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Eine Radikalkur für die Sportklinik Hellersen

Radikalkur für Sportklinik Hellersen

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Foto: Matthias Graben / FUNKE Foto Services
  • Die renommierte Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid muss 70 von 350 Arbeitsplätzen abbauen
  • Seit zehn Jahren erzielt das Krankenhaus keine Gewinne mehr
  • Mehr Service und ein ausgeweitetes medizinisches Angebot sollen bis 2018 in die Gewinnzone führen

Lüdenscheid. 

Die Sportklinik Hellersen ist ohne Frage für Leistungs- und Breitensportler nach wie vor eine Spitzenadresse. Mediziner aus Lüdenscheid schaffen es sogar regelmäßig bis zu Olympia. Dennoch hat der Ruf zuletzt gelitten. Die Klinik ist in finanzieller Schieflage, schreibt seit Jahren rote Zahlen. Der Trägerverein, die Sporthilfe NRW, zieht nun die Reißleine. „Es war, dass muss ich sagen, fünf vor Zwölf“, räumt Christoph Niessen, Vizepräsident der Sporthilfe NRW e.V., gestern ein.

Seit mindestens zehn Jahren keine schwarzen Zahlen mehr

Zwei Millionen Euro Miese stehen allein aus dem Geschäftsjahr 2015 in den Klinikbüchern. Wie Niessen auf Nachfrage der WESTFALENPOST erklärt, gleicht die Sporthilfe NRW seit zehn Jahren die Defizite aus – dies ist allerdings auch der ursprüngliche Zweck des Trägervereins (siehe Info).

Die von der Sporthilfe in diesem Jahr neu eingesetzte Klinik-Geschäftsführerin Wibke Schandelle erklärt, dass die Entwicklung der letzten Jahre mit den Umstellungen auf Fallpauschalen sowie der Tendenz zu kürzeren Liegezeiten in der Lüdenscheider Klinik verschlafen worden sei: „Bei jeder Gesundheitsreform hat Hellersen sich weggeduckt. Die Liegezeiten haben sich verkürzt, aber die Personalstärke ist gleich geblieben. Ein Luxus, den Hellersen sich nicht mehr leisten wird.“

Der notwendige Neustart sei nicht ohne harte Einschnitte möglich. Von den rund 350 Arbeitsplätzen müssten bis zu 70 abgebaut werden. Entsprechende Gespräche über einen Sozialplan hätten bereits begonnen.

Schandelle selbst nennt den guten Personalstand in der Vergangenheit ein absolutes „Plus der Klinik“. Trotz personeller Verschlankung soll es nun aber aufwärts gehen. Das Ziel lautet, 2018 wieder in der Gewinnzone zu landen und die Klinik langfristig zu sichern. Dann wird sich offenbar die Sporthilfe als Träger zurückziehen. Ob die Klinik in Zukunft als eigenständige Gesellschaft oder in anderer Trägerschaft fortgeführt werden kann, blieb noch offen – und hängt sicher auch vom Erfolg der Neustrukturierung ab. „Wir werden realistisch erst Ende 2017 sagen können, wohin die Reise geht“, sagt Sporthilfe-Vizepräsident Niessen.

Die Top-Operateure allein reichender Klinik zum Überleben nicht

Damit die Rückkehr in die schwarzen Zahlen gelingt, sei ein ganzer Katalog von Maßnahmen erarbeitet und zum Teil schon eingeleitet worden. Während akut Sportverletzte in der Vergangenheit offenbar vorzugsweise mit dem Klinik-Anrufbeantworter vorlieb nehmen mussten, gibt es ab sofort eine Klinik-Hotline, hinter der sich rund um die Uhr ein Mensch um die Belange des potenziellen Patienten kümmern soll. Hellersen geht es also auch um einen Imagewechsel, hin zum Kunden orientierten, aufgeschlossenen Medizin-Dienstleister. In diesem Sinne werde das Angebot für ambulante Nachsorge ausgeweitet und unter anderem der Physiotherapie-Bereich mit neuesten Geräten ausgestattet.

Im Vergleich zum täglichen Operationsgeschäft wird dies aber wohl kaum die notwendigen Millionen in die Kassen spülen. Neben den Schwerpunkten Hüfte und Knie, die noch das Gros der Fallzahlen ausmachen, werde in Zukunft auch der Bereich Endoprothetik für Schulter und Ellenbogen in Angriff genommen. „In Hellersen sind nach wie vor die Top-Operateure“, ist Niessen überzeugt. Auf dem Weg, die Klinik Hellersen wieder fit zu bekommen, sind nun aber auch Top-Kaufleute gefragt.

INFO:
Die Sporthilfe NRW e.V. wurde 1947 gegründet. Ursprünglicher Zweck war die Unterhaltung der Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid.

Die ersten (vier) Sportverletzten wurden vor 70 Jahren, im Oktober 1946, behandelt. Heute hat die Klinik im Jahresschnitt 7000 stationäre Patienten und 30 000, die ambulant behandelt werden.

Der Trend zuletzt rückläufiger Zahlen sei bereits durchbrochen worden. Die Klinikleitung zählte im August 30 Patienten mehr als im Vorjahresmonat.