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Wunder der TechnikÄrzte helfen via Kamera entlegener Klinik in Alaska

Weil einer Klinik auf Unalaska Island in Alaska Personal fehlt, kommen Ärzte aus mehr als 1000 Kilometern Entfernung zur Hilfe — dank Satellitentechnologie.

R. d'Oro
AP
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Dutch Harbor auf Unalaska Island in Alaska ist einer der lebhaftesten kommerziellen Fischereihäfen der USA. Die einzige Klinik hier ist so entlegen, dass sogar konventionelle Telemedizin zur Unterstützung des wenigen Personals in Notfällen nicht möglich war.

Doch seit Donnerstag können sich Ärzte in einem Krankenhaus im knapp 1300 Kilometer entfernten Anchorage zuschalten, wenn in der Insel-Klinik Not am Mann ist. Etwa dann, wenn sich ein Fischer der Krabbenfangflotte in der Beringsee bei der Arbeit schwer verletzt hat. Das Seegebiet wurde durch die Discovery-Show «Deadliest Catch» (Tödlichster Fang) bekannt.

Eine erste Einschätzung aus der Ferne

Aus der Ferne können Ärzte am Providence Alaska Medical Center in Anchorage Röntgenbilder oder auch andere medizinische Unterlagen in der Klinik Iliuliuk Family and Health Services einsehen. Ausserdem können sie direkt mit Patienten und deren Betreuern sprechen, anstatt wie bisher per Telefon oder E-Mail.

Ziel ist es, die Patienten zu stabilisieren, bevor sie zur Behandlung in andere Krankenhäuser gebracht werden. Bei grösseren Unfällen, wie Schiffsunglücken, können Spezialisten aus Anchorage zudem bei der ersten Einschätzung zu helfen.

Der neue Service findet grossen Beifall

Die Kameraverbindung stützt sich nicht auf Glasfaserkabel, die es nirgendwo in der Nähe der Insel gibt, sondern auf Satellitentechnologie. Den Angaben zufolge ist es das erste Mal in den USA, dass ein derartiges System für Telemedizin genutzt wird. Insgesamt unterstützt die Abteilung für elektronische Intensivpflege am Medical Center in Anchorage aus der Ferne neun Einrichtungen.

Der neue Service findet grossen Beifall — so von Lance Farr, der ein Krabbenfischereiboot betreibt und schon zwei Mal bei seiner Arbeit in der Beringsee verletzt wurde. Vor mehreren Jahren trennte er sich bei einem Maschinenunfall an einem Dock beinahe einen Finger ab. Die Insel-Klinik leistete Erste Hilfe, dann wurde Farr zur weiteren Behandlung nach Anchorage geflogen.

Beim zweiten Mal fiel ihm eine Maschine auf den Fuss, der an mehreren Stellen brach. Farr wurde über Nacht im Iliuliuk-Hospital von Pflegern betreut und am nächsten Morgen ausgeflogen. «Es wäre eine gute Sache, wenn ein wirklicher Arzt die Leute hier draussen beriete», sagt Farr. Ihm selber hätte die Zuschaltung eines Spezialisten in den ersten Stunden sicher auch moralisch Auftrieb gegeben.

Ein Drittel der Patienten muss ausgeflogen werden

Die Stadt Unalaska hat gerade mal 4600 ständige Einwohner, aber während der beiden Hauptfischfangzeiten im Jahr schwillt die Zahl auf 16'000 oder mehr an. Dann kommen Bootsbesatzungen und Personal zur Verarbeitung der Beute, mit Dutzenden Sprachen und Kulturen. Das bedeutet mehr potenzielle Patienten, darunter Menschen, die kein Englisch sprechen.

Durchschnittlich verzeichnet die Insel-Klinik jährlich 300 Notaufnahmen ausserhalb der üblichen Betriebszeiten. Ungefähr ein Drittel dieser Patienten muss zur weiteren Behandlung ausgeflogen werden.

Es ist schwierig, Personal zu finden

Notfälle auf See können erhebliche Verzögerungen der notwendigen Behandlung bedeuten, weil der Verletzte erst einmal per Helikopter nach Dutch Habor gebracht werden muss. Da kann es eine Menge nützen, wenn in der Insel-Klinik ein Experte bei der ersten Einschätzung hilft und die Behandlung auf den Weg bringt - auch wenn er nur per Kamera dabei ist.

Kliniken in derart abgelegenen Gebieten können sich oft keine Notfall-Spezialisten oder die nötigen diagnostische Ausrüstung leisten. Es ist schon eine Herausforderung, Personal für die Arbeit in einer so entlegenen Ecke zu finden, wie die medizinische Direktorin der Insel-Klinik, Ann Nora Ehret, schildert. Sie ist seit 2013 dabei, und erst kürzlich wurde ein zweiter Arzt eingestellt, nachdem die Stelle fast ein Jahr unbesetzt gewesen war. Und dann muss man den Spezialisten auch das Bleiben schmackhaft machen.

Ehret hofft, dass die Telemedizin Einiges zum Positiven wandelt. «Ich denke, es könnte etwas verändern, beim Anheuern von Kräften, dabei, sie zu halten, und für die Betreuung der Patienten. Wir erhalten jetzt die Unterstützung, die wir in einem solchen kargen Umfeld benötigen», sagt sie.

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