Kritik an den Gutachten und an einem möglichen neuen Zentralklinikum äußert Peter Schieron. Er befürchtet, dass der Neubau durch Personalabbau finanziert werden solle. Foto: Maier

Beim Infoabend über Krankenhaus-Gutachten in Tailfingen sparen die Bürger nicht mit Kritik und Ironie.

Zollernalbkreis - Dass medizinische Versorgung nicht dem Renditegedanken untergeordnet werden dürfe, war Tenor der Wortmeldungen nach der ersten Vorstellung der Krankenhaus-Gutachten am Mittwochabend. Rund 400 Zuhörer waren dabei.

"Der Dialog mit der Bürgerschaft ist mir sehr wichtig." Mit dieser Aussage startete Landrat Günther-Martin Pauli, flankiert vom Albstädter Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, in den Infoabend in der Tailfinger Zollernalbhalle, wo "Teamplan" und "Ernst & Young" (EY) ihre Krankenhausgutachten – verfasst im Auftrag des Kreistags respektive der Stadt Albstadt – vorstellten.

Zuvor hatte Pauli 33 355 Unterschriften von der "Bürgerinitiative pro Krankenhaus in Albstadt" entgegengenommen – verbunden mit dem Wunsch nach sachlicher, konstruktiver Diskussion.

Die nüchterne Präsentation der Gutachten war eine gute Basis dafür – bis Werner Alber und Ivo Koch von "Teamplan", Frank Jungblut, Martina Pfeil, Katrin Thies und René Morar von EY geendet und Bürger am Mikrofon das Wort hatten, wo sich durchweg Albstädter zu Wort meldeten.

"Dürfen wir nur noch sprechen über die Anpassung an die zunehmende Kommerzialisierung im Gesundheitswesen?", fragte Christiane Kasprik. "Müssen wir kränker werden, damit das Krankenhaus sich lohnt? Bitte ordnen Sie nicht alles der Kostenfrage unter! Gesundheit ist keine Ware", appellierte sie an Pauli und die Kreisräte.

Peter Schieron, Betriebsrat im Zollernalb-Klinikum, wies darauf hin, dass sich auch die Entscheidung für zwei Standorte vor zehn Jahren auf ein Gutachten gestützt habe, und äußerte den Verdacht, "dass die positiven Zahlen eines Zentralklinikums durch Personalabbau finanziert werden sollen". Gegen den Vorwurf, etwas schöngerechnet zu haben, verwehrte sich Jungblut entschieden, und Pauli kommentierte, dass Politik mit Betrachtung der Realität beginne: "Das Sozialministerium hat 2015 gefordert, ein zukunftsfähiges Medizinkonzept vorzulegen. Gefälligkeitsentscheidungen rächen sich."

Frank Hipp, Vorsitzender des Klinik-Betriebsrats, betonte, dass das Team es geschafft habe, 2000 der 3000 nach der Schließung der Hechinger Klinik verlorenen Fälle durch Qualität zurückzuholen. "Das Balinger Krankenhaus wurde 2015 eingeweiht und wird nach fünf Monaten bewertet. Davon wird eine Entscheidung abhängig gemacht, die über Jahre die öffentliche Daseinsvorsorge im Zollernalbkreis betrifft." Für die Steigerung der Fallzahlen zollte Pauli Ärzten und Pflegepersonal Lob, entgegnete aber auch: "Neue Chefärzte gewinnen wir mit dieser Struktur nicht mehr. Bereits in den 1970er Jahren haben Fachleute ein Zentralklinikum gefordert. Man hatte bisher nicht den Mut zu dieser Entscheidung – dafür zahlen wir jetzt das Lehrgeld."

Hipp legte nach: "Heute habe ich im Ebinger Krankenhaus Betten auf dem Flur gesehen", und die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten werde aufgrund der Demografie steigen – Hipp befürchtet angesichts der von EY vorgeschlagenen Reduzierung der Bettenzahl in einem Zentralbau noch mehr Flurbetten und sinkende Zufriedenheit.

Bernhard Schmidt verwies auf den Bürgerwillen, zum Ausdruck gebracht durch 33 355 Unterschriften, und die gesellschaftliche Leistung, die im Balinger Neubau stecke. "Es ist ein Trugschluss, dass jemand die Klinik auf schwarze Zahlen trimmen will", konterte Pauli. "Aber wir können nicht zuschauen, wie die Defizite so groß werden, dass wir sie nicht mehr finanzieren können und die Lichter ganz ausgehen." Damit spielte auf das Ergebnis der Gutachten an, dass nur mit einem Zentral-Neubau eine schwarze Null im operativen Betrieb zu erreichen sei.

Auf die 90 Millionen Euro an Steuergeldern, die für den Balinger Neubau "verschleudert" wären im Fall einer Schließung, spielte Kurt Moosmann an und fragte: "Ist das juristisch erlaubt? Und woher wissen Sie, dass ein Zentralklinikum tatsächlich schwarze Zahlen schreiben wird?" Pauli blieb ruhig: "Wir haben nicht 90 Millionen in den Sand gesetzt, sondern für die Menschen ein gutes Krankenhaus geschaffen. Aber wir müssen weiter denken, weil sich die medizinische Versorgung dynamisch entwickelt, und der Standort Grüne Wiese bietet viel mehr Optionen."

Thomas Voelter befürchtet, dass Patienten mit Absenkung der Bettenzahl "noch schneller durchgeschleust" würden. "Das hat mit Zukunftsfähigkeit nichts zu tun, und das Personal ist heute schon am Rand der Erschöpfung." Und überhaupt: Man ordne sich "diesem wirklich nicht menschenfreundlichen Kurs im Gesundheitswesen unter."

Mit einem humoristischen Vorschlag kam Peter Rojek von Berg, Arzt an der Acura-Klinik, ans Mikrofon: "Bauen Sie ein Zentralklinikum in Tübingen und die Verkehrswege besser aus. Und wann kommt endlich das Zentral-Rathaus auf der Grünen Wiese?"