Karlsruhe (jur). Rügen Patienten eine unzureichende Hygiene im Krankenhaus, müssen sie dies beweisen. Weisen sie allerdings auf besondere Risiken hin, muss das Krankenhaus darlegen, dass es die damit verbundenen Hygienestandards eingehalten hat, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 16. August 2016 entschied (Az.: VI ZR 634/15).

Im konkreten Fall war der damals 36-jährige Patient in Niedersachsen wegen eines sogenannten Tennisarms am Ellenbogen operiert worden. Die Wunde entzündete sich mehrfach neu und wurde dreimal in Nachoperationen wieder geöffnet. Abschließenden Erfolg brachte dies nicht: Der Patient leidet bis heute an Bewegungseinschränkungen und Schmerzen.

Hierfür macht er einen Hygienefehler des Krankenhauses verantwortlich. Er habe mit einem weiteren Patienten im Zimmer gelegen, der eine infizierte Wunde im Kniebereich gehabt habe. Die Wunde sei nicht ausgeheilt, weil die Ärzte den Keim offenbar „nicht in den Griff bekommen“ hätten.

Mit seiner Klage meinte der Patient, das Krankenhaus müsse beweisen, dass es keinen Hygienefehler gegeben habe.

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung gibt es „voll beherrschbare Risiken“, bei denen immer das Krankenhaus oder auch die Arztpraxis darlegen muss, dass es keine Fehler gab. Umgekehrt gibt es Risiken, die mit den „Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus“ verbunden sind. Weil deswegen auch eine fehlerfreie Behandlung im Einzelfall ohne Erfolg bleiben kann, liegt hier die Beweislast für Fehler beim Patienten.

Mit seinem neuen Beschluss stellte der BGH nun klar, dass die Krankenhaushygiene nur zu Teilen zu den „voll beherrschbaren Risiken“ gehört. Dies gelte etwa für die Reinheit der benutzten Desinfektionsmittel, die Sterilität von Infusionsflüssigkeiten oder die Übertragung von Keimen durch das Krankenhauspersonal. „All diesen Fällen ist gemeinsam, dass objektiv eine Gefahr besteht, deren Quelle jeweils festgestellt und die deshalb mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.“

Bei „ungeklärter Infektionsquelle“ liege die Beweislast dagegen zunächst beim Patienten. Im konkreten Fall gehe es um einen Keim, der bei jedem Menschen vorzufinden sei. Er könne daher auch vom Patienten selbst oder von einem Besucher stammen.

Allerdings habe hier der Patient auf seinen Zimmernachbarn mit nicht ausheilender Wunde verwiesen. Ein Sachverständiger habe erklärt, dass er zu einem solchen Patienten keinen Weiteren mit offener Wunde legen würde, dass dies aber nach den geltenden Empfehlungen zulässig sei, wenn erhöhte Hygienestandards eingehalten werden.

Nach dem Karlsruher Beschluss drehen diese Feststellungen des Sachverständigen die „Darlegungslast“ wieder um (sogenannte sekundäre Darlegungslast). Es sei nun Sache des Krankenhauses darzulegen, dass es diese erhöhten Hygienestandards beachtet hat. Dies soll im konkreten Fall nun das Oberlandesgericht (OLG) Celle prüfen.

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