Gastkommentar

Systemfehler bei der Spitalfinanzierung

Mit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung sollte der Kostenwettbewerb unter den Spitälern schweizweit gefördert werden.

Erwin Carigiet und Gregor Zünd
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Dem Stadtspital Triemli droht ein Defizit. (Bild: Ennio Leanza / Keystone)

Dem Stadtspital Triemli droht ein Defizit. (Bild: Ennio Leanza / Keystone)

Basierend auf der vor vier Jahren eingeführten Spitalfinanzierung muss heute jedes Spital seine Anlagen und Immobilien vollständig aus den erwirtschafteten Gesamterträgen – den Erlösen aus DRG (diagnosebezogenen Fallgruppen) und Tarmed – finanzieren. Der Bundesrat setzte zu Beginn als Richtwert den Investitionsanteil im DRG-System auf 10 Prozent des Basispreises fest – im Wissen, dass Anpassungen notwendig sein werden. Dieser Richtwert hat bis heute Gültigkeit.

Die unter der neuen Spitalfinanzierung erfolgten Investitionen in den Spitalimmobilienpark sind aufgrund der steigenden Anlagenutzungskosten mit den geltenden Fallpauschalen nur unzureichend gedeckt. Das zeigt der Fall des Stadtspitals Triemli exemplarisch: Die Stadt Zürich erneuerte das Triemli und investierte rund 750 Millionen Franken in die bauliche Erneuerung. Als Folge der Investitionen in das im Frühling eingeweihte neue Bettenhaus steigen die Anlagenutzungskosten im Zeitraum von 2012 bis 2019 um 100 Prozent auf rund 60 Millionen Franken pro Jahr.

Mit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung sollte der Kostenwettbewerb unter den Spitälern schweizweit gefördert werden. Wesentliche Kompetenzen im Spitalwesen sind bei den Kantonen verblieben. Daraus resultierten Interessenkonflikte.

Die höheren Anlagenutzungskosten übersteigen die zusätzlichen Erlöse, die mit dem neuen Bettenhaus überhaupt möglich sind, um ein Vielfaches. Damit droht dem Stadtspital Triemli – wie den meisten Schweizer Spitälern, die in den nächsten Jahren investieren werden – über Jahre ein systemisches Defizit.

Mit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung sollte der Kostenwettbewerb unter den Spitälern schweizweit gefördert werden. Wesentliche Kompetenzen im Spitalwesen sind bei den Kantonen verblieben. Daraus resultierten Interessenkonflikte. Gross sind die Unterschiede zwischen und auch innerhalb der Kantone in Bezug auf die staatliche Mitfinanzierung der Häuser und die Tariffestsetzung. Abhängig von Rechtsform und Eigentümerstrategie sehen sich die Spitäler mit entsprechend unterschiedlichen Rahmenbedingungen konfrontiert. Das Triemli beispielsweise verfügt als Dienstabteilung der Stadt Zürich über kein Eigenkapital. Das verteuert und erschwert die Refinanzierung der Investitionskosten erheblich.

Öffentliche Spitäler wie das Triemli und das Universitätsspital Zürich (USZ) sind in besonderem Mass dem Gemeinwohl verpflichtet.

Öffentliche Spitäler wie das Triemli und das Universitätsspital Zürich (USZ) sind in besonderem Mass dem Gemeinwohl verpflichtet. Im Gegensatz dazu profitieren private Spitäler von einer unternehmerischen Flexibilität und können ihre Strategie konsequent an der Rendite ausrichten. Beobachten lässt sich das am hohen Anteil lukrativer Behandlungen von privat versicherten Patientinnen und Patienten.


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Auch öffentliche Spitäler können heute ohne einen gewissen Anteil an Privatversicherten kaum mehr kostendeckend arbeiten – selbst das USZ ist zunehmend auf Privatversicherte angewiesen. Die öffentlichen Spitäler stossen dabei aber an Grenzen, da teilweise über 50 Prozent der zugewiesenen Fälle Notfallpatienten sind.

Im heute geltenden System der Fallpauschalen werden die notwendigen Investitionen in den Spitalimmobilienpark schweizweit nur unzureichend abgegolten. Es bedarf einer raschen Überarbeitung der Fallpauschalen zugunsten der Grundversicherung. Im Weiteren ist auf Bundesebene die Kompetenzordnung, welche die Kantone in Interessenkonflikte verwickelt und zu ungleichen Konkurrenzsituationen führt, zu überdenken.

Im Sinne fairer Wettbewerbsbedingungen sollten die Kantone beziehungsweise die Trägerschaften sicherstellen, dass systembedingte Defizite vermieden werden. Dort, wo sie schon bestehen, sind pragmatische Lösungen zu suchen. Damit alle Leistungserbringer in der neuen Spitalfinanzierung gleich lange Spiesse haben und die Versorgungsqualität für die Allgemeinheit längerfristig nicht beeinträchtigt wird, sind die offenkundigen Mängel rasch zu beheben.

Erwin Carigiet ist Direktor des Stadtspitals Triemli, Gregor Zünd ist Vorsitzender der Spitaldirektion des Universitätsspitals Zürich.