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Ärzte sollen zurück ans Krankenbett

Seit 2014 der operative Chef des Berner Inselspitals: Holger Baumann aus Hannover.

«Wir haben einen Dokumentationswahn entwickelt», sagt Holger Baumann in einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit». Der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Insel Gruppe bedauert, dass man es in der Schweiz bisher nicht geschafft habe, Ärzte wie Pflegepersonal von «nicht produktiven administrativen Tätigkeiten zu entlasten.»

Baumann ist der Meinung, dass medizinisches Personal in Spitälern wieder mehr Zeit am Krankenbett verbringen sollte statt am Computer: «Ich kann mir vorstellen, dass administrativ geschulte Leute den Arzt auf seiner Visite begleiten und an seiner Stelle notieren und dokumentieren. Damit die Leute, die wir für Hunderttausende von Franken zu Ärzten ausgebildet haben, vernünftiger eingesetzt werden.» Gleichzeitig brauche es auch clevere EDV-Lösungen und «den Mut, nur das Wesentliche zu dokumentieren.»

Forderung nach mehr Risiko

Mut zum Risiko, das ist etwas, das den Schweizern grundsätzlich fehle, findet Holger Baumann. Der 58-Jährige aus Hannover, der vor rund zwei Jahren die operative Leitung des Inselspitals übernommen hat, sagt im Interview, er habe «noch nie so viele Absicherungsmechanismen erlebt wie hier.» Das sei einer der Unterschiede zwischen Deutschen und Schweizern: Hierzulande überlege man sich bei einem Projekt nicht nur einen Plan B, sondern auch einen Plan C und D. «Das macht die Sache langsamer.» Und unnötig teurer.

Baumann gesteht aber auch, dass er selbst nicht gefeit sei vor dieser schweizerischen Mentalität: «Ich ertappe mich dabei, dass ich häufiger als früher Absicherungsaspekte in Diskussionen einfliessen lasse.» Das liege daran, dass sich jeder Mensch in eine Organisation einpassen müsse, ob Deutscher oder nicht.

Qualitätsanspruch

Baumann äussert sich im Interview auch zur erfolgten Spitalfusion im Kanton Bern: «Eigentlich darf es nur um eines gehen, um Qualität, sprich: die beste medizinische Versorgung.» Und diese könne mit einer Spezialisierung der Standorte am einfachsten gewährleistet werden. Denn: Man könne heute nicht erwarten, überall gleich gut behandelt zu werden. «Man kriegt lokal das Beste, was möglich ist, aber nicht unbedingt den Experten, den man vielleicht brauchte, der aber an einem anderen Ort sitzt.»

In Baumanns Vision würden zum Beispiel im Inselspital keinen entzündeten Blinddärme mehr behandelt. «Die Grundversorgung wird künftig kaum mehr an den Universitätsspitälern stattfinden. Das ist viel zu teuer.» Für den Patienten bedeutet dies zwar, dass er vielleicht nicht im Spital seiner Region behandelt wird. Dennoch winke ihm mit einer Vernetzung der Spitäler auch Vorteile: Man werde «nur noch einmal mit administrativem Kram belästigt», das Dossier auf elektronischem Weg weitergeleitet.

Online Check-in?

Baumann könnte sich sogar vorstellen, dass man die Aufnahme zuhause am Computer vornehmen könnte. Das heutige Vorgehen empfindet er als veraltet. «Wir müssen neue Dinge versuchen», unterstreicht er noch einmal die Forderung nach mehr Innovation. Am besten würde man die Patienten gleich bei sich zuhause abholen. Ganz abgelegt hat er seine deutsche Mentalität also doch noch nicht.