Aus dem Kantonsspital soll ein Privatspital werden

Im Aargau, aber auch in Zürich wird über einen Verkauf der Kantonsspitäler nachgedacht.

Erich Aschwanden
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Adrian Schmitter, CEO Kantonsspital Baden. (Bild: PD)

Adrian Schmitter, CEO Kantonsspital Baden. (Bild: PD)

Der Stein, den Adrian Schmitter ins Wasser warf, hat im schweizerischen Gesundheitswesen ordentlich Wellen geschlagen. «Ich wüsste nicht, warum der Kanton Spitäler besitzen muss. Das Gesetz macht zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Spitälern keinen Unterschied mehr», erklärte der CEO des Kantonsspitals Baden vor kurzem in der «Aargauer Zeitung». Noch vor wenigen Jahren wäre ein solcher Vorschlag einem Sakrileg gleichgekommen, doch heute darf Schmitter zufrieden feststellen, dass er viele positive Reaktionen entgegennehmen konnte.

Dass die Frage einer vollständigen Privatisierung der Kantonsspitäler aufs Tapet kommen wird, war für Schmitter bereits absehbar, als er 2002/03 die Verselbständigung der Aargauer Spitäler in die Wege leitete, damals noch als Generalsekretär im Departement Gesundheit und Soziales. Im Rahmen der 2012 in Kraft getretenen neuen Spitalfinanzierung sind derzeit alle Kantone daran, ihre Krankenhäuser zu verselbständigen. Doch allein mit der Umwandlung (häufig in Aktiengesellschaften mit dem Kanton als Mehrheitsaktionär) gibt es noch nicht mehr Wettbewerb im schweizerischen Gesundheitswesen.

Heikle Mehrfachrolle

«Im neuen System sehen sich die Kantone in einer Mehrfachrolle, die sie durchaus auch missbrauchen», stellt der Gesundheitsökonom Heinz Locher fest. So vergeben die Kantone Leistungsaufträge, erlassen die Gesetze, genehmigen die zwischen Leistungserbringern und Krankenversicherern ausgehandelten Tarife und sind als Mehrheitsaktionär Eigentümer der Kantonsspitäler. Vor allem bei der Tarifgenehmigung führt dies immer wieder zu Streitigkeiten. «Eine Trennung der verschiedenen Funktionen ist daher dringend nötig», davon ist Locher überzeugt.

Ein Verkauf der Aktien und damit eine Privatisierung ist ein möglicher Weg. So weit ist man beim Kantonsspital Winterthur noch nicht. Doch die Regierung will die Klinik in eine AG überführen. Zwei Jahre soll sie im Besitz des Kantons Zürich bleiben. Danach kann er Aktien an Dritte verkaufen. Tritt er die Mehrheit der Aktien ab, muss der Kantonsrat seine Zustimmung geben. Per fakultatives Referendum käme der Verkauf wohl vors Volk. Der Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger erklärte, dies sei letztlich auch das Ziel (NZZ 19. 12. 14). Nur wenn der Kanton die Spitäler ganz aus der Hand gebe, lasse sich das Problem der Mehrfachrolle vollständig lösen. Dass die Privatisierungsdebatte ausgerechnet in den Kantonen Zürich und Aargau angerissen wird, ist kein Zufall. Ebenso wie etwa der Kanton Bern setzen sie die Neuordnung der Spitalversorgung konsequent um und schaffen so keine marktmächtigen Spitalgruppen auf ihrem Gebiet.

Unabhängig von den Äusserungen Schmitters steht im Aargau eine Klärung der Lage an. Im vergangenen Sommer hat der Regierungsrat nämlich die «Gesundheitliche Gesamtplanung 2025» in die Anhörung geschickt. Darin sollen «die langfristigen Ziele durch eine geeignete strategische Positionierung in der zunehmend wettbewerbsorientierten Spitallandschaft» definiert werden. Voraussichtlich im vierten Quartal will die Regierung den überarbeiteten Bericht zuhanden des Parlaments verabschieden. Für SVP, FDP und CVP ist die Privatisierung der Kantonsspitäler im Aargau kein Schreckgespenst, sondern muss ernsthaft geprüft werden, wie sie nach dem Bekanntwerden von Schmitters Vorschlag signalisierten.

Für SP und Grüne ist schon die Verselbständigung der falsche Ansatz, und eine vollständige Privatisierung kommt für sie keinesfalls infrage. Die Linke befürchtet den Abbau von medizinischen Leistungen, die sich für das Spital nicht rentieren, schlechtere Arbeitsbedingungen für das medizinische und Pflegepersonal sowie generell eine weitere Verteuerung des Gesundheitswesens. Bürgerliche Politiker kontern, der Kanton bestimme weiter das Angebot über den Leistungsauftrag. Auch sei das Personal in privaten Kliniken nicht schlechtergestellt als in öffentlichen.

Alte Form, neu entdeckt

Gesundheitsökonom Locher kann gewisse Vorbehalte gegen eine völlige Privatisierung verstehen. So die Angst, dass etwa ein Kantonsspital in die Hand einer ausländischen Klinikgruppe gelangen könnte. «Der Staat könnte seine Aktien in eine gemeinnützige Stiftung einbringen. Der Stiftungszweck müsste dann so formuliert werden, dass die Spitäler mehr unternehmerische Freiheiten erhalten», schlägt der Experte deshalb vor. Über die Stiftungsaufsicht würde sichergestellt, dass weiterhin gemeinwirtschaftliche Leistungen erbracht werden. Dieses Modell ist nicht neu, sondern eigentlich altbekannt. So ist das 1354 gegründete Berner Inselspital eine Stiftung , die seither bestens funktioniert. Einziger Schönheitsfehler ist gemäss Locher, dass die Regierung den Verwaltungsrat der Klinik wählt.