Kantonale Psychiatrie soll zur AG werden

Wie viel Staat braucht es im Gesundheitswesen? Möglichst viel, findet die Linke. Im Kantonsrat war sie damit am Montag chancenlos. Das Gefecht verlegt sie deshalb nun auf die Strasse.

Jan Hudec
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Der Zürcher Kantonsrat votiert klar für die Verselbständigung der Integrierten Psychiatrie Winterthur-Zürcher Unterland. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Der Zürcher Kantonsrat votiert klar für die Verselbständigung der Integrierten Psychiatrie Winterthur-Zürcher Unterland. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Das «System Heiniger»: So bezeichnete der «Landbote» kürzlich die Strategie des Zürcher Gesundheitsdirektors, die Spitäler des Kantons zu verselbständigen. In einer Marathonsitzung debattierte der Kantonsrat vor einem Monat über die Umwandlung des Kantonsspitals Winterthur (KSW) in eine Aktiengesellschaft. Am Montag nun kam die Integrierte Psychiatrie Winterthur-Zürcher Unterland (IPW) an die Reihe. Auch sie soll zu einer AG werden und längerfristig vom Kanton verkauft werden. Trotz der Bedeutung des Vorhabens war die Ratssitzung fahrig. Im Saal war ein grosses Ein-und-aus-Gehen, und zweimal stimmten Teile des Parlaments anders als eigentlich beabsichtigt, was sie dann per Rückkommensantrag korrigierten. Anfang und Ende aber waren feurig. Immerhin wurde darüber gestritten, ob nur der Staat eine hochwertige Gesundheitsversorgung garantieren könne oder ob das Private ebenso gut könnten.

«Ethisch fragwürdig»

Für die Linke geht die Entwicklung in die komplett falsche Richtung. Markus Späth (sp., Feuerthalen) sagte es so: «Aktiengesellschaften sind per se gewinnorientiert. Die Folge ist ein ineffizientes und ethisch höchst fragwürdiges Gesundheitswesen.» Dabei könne die SP nicht mitmachen. Das Referendum sei schon vorbereitet für den Tag der Schlussabstimmung, die in einem Monat ansteht. Die Linke will das Vorhaben wie beim KSW in einer Volksabstimmung bekämpfen. Die wesentlichen Befürchtungen der linken Parteien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Weil private Spitalbetreiber nach Profit streben würden, bauten sie lukrative Leistungen aus und strichen Angebote, die sich für sie nicht lohnten. Auch kämen die Löhne der Angestellten unter Druck, und letztlich drohe auch eine Zweiklassenmedizin, denn privat versicherte Patienten spülten mehr Geld in die Kassen.

Gerade die Psychiatrie sei ein besonders heikles Feld, konstatierte Kaspar Bütikofer (al., Zürich). Jede Erkrankung sei individuell und entziehe sich damit der Standardisierung, wie sie im Akutspital eher möglich sei. «Die Ökonomisierung der Psychiatrie ist deshalb der falsche Weg.»

Die Bürgerlichen hingegen sehen keinen Grund zur Panik. Der Einfluss des Kantons sei gross, egal, wer ein Spital betreibe. «Der Kanton stellt die Grundversorgung sicher, indem er bedarfsgerechte Leistungsaufträge erteilt», sagte Nadja Galliker (fdp., Eglisau). Damit habe er genug Möglichkeiten zur Steuerung. Daniel Häuptli (glp., Zürich) ergänzte, dass auch weniger lukrative Behandlungen keineswegs gefährdet seien: «Die SBB sind auch eine AG und betreiben trotzdem auch defizitäre Strecken – weil der Bund es so bestellt.» Für Markus Schaaf (evp., Zell) ist es fehl am Platz, «das Schreckensgespenst der Privatisierung heraufzubeschwören». Die IPW solle lediglich flexibler werden, etwas rascher Kooperationen eingehen können oder auch im Baubereich nicht den langsam mahlenden Mühlen der Verwaltung ausgeliefert sein. Zudem gelte es, den Rollenkonflikt des Kantons zu lösen, der sich als Betreiber selbst beaufsichtigen muss.

Gute Erfahrung mit Privaten

Regierungsrat Thomas Heiniger schliesslich bestritt, dass private Betreiber insbesondere in der Psychiatrie problematisch seien. «Die Erfahrung zeigt das Gegenteil.» So erbrächten das Sanatorium Kilchberg und die Clienia-Privatklinik Schlössli gute und wichtige Leistungen für den Kanton. Andreas Daurù (sp., Winterthur) führte dagegen ins Feld, dass es in Deutschland zur Verschlechterung der Versorgung in Kliniken gekommen sei, die von Privaten übernommen worden waren. Heiniger entgegnete: «Wir sind hier aber nicht in Deutschland.» Die Situation in Zürich sei grundlegend anders, weil es hier die Aufgabe des Kantons sei, die Gesundheitsversorgung zu steuern.

Wenig überraschend wurde der Antrag der Linken, das Geschäft an den Regierungsrat zurückzuweisen, schliesslich deutlich mit 120 zu 53 Stimmen abgelehnt (Details siehe Kasten).