant weiterbehandelnden Arztes.

Das Risiko der Nichterweislichkeit der Ursache für die zur Wiederaufnahme führende Wundheilungsstörung trägt vorliegend der Kläger. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts trägt grundsätzlich das Krankenhaus die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen für den geltend gemachten Vergütungsanspruch (BSG, Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 29/13 R – Juris). Dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse aufgrund ihrer vertraglichen Verpflichtung die Rechnung zunächst unter dem Vorbehalt medizinischer Überprüfung beglichen hat (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R – Juris). Zu den Voraussetzungen für den geltend gemachten Vergütungsanspruch gehört vorliegend auch, dass das Krankenhaus nicht verpflichtet war, eine Fallzusammenführung vorzunehmen.

Eine Umkehr der Beweislast kommt entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend nicht in Betracht. Es trifft zwar zu, dass die Ärzte des Klägers nach der Entlassung des Versicherten auf den weiteren Verlauf keinen Einfluss mehr hatten. Ob dieser Umstand ursächlich für den Eintritt der Komplikation ist, konnte jedoch gerade nicht geklärt werden und kann daher auch nicht zu einer Beweislastumkehr führen. Soweit der Kläger meint, dass ihm gerade durch die frühzeitige Entlassung unmöglich gemacht worden sei, die Ursache für den Eintritt der Komplikation aufzuklären, ist dies letztlich die typische Situation im Fall der Wiederaufnahme eines Patienten. Denn unabhängig davon, ob die Entlassung regulär oder gegen ärztlichen Rat erfolgt ist, entziehen sich die genauen Umstände und der Verlauf bis zu einer Wiederaufnahme regelmäßig der Kenntnis des Krankenhauses. Insoweit hätte es aber gerade im Fall der hier vorliegenden Entlassung gegen ärztlichen Rat nahe gelegen, bei Wiederaufnahme die Mutter des Versicherten über diese Umstände zu befragen und die Ergebnisse in der Krankenakte zu dokumentieren. Dies ist jedoch nicht erfolgt, wobei auch der Sachverständige auf die insoweit mangelhafte Dokumentation hingewiesen hat. Da somit die Ursachen der nachträglichen Unaufklärbarkeit weder eindeutig der Sphäre des Klägers noch der der Beklagten zugeordnet werden kann, bleibt es bei den allgemeinen Regeln zur Feststellungslast, die hier den Kläger trifft.

Der Kläger kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass ihm durch die Entlassung gegen ärztlichen Rat ein (fiktives) wirtschaftliches Alternativverhalten verwehrt worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 01.07.2014 – B 1 KR 62/12 R und vom 10.03.2015 – B 1 KR 3/15 R; beide Juris). Dies käme allenfalls in Betracht, wenn mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen wäre, dass eine spätere Entlassung die Wiederaufnahme verhindert hätte und die Gesamtbehandlung dadurch kostengünstiger gewesen wäre. Dies ist jedoch, wie ausgeführt, nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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