An den Kreisgrenzen wie hier bei Eyach stehen die imposanten Steine mit dem Auerhahn und dem Schriftzug "Landkreis Freudenstadt". Foto: Hopp

Diskussion bekommt durch das knappe Ja der Bad Herrenalber zum Kreiswechsel neue Nahrung. Mit Kommentar

Horb - Kritik und Unkenrufe gegen Horbs Zugehörigkeit zum Kreis Freudenstadt sind nichts Neues. Neue Nahrung bekommt die Diskussion jetzt aber durch das knappe Ja der Bad Herrenalber zum Kreiswechsel. Doch wie realistisch wäre ein Horber Vorstoß?

An den Kreisgrenzen stehen die imposanten Steine mit dem Auerhahn und dem Schriftzug "Landkreis Freudenstadt". Einige von ihnen müssten weggehievt werden, wenn Horb nicht mehr im Landkreis wäre. Der politische Kraftakt wäre wohl ungleich größer. Mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten müssten bei einem Bürgerentscheid ihre Stimme abgeben, damit die Stadt sich bei einem Ergebnis für den Wechsel an den Landtag wenden kann, der über den Landkreis-Wechsel entscheiden muss.

Der Fall Bad Herrenalb

Im Mai hatte in Bad Herrenalb, Kreis Calw, die Bürgerinitiative "Sag Ja zum Landkreis Karlsruhe" über 1800 Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt, damit das Quorum überschritten und bei der Abstimmung im vergangenen Monat mit knapper Mehrheit das Ziel erreicht: Von 6288 Wahlberechtigten stimmten 3706 ab (58,9 Prozent).

Folgende Frage stand auf dem Zettel: "Sind Sie dafür, dass sich die Stadt Bad Herrenalb bei der Landesregierung, den Landtagsfraktionen sowie den Landtagsabgeordneten dafür einsetzt, dass diese eine Gesetzesvorlage in den Landtag einbringen, nach der die Stadt Bad Herrenalb aus dem Landkreis Calw aus- und in den Landkreis Karlsruhe eingegliedert wird?" Die Bürgerinitiative verspricht sich von einem Wechsel eine bessere Anbindung an die Technologieregion Karlsruhe.

Stimme für den Austritt

In Horb stößt FD/FW-Stadtrat Daniel Wochner die Diskussion an. Ihm geht es hauptsächlich um die Kosten der Gesundheitsversorgung. Wochner: "Die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung am Kreiskrankenhaus Freudenstadt ist besorgniserregend.

Mit einem Defizit von circa 7,5 Millionen Euro im Jahr 2015 ist die von der Landkreisverwaltung und der Geschäftsleitung der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt seit Jahren versprochene positive Entwicklung erneut ausgeblieben." Sanierungsversuche seien erfolglos geblieben, die Verluste seien genauso hoch wie zu dem Zeitpunkt der Schließung des Akutkrankenhauses in Horb.

"Die Bevölkerung in Horb wurde damit umsonst von der stationären Versorgung abgehängt, und zahlen soll Horb trotzdem." Laut Wochner muss Horb allein wegen des Defizits der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt zwei Millionen Euro jährlich zusätzlich nach Freudenstadt überweisen.

"In Anbetracht der aktuellen Diskussion um die Budgets der Ortschaftsverwaltung für Erhaltungsmittel zum Erhalt der Infrastruktur ist es geradezu absurd, dass wir auf der einen Seite um Kleinbeträge streiten, auf der anderen Seite im Kreistag notwendige Strukturreformen am Krankenhaus in Freudenstadt nicht vorgenommen werden und damit unser städtischer Haushalt so massiv belastet wird, dass wir zu wenig Bewegungsspielräume für Unterhaltungen und Investitionen haben", argumentiert Wochner.

Der Teilneubau des Krankenhauses werde die Situation nicht verbessern, sondern noch verschlimmern, warnt der FD/FW-Stadtrat.Sein Fazit: "Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob sich die Stadt Horb dieses Krankenhaus oder diesen Landkreis auf Dauer leisten kann. Mit einer Kreisumlage von aktuell 34,8 Prozent liegt der Landkreis Freudenstadt um über zwei Prozentpunkte über dem Landesdurchschnitt von 32,5 Prozent.

Der Landkreis Rottweil liegt in 2016 bei 30 Prozent, selbst Tübingen mit seiner sehr guten Infrastruktur liegt bei lediglich 30,6 Prozent. Das ist ein Unterschied von circa 1,2 bis 1,5 Millionen Euro jährlich für Horb, die wir an Schulen, Kindergärten und anderen Infrastrukturmaßnahmen einsparen müssen. Ein munteres ›Weiter so‹ des Kreistags ist falsch. Wir brauchen andere Entscheidungen des Kreistags oder aber eine mittel- bis langfristige Perspektive, diesen Landkreis verlassen zu können." Wenn nichts anderes helfe, müsse man dem Bad Herrenalber Beispiel folgen, so Wochner.

