Klinik-Pläne der Stadt:Fünf Jahre Zeit für einen neuen Job

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Mitarbeiter, die bei der Sanierung des städtischen Klinikums überflüssig werden, fängt die Stadt in einer Qualifizierungsgesellschaft auf

Von Dominik Hutter, München

Allmählich wird es konkret mit der Sanierung des städtischen Klinikums - da baut das Rathaus schon einmal vor, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Rund 600 nicht mehr benötigte Mitarbeiter, die genaue Zahl steht noch nicht fest, sollen für maximal fünf Jahre in einer sogenannten Qualifizierungseinheit unterkommen, in der Weiterbildungsangebote die Vermittlung auf andere Stellen im Klinikum, bei der Stadt oder bei kommunalen Unternehmen ermöglichen. Für die Stadt kann das teuer werden: Kämmerer Ernst Wolowicz rechnet mit Kosten zwischen 35 und 103 Millionen Euro - je nachdem, wie viele das Angebot in Anspruch nehmen. Mitmachen ist Pflicht: Wer noch keinen neuen Job hat und sich trotzdem dem Wechsel in die Transfergesellschaft widersetzt, wird betrieblich gekündigt.

Das schon länger diskutierte Thema steht am Dienstag auf der Tagesordnung des Finanzausschusses. Die Zustimmung zu den Plänen der Kämmerei gilt als sicher, im Vorfeld haben ausführliche Gespräche stattgefunden. Ein "extrem faires Angebot" sei das, schwärmt CSU-Gesundheitssprecher Hans Theiss. Die Stadt nehme viel Geld in die Hand, um betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Auch SPD-Stadtrat Horst Lischka, ein engagierter Gewerkschafter, ist zufrieden mit dem "sehr ausgewogenen Ergebnis" der Gespräche zwischen Rathaus, Klinik-Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretern. Die maximale Verweildauer von fünf Jahren sei sehr großzügig bemessen. Üblich seien nur zwei oder drei Jahre, was aber erfahrungsgemäß ausreiche. Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich, Mitglied des Klinik-Aufsichtsrates, lobt die Möglichkeit, nach einer gescheiterten Weitervermittlung zumindest ein Mal in die Qualifizierungsgesellschaft zurückkehren zu dürfen.

Das neue Unternehmen ist vor allem für Mitarbeiter aus der Verwaltung, den Großküchen, diversen technischen Bereichen sowie dem Blutspendedienst gedacht. Ärzte oder gar Pfleger dürften dabei kaum eine Rolle spielen, diese Berufsgruppen werden in den Krankenhäusern Bogenhausen, Harlaching, Schwabing, Neuperlach und Thalkirchner Straße weiterhin benötigt und teilweise sogar händeringend gesucht.

Die Verwaltung aber wurde im Sanierungsgutachten der Beratungsfirma Boston Consulting als überdimensioniert eingestuft und muss daher beim bis 2022 geplanten Abbau von beinahe jeder vierten Stelle besonders bluten. Köche, Techniker und Hausmeister sind erst vor einigen Monaten nachträglich zum Sparmodell erklärt worden. Diese Aufgaben werden künftig von Privaten übernommen. Der stark defizitäre Blutspendedienst ist bereits ans Bayerische Rote Kreuz verkauft worden. Allerdings wollen die meisten Mitarbeiter nicht mitgehen, da es keine Garantie für einen Einsatz in München gibt.

Die Qualifizierungsgesellschaft wird als hundertprozentige Tochter des Klinikums gegründet, aber von der Stadt finanziert. Ursprüngliche europarechtliche Bedenken gegen ein solches Modell wurden durch die Expertise einer externen Anwaltskanzlei ausgeräumt. Denn der Millionenbeitrag der Stadt sei keine neue Finanzspritze für das klamme Klinikum. Profiteure einer solchen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Investition seien allein die Klinik-Mitarbeiter. Das Unternehmen soll längstens bis 2026 bestehen und wird dann aufgelöst.

Die Fortbildungsangebote organisiert die seit mehr als 20 Jahren bestehende städtische Qualifizierungsgesellschaft "Münchner Arbeit". Die Mitarbeiter erhalten neue Verträge, bleiben aber zunächst im Klinik-Konzern. Der Lohn wird im ersten und zweiten Jahr voll weiterbezahlt, im dritten Jahr sinkt er auf 95 Prozent und im vierten auf 90 Prozent. Die Firma ist in erster Linie als Auffangnetz geplant. Kämmerer Wolowicz hofft, dass möglichst viele Mitarbeiter das Angebot gar nicht benötigen, weil sie schon vorher weitervermittelt werden konnten. Denkbare neue Arbeitgeber sind neben dem Klinikum oder der Stadt selbst auch die Stadtwerke, die Wohnungsunternehmen, die Messe, der Flughafen oder eines der vielen anderen Unternehmen mit kommunaler Beteiligung.

Noch nicht geklärt ist bislang, was mit Leuten passiert, die auch nach fünf Jahren nicht vermittelt werden konnten. Das halten zwar sowohl Wolowicz als auch der IG-Metall-Mann Lischka für unwahrscheinlich. Die Gesellschaft wird aber auf jeden Fall spätestens 2026 aufgelöst. Und die Rückkehr in eine eigentlich längst aufgelöste Abteilung des Klinikums kommt für Wolowicz nicht in Frage. "Den Heizer auf der Elektrolokomotive kann es nicht geben."

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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