"Lassen Sie uns diese Herausforderung gemeinsam angehen": Michael Bitzer, Ärtzlicher Direktor des Zollernalb-Klinikums, wirbt in der Kreistagssitzung eindringlich für den Bau eines Zentralklinikums an einem neuen Standort. In der Balinger Stadthalle wurden am Montag mehrere Klinik-Varianten vorgestellt. Foto: Maier

Krankenhausdebatte: Mehrere Optionen im Kreistag vorgestellt. Zwei Standorte langfristig nicht haltbar. Mit Kommentar

Zollernalbkreis - Die Diskussion um die Zukunft des Zollernalb-Klinikums ist seit Montagabend auch offiziell eröffnet. Im Kreistag wurde das Gutachten mit Varianten für die Häuser in Albstadt und Balingen vorgestellt – eine davon ist der klare Favorit, auch der Ärzte des Krankenhauses: der Neubau eines Zentralklinikums an einem neuen Standort.

Besonders eindringlich warb Michael Bitzer, Ärtzlicher Direktor des Klinikums, der namens der Chefärzte und der Geschäftsführung sprach, für diese Variante. Eine Zentralisierung biete Patienten zahlreiche medizinische Vorteile, dadurch werde das Klinikums zudem fit gemacht für die Herausforderungen des demographischen Wandels. Die Bündelung der Ressourcen an einem Standort mache bislang teure Doppelstrukturen überflüssig, zudem könne laut Bitzer nur mit einem Zentralklinikum langfristig qualifiziertes Personal gewonnen werden und damit die medizinische Versorung im Zollernalbkreis gesichert werden. Die Beibehaltung der derzeitigen zwei Standorte in Albstadt und Balingen sei "medizinisch falsch", so Bitzer, ebenso die Zentralisierung am Standort Balingen, weil damit wohl die Klinik in ihrer Existent bedrohende Fallzahlverluste aus dem Raum Albstadt verbunden wären.

Eine Zentralklinik "auf der grünen Wiese" – im Gespräch ist ein Areal zwischen Albstadt und Balingen – sei die einzige Option, so Bitzer, die die medizinischen Bedürfnisse der Zukunft erfüllen würde. "Lassen Sie uns diese Herausforderung gemeinsam angehen", sagte Bitzer. Für seine klaren, politisch ungeschminkten Worte erhielt er in der Balinger Stadthalle viel Applaus – nicht nur von Kreisräten, sondern auch aus den Reihen der rund 150 Zuhörer, darunter viele niedergelassene Ärzte sowie Vertreter der Bürgerinitiative Pro Krankenhaus Albstadt, die vor Beginn der Sitzung mit Plakaten und Handzetteln erneut auf ihr Anliegen – Erhalt der beiden Standorte, insbesondere jenem in Albsatdt – geworben hatten.

Das Gutachten, das der Kreistag im Juli 2015 in Auftrag gegeben hatte, stellten Werner Alber und Ivo Koch vom Tübinger Büro Teamplan vor. So eindeutig wie Bitzer wollten sie keine Bewertung abgeben, vielmehr stellten sie trocken und sachlich die Vor- und Nachteile der vier Varianten vor: Beibehaltung der beiden Häuser, Verlagerung der Allgemein- und Viszeralchirurgie von Albstadt nach Balingen bei Beibehaltung beider Standorte, Neubau des Zentralklinikums in modularer Bauweise sowie Zentralisierung am derzeitigen Krankenhausstandort in Balingen.

Ergebnis: Finanziell am teuersten, aber als einzige Variante auf lange Sicht medizinisch und wirtschaftlich die beste für den Zollernalbkreis ist nach Darstellung der Gutachter von Teamplan der Neubau des Zentralklinikums. Dieses würde nach einer groben Schätzung rund 173 Millionen Euro kosten (man darf also wohl getrost von mindestens 200 Millionen ausgehen). Errichtet würde es in zwei Abschnitten: Nach Vorstellung der Gutachter könnten die Planungen für das erste Modul 2018 beginnen, bis 2022 wäre dieses betriebsbereit – zunächst umziehen und anschließend geschlossen würde das Krankenhaus in Albstadt. Das zweite Modul, gedacht für die Abteilungen aus Balingen und weitere, könnte ab 2036 angegangen werden. Das neue Zentralklinikum könnte also etwa im Jahr 2040 fertig sein.

Das derzeitige Zwei-Häuser-Modell ist nach Meinung der Gutachter auf Dauer wirtschaftlich nicht tragfähig, auch medizinisch mache es eigentlich keinen Sinn, ebensowenig wie die Verlagerung einzelner Abteilungen. Grundsätzlich seien zwei Krankenhäuser im Kreis immer mit einer unnötigen Doppelstruktur zentraler Bereiche verbunden. Auch ein Zentralklinikum in Balingen sehen die Gutachter sehr kritisch: Zum einen müsste für die Aufnahme der medizinischen Bereiche, die derzeit in Albstadt angesiedelt sind, jeder Quadtatmeter genutzt werden, künftige – wohl notwendige – Erweiterungen seien am Balinger Standort dann nicht mehr möglich.

Das gesamte Konzept gibt es unter diesem Link.

Kommentar: Zukunftschance

Von Steffen Maier

Nun heißt es: Butter bei die Fische. Die Kreispolitiker stehen vor einer großen Aufgabe. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob sie diese als Chance sehen – oder ob ihnen, wie vor zehn Jahren schon einmal, der Mut fehlt. Auch damals stand die Variante eines Zentralklinikums im Raum. Stattdessen wurde mit der Schließung des Hechinger Krankenhauses und der Beibehaltung der beiden Standorte in Albstadt und Balingen eine, wie die Gutachter es heute sehen, auf lange Sicht nicht tragfähige Struktur erhalten. Aus dieser Erfahrung sollte das Kreisgremium klug werden. Wenn es wirklich dazu kommt, dann wäre das neue Zentralklinkum auch psychologisch ein guter Kompromiss: Weder Balingen noch Albstadt würde benachteiligt oder bevorzugt. Sicher: Beide Städte würden ihr Krankenhaus verlieren. Aber der ganze Kreis würde durch den Neubau gewinnen.