Zwischenbilanz:Das Versprechen

Seit sechs Monaten führt Christoph Engelbrecht die Helios-Amper-Kliniken AG in Dachau und Markt Indersdorf. Er sehnt sich wie die Kreispolitik nach Kontinuität. Und er sieht sich als Führungskraft mit Empathie

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Seine Ankündigung setzt er zielgenau: Denn nach den Turbulenzen der vergangenen drei Jahre klingt sein Wunsch wie ein Versprechen auf ruhigere Zeiten und ein harmonisches Miteinander: "Ich hätte nichts dagegen, wenn ich die nächsten zehn Jahre bleiben würde," sagt Christoph Engelbrecht. Er ist seit sechs Monaten Geschäftsführer der Helios Amper-Kliniken Dachau und Indersdorf. Sollte es der Helios Kliniken GmbH in Berlin tatsächlich noch gelingen, eine Ära der Kontinuität zu starten?

Vor drei Jahren übernahm der Klinikkonzern als Teil der Fresenius SE & Co. KGaA, einer der größten Gesundheitskonzerne in Europa, von der Rhönklinikum AG in Bad Neustadt an der Saale die Mehrheit der Anteile und überwarf sich mit dem damaligen Vorstand genau so wie mit großen Teilen der Kommunalpolitik. Landrat Stefan Löwl (CSU) wurde bei den Aufsichtsratssitzungen ein ums andere Mal brüskiert, weil Helios nicht glaubte, sich an den Belangen und Wünschen der Kommunalpolitik orientieren zu müssen.

Dass die bereits unter Röhn beschlossene Erweiterung des Dachauer Klinikums zur Disposition gestellt wurde, missfiel der Kreispolitik. Die Entscheidung, die Küche auszugliedern, überraschte den Dachauer Landrat. Außerdem erschien manchem Arzt, Pfleger und auch Kreispolitiker das Auftreten von Helios sektenartig. Die Kunde von der Faszination des gesamten Vorstands für Extremläufe wie Marathons nährte den Verdacht, hier einer rigorosen Organisation untergeordnet zu sein. Preußisch strikt sollten Anweisungen aus Berlin in Dachau vollzogen werden. So besteht Helios auf eine eindeutige Präsentation nach Innen und Außen, was als Corporate Identity angepriesen wird. Da darf nach Informationen aus der Belegschaft nicht einmal ein Kugelschreiber einer Fremdfirma auf den Stationen verwendet werden.

Diesen klaren Anweisungen widersprachen der ständige Personalwechsel auf der Führungsebene und die anhaltenden Reibereien mit der Kreispolitik. Erst sollte Bernward Schröter, der schon unter der Rhön AG Dachau und Markt Indersdorf leitete, weiter Vorstand bleiben. Er positionierte sich klar gegen Helios bis zum öffentlich vollzogenen Schulterschluss mit dem Betriebsrat. Es folgte Martin Jonas, der in Personalunion die Amperkliniken AG und die Helios-Häuser in Süddeutschland führen sollte. Er gab auf und war auch nicht sonderlich beliebt.

Amper Klinikum

Christoph Engelbrecht, der neue Helios-Amperkliniken-Geschäftsführer, vor dem Modell des Dachauer Klinikums.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Marc Sommer übernahm die Rolle eines Regionalgeschäftsführers, und Christoph Engelbrecht soll es nun in Dachau richten. Das Binnenklima zwischen Politik und Helios hat sich in den vergangenen Monaten verbessert, auch weil Bergläuferin Karin Gräppi als Helios-Vorstandsmitglied und Vorsitzende des Aufsichtsrats in Dachau nach einer Aussprache im Herbst vergangenen Jahres engen Kontakt mit Landrat Löwl pflegt.

Beim Empfang im Vorstandsbüro gibt sich Christoph Engelbrecht lässig. Er trägt zum dunklen Anzug keine Krawatte. Das salopp-sommerliche Hemd wäre auch dafür nicht geeignet. Die Wünsche des Fotografen nimmt er spielerisch entgegen und wirft sich in Pose: einmal als Vorstand im Sessel am Schreibtisch mit ernster Miene und dann auch jovial lachend. Schließlich entwickelt er schauspielerisches Talent, wenn er sich scheinbar neugierig über das Modell des Dachauer Klinikums beugt. Dabei kennt er jedes Detail.

Die Erweiterung des Dachauer Klinikums hat schon begonnen. Und die Entscheidung, die gesamte regionale Führung von Dachau nach Pasing an die dortige Helios-Klinik zu verlagern, ist revidiert worden. Diesen Schritt hatte die Kreispolitik der Helios GmbH übel genommen, weil das Unternehmen damit der Aktiengesellschaft in Dachau den Status eines Primus inter Pares genommen hatte. Dabei fühlen sich die Dachauer als besonderes Unternehmen, weil sie wegen eines Anteils von 5,1 Prozent an der Aktiengesellschaft eben nicht ganz dem Konzern gehören und auf ihr Mitspracherecht pochen. Plötzlich also sollten sie nur noch Mitläufer sein? All das ist Vergangenheit und doch wichtig, um zu verstehen, in welcher Startposition sich Christoph Engelbrecht nicht nur hausintern, sondern im Geflecht mit der Kommunalpolitik befindet.