Gegenstimmen

Gerhard Munding, Vorsitzender der CDU-Fraktion des Horber Gemeinderats, bezeichnet die Idee des Horber Kreisaustritts als "grenzenlosen Unfug". Munding verweist auf den grün-schwarzen Koalitionsvertrag, in dem festgelegt ist, dass es in dieser Legislaturperiode keine Änderung von Gebietsgrenzen geben wird. Damit sei auch die Bildung von Groß-Kreisen, wie sie in der Vergangenheit diskutiert wurde, vom Tisch. "Deshalb wird auch die Entscheidung in Bad Herrenalb ins Leere laufen", glaubt er. Aus seiner Sicht seien zudem die Alternativen Horbs fragwürdig: "Wo sollte Horb denn hin? Nach Tübingen etwa? Auch in Rottenburg wurde das Krankenhaus zugemacht."

Mundings weiteres Argument gegen einen Kreiswechsel bezieht sich auf die Horber Verwaltungsgemeinschaft mit Empfingen und Eutingen: "Die Gemeinden müsste man in eine Entscheidung einbeziehen. Das ist auch in Bad Herrenalb der Fall, wo es eine Verwaltungsgemeinschaft mit Dobel gibt." Mundig befürchtet, dass man im Fall des Horber Kreisaustritts die Verwaltungsstruktur total umkrempeln müsste. "Das zu realisieren, ist ein reines Fantasiegebilde."

Sein Ratskollege Thomas Mattes, Fraktionsvorsitzender der SPD, sieht das ähnlich. Er verurteilt die Idee des Horber Kreisaustritts als "billigen Populismus". Auch Mattes hält den Vorschlag für nicht realistisch. Der Landtag und die Landesregierung müssten sich mit dem Antrag befassen, "und ich sehe keine Chance, dass der Landtag dem zustimmt." Allein schon wegen der Kettenreaktion, die das bei anderen Städten auslösen würde.

In den Kreisen Tübingen und Rottweil wäre Horb jeweils am Rand des Kreisgebiets. Auch mit Bezug auf die Krankenhaus-Problematik sieht Mattes die Wechseldiskussion als "irreal". Denn auch in den Nachbarkreisen gebe es dieselben Probleme mit Krankenhausschließungen. "Ich bin nicht mit allem einverstanden, was die Entwicklung des Medizinischen Versorgungszentrums in Horb angeht. Da ist Kritik durchaus angebracht. Aber das ist noch kein Grund, deshalb einen Landkreiswechsel ins Auge zu fassen."

Meinung der Landkreise

Politischer Gegenwind auf Landesebene kommt von den Landkreisen. Wie der SWR berichtete, forderte Landkreistagspräsident Joachim Walter (CDU) auf der Landkreisversammlung in Reutlingen das Land auf, den Bürgerentscheid zum Kreiswechsel nicht umzusetzen. "Wir sind alle fest der Überzeugung, dass die Kreisstrukturen so wie sie sind gut sind. Das Land ist gut beraten, nicht an der Stelle ein großes Fass aufzumachen." Der Wechsel von Bad Herrenalb wäre ein Präzedenzfall. "Man muss sich darüber im Klaren sein, dass so etwas Signalfunktion haben kann", wird Walter im SWR zitiert.

Horber Situation

Doch auch Horb mit seinen Teilorten müsste – im fiktiven Fall des Kreiswechsels – ein großes Fass aufmachen. Während Schul- oder Krankenhausbesuche auch über Kreisgrenzen hinweg möglich sind, stellt sich bei anderen Verflechtungen die Frage, wie man vorgeht: Was wird mit den kreiseigenen Schulen in Horb und der Kreis-Volkshochschule? Und wie geht man mit dem Kreisstraßennetz um?

Zu der bereits erwähnten Frage der Verwaltungsgemeinschaft mit Empfingen und Eutingen kommt noch die Meinung der Ortsteile. Insider halten es für möglich, dass ein Kreisaustritts-Entscheid die Stadt politisch auseinanderreißen würde. Unsere Redaktion hat auch die Stadtverwaltung zu dem Thema angefragt. Sie wird in Kürze dazu Stellung nehmen.

Kommentar: Erst mal reden

Von Christof Schülke

Ja oder Nein? Nach diesem Raster lässt sich momentan die Frage, ob Horb dem Bad Herrenalber Beispiel folgen und den Austritt aus dem Kreis Freudenstadt in die Wege leiten soll, nicht beantworten. Die ins Ungewisse steigenden Gesundheitskosten sind natürlich ein gewichtiger Grund, dem Landratsamt immer wieder auf den Zahn zu fühlen. Aber wer ernsthaft den Austritt Horbs aus dem Kreis betreiben will, der muss noch viele andere Zusammenhänge ansprechen. Vor allem: Wo, wenn nicht bei diesem Thema, ist breite Bürgerbeteiligung geboten. Aber auch das Verhältnis Horb-Freudenstadt inklusive Liebäugeln mit Tübingen – wie kommt das in Altheim, Betra oder Dettlingen an? Überhaupt ist in den Ortsteilen bislang noch nicht stark an der Kreiszugehörigkeit gerüttelt worden. Sie werden dann vielleicht eher fragen: Wollen wir eigentlich bei Horb bleiben?