Gekündigtes Personal der Median-Kliniken berät sich bei einer Betriebsversammlung über rechtliche Schritte
Mitarbeiter sollen Anwälte einschalten
Bad Oeynhausen (WB). Manuel-Patrick Vaeßen (36) kann es noch nicht fassen: Am Donnerstag hat der Krankenpfleger per Kurier seine Entlassung von der Median-Weserklinik erhalten. Seine Wut ist gestiegen: »Bis Ende Juni darf ich mir keine neue Arbeit suchen.«
Am Freitag nahm Manuel-Patrick Vaeßen zusammen mit insgesamt 170 Kolleginnen und Kollegen an der Betriebsversammlung in der Median-Weserklinik teil. Wie mehrfach berichtet, haben 139 Mitarbeiter ihre Kündigung erhalten, weil das Haus zum 30. Juni schließen wird. Zwar sind auch 48 Mitarbeiter in der Klinik am Park betroffen, diese Einrichtung wird aber nicht geschlossen.
»Hände gebunden«
Auch nach zweieinhalb Stunden ist die Fassungslosigkeit bei Manuel-Patrick Vaeßen aus Porta Westfalica noch spürbar. Seit fünf Jahren war der Krankenpfleger in der Weserklinik beschäftigt. Nun hat er die Kündigung schwarz auf weiß. Doch der Ärger geht aus seiner Sicht weiter. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni ist er freigestellt. Bei »Konkurrenzunternehmen«, so ist in dem Schreiben formuliert, darf er aber nicht arbeiten, denn »anderweitiger Verdienst« wird auf die vertragliche Vergütung innerhalb der Kündigungsfrist angerechnet. »Damit sind mir die Hände gebunden. Was soll ich machen, wenn ich vorher woanders eine Stelle finde?«, fragt sich Manuel-Patrick Vaeßen.
Fehler bei Kündigungen
Auch Walburga Erichsmeier vom Verdi-Bezirk Herford-Minden-Lippe nahm an der Betriebsversammlung teil. Sie kritisiert vor allem Fehler bei den Kündigungen, die der Arbeitgeber aus Sicht der Gewerkschaft gemacht habe. »Ich habe diesbezüglich selten ein so unvorbereitetes Unternehmen gesehen«, sagte Walburga Erichsmeier. Zu den Fehler gehört beispielsweise, dass auch Mitglieder des Betriebsrates Kündigungen erhalten haben sollen. Auch seien Mitarbeiter entgegen eigentlicher Sozialauswahl betroffen. »Ihnen hätte zum Beispiel wegen der Zahl ihrer Kinder oder des monatlichen Unterhaltes nicht gekündigt werden dürfen«, sagte Walburga Henrichsmeier.
Zu einer Stellungnahme war Andreas Finkel, Geschäftsbereichsleiter Nord-West bei Median, am Freitagnachmittag nicht mehr erreichbar.
Behinderte betroffen
Fehler sieht auch Betriebsratsmitglied Jürgen Masloke, der als Schwerbehindertenvertreter 16 von der Kündigung betroffene Kollegen begleitet. Aus seiner Sicht habe es der Arbeitgeber versäumt, die Meldung beim Integrationsamt vorzunehmen. Vier Wochen hätte das Amt eigentlich Zeit zur Prüfung gehabt, bevor der Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertreter nochmals eingeschaltet worden wären. »Die Sache wird mit einem Anwalt vor Gericht gehen«, sagte Masloke.
Fristen einhalten
Rechtliche Schritte empfiehlt unterdessen Betriebsratsvorsitzender Roland Thomae. »Jetzt ist es ganz wichtig, die Frist für eine Kündigungsschutzklage einzuhalten«, sagte Thomae. Die Frist zum Einreichen der Klage endet spätestens drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung. Wird sie zugelassen, kann ein Arbeitsgericht die rechtliche Grundlage einer Kündigung prüfen.
Unterdessen laufen die Verhandlungen zu einem Sozialplan weiter. »Noch gibt es diesen nicht«, sagte Thomae. Vorerst gebe es einen sogenannten Interessenausgleich, aus dem aber keine rechtlichen Ansprüche, etwa der Mitarbeiter, abgeleitet werden können. Doch der Sozialplan soll laut Betriebsrat unbedingt her: Ein nächstes Treffen mit dem Arbeitgeber ist für Mittwoch, 20. April, vorgesehen.
»Gespenstisch«
Von einer »gespenstischen Stimmung« sprach eine 51-jährige Mitarbeiterin, die namentlich nicht genannt werden möchte. 17 Jahre war sie in der Weserklinik beschäftigt. Zuletzt arbeitete die Krankenpflegerin in der Neurologie. Schon deutlich vor dem 1. April, dem Datum der Schließung der Weserklinik, habe es dort leere Stationen gegeben. »Schon an Ostern war auf Station sieben nichts mehr los«, sagte die 51-Jährige.
Als schwierig sehen viele Mitarbeiter ihre eigentlich erfreuliche Situation, nicht von einer Kündigung betroffen zu sein. »Trotzdem kann ich mich aber nicht freuen. Wie auch, wenn ich weiß, dass viele meiner Kollegen nicht bleiben können«, sagte ein Mitarbeiter, der ebenso namentlich nicht genannt werden möchte. Seinen Dienst kann er vorerst weiter ausüben – mit merkwürdigem Umstand: »Ich muss mich jedes Mal zuerst bei einem Sicherheitsdienst anmelden. Der prüft, ob ich überhaupt berechtigt bin, hier zu arbeiten.«