Entspannt offensiv verweist er auf seine Erfahrungen. Er war nach dem Betriebswirtschaftsstudium Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group, einem der sogenannten Global Player. Engelbrecht wechselte dann zur Schön-Kliniken GmbH. Von Prien am Chiemsee aus war er am Kauf großer Kliniken und deren organisatorischem Neuaufbau beispielsweise in Hamburg beteiligt. Danach folgte ein Zwischenschritt in die Selbständigkeit gemeinsam mit dem Merkur-Verleger Dirk Ippen. Sie wollten Medizinische Versorgungszentren als Alternative zu den üblichen Praxen errichten. Seine Erfahrung fasst Engelbrecht in der Erkenntnis zusammen: "Ambulant tätige Ärzte sind dann am besten, wenn sie selbständig arbeiten." Die niedergelassenen Ärzte werden solche Einsichten gerne hören, denn in der Vergangenheit erwägte der frühere Besitzer, die Rhönklinikum AG, immer wieder, eigene Facharztzentren zu errichten.

Der frühere Chefarzt der Amperkliniken AG, Gunter Kachel, hatte Ende vergangenen Jahres zu seinem Abschied nach jahrzehntelanger Tätigkeit die Charaktere der Führungskräfte des Dachauer und des Indersdorfer Klinikums in den vergangenen fast 40 Jahren treffend geschildert. Als die Krankenhäuser in Dachau und Markt Indersdorf in kommunaler Hand waren, führte sie Leo Greska im Stile eines Regiments. Nachfolger Uwe Schmid war "missionarisch". Er setzte seine Idee konsequent durch, führte die beiden Kliniken weg vom kommunalen Eigenbetrieb und ebnete den Weg in eine Aktiengesellschaft. Bernward Schröter war der "Charismatiker", der die Mitarbeiter für sich und seine Konzepte einzunehmen wusste.

Zwischenbilanz: Das Dachauer Helios-Klinikum wird in den nächsten Jahren erweitert, auch um den Altbau aus den 70er Jahren (links) zu sanieren.

Das Dachauer Helios-Klinikum wird in den nächsten Jahren erweitert, auch um den Altbau aus den 70er Jahren (links) zu sanieren.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Christoph Engelbrecht skizziert sich selbst als Moderator und Mannschaftsspieler, der zuhören und die Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung einbeziehen will. "Aber dann kommen klare Beschlüsse." Er fügt hinzu: "Auch wenn sie sich dann als falsch herausstellen sollen." Den Unterschied zu seiner Zeit bei Boston Consulting sieht er vor allem darin, dass er es nicht mit Produktionsprozessen zu hat, "sondern mit Menschen". Er meint, mit viel mehr Unwägbarkeiten als in einem normalen Unternehmen.

Aber warum geht ein Mann in den Gesundheitsbereich, wo er doch in einer Unternehmensberatung viel mehr Geld verdienen könnte? Engelbrecht erzählt, dass er die Nähe zu diesem Metier sucht, weil er nach dem Abitur geplant hatte, Arzt zu werden, und sich dann doch zum Studium der Betriebswirtschaft entschloss. Mit 43 Jahren will er Kontinuität in sein Leben bringen, auch im Sinne seiner Familie und seines Sohnes. Wenn man lange Zeit von einem Ort zum anderen unterwegs war - zuletzt bei den Asklepios-Kliniken -, immer getrieben vom Wunsch nach einer Familie, dann kommt einem eine Fahrt von Rosenheim nach Dachau zur Arbeitsstätte wie eine Erholung vor.

Anscheinend treffen sich Politik und Vorstand im Wunsch nach Ruhe. Engelbrecht verwendet einen weiteren Begriff gleich mehrmals in dem Gespräch: "Empathie". Er will also ein Unternehmen so führen, dass es für die Menschen, die Patienten und die Belegschaft, erfolgreich ist. Allerdings fällt dem Betriebsratsvorsitzenden Dieter Möbs beim Namen "Helios" alles andere ein, nicht aber eine Haltung, die sich in einem großen Verständnis und in der gesuchten Nähe zum Personal dokumentiert: "Helios ist ein rein wirtschaftlich denkendes Unternehmen, ohne jegliche Empathie." Möbs und der Betriebsrat setzen noch einen drauf: "Helios arbeitet wie eine Produktionsfirma." Insofern ist er gespannt, wie sich Christoph Engelbrecht entwickelt. Vorgänger Bernward Schröter ist aus Sicht des Betriebsrats daran gescheitert, "dass er eigene Vorstellungen hatte, wie man eine Klinik leitet." Hoffnungsvoll stimmt Möbs, dass Engelbrecht einen anderen Führungsstil pflegt, als er ihn von Helios gewohnt ist. Möbs: "Er ist sicherlich ein Moderator."

Die Helios-Amper-Kliniken AG veranstaltet am Sonntag, 24. April, einen Tag der Offenen Tür. Er beginnt um zehn Uhr morgens und endet um 15 Uhr. In dieser Zeit bietet das Unternehmen mehrere medizinische Vorträge, dazu ein Darmmodell und einen Anzug, in dem man erleben kann, wie es ist, alt zu sein. Informationen: www.helios-kliniken.de/klinik/dachau.html, Stichwort: "Tag der Offenen Tür".

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