Operation am offenen Spital

Ein 50 Millionen Franken teures Provisorium verschafft dem Luzerner Kantonsspital Handlungsspielraum.

Erich Aschwanden, Luzern
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Auf dem Areal des Kantonsspital Luzern gleich neben dem Hochhaus entsteht ein neues Neubauprojekt Zentrum Notfall- und Intensivmedizin ZNI. (Bild: Goran Basic / NZZ)

Auf dem Areal des Kantonsspital Luzern gleich neben dem Hochhaus entsteht ein neues Neubauprojekt Zentrum Notfall- und Intensivmedizin ZNI. (Bild: Goran Basic / NZZ)

Wer Glück hat, bekommt als Patient kaum mit, dass am Luzerner Kantonsspital (Luks) gegenwärtig intensiv gebaut wird. Die lärmintensiven Arbeiten am neuen Zentrum für Notfall- und Intensivmedizin (ZNI) sind nämlich bereits abgeschlossen. Am Fuss des markanten Bettenturms sind Bauarbeiter gerade damit beschäftigt, eine 77 Meter hohe und 21,5 Meter breite Stahlkonstruktion hochzuziehen. Dies alles bei auf vollen Touren weiterlaufendem Klinikbetrieb.

Wie die Mediziner am offenen Herzen operieren, arbeiten Handwerker und Bauarbeiter hier gewissermassen am offenen Spital. Dies bedingt verschiedene Vorkehrungen. So steht der Neubau auf Stelzen, um die Zufahrt für die Ambulanzen auch während der Bauzeit zu gewährleisten. Büros von Ärztinnen und Ärzten wurden in ein kleines Containerdorf ausgelagert. «Wir fühlen uns wohl. Im Winter ist es geheizt und im Sommer angenehm kühl», sagt eine Ärztin, die sozusagen auf der Baustelle tätig ist.

Provisorien für Provisorium

Zufrieden ist auch Spitalrat Peter Schilliger, nämlich darüber, dass auf dem bereits dicht überbauten Gelände überhaupt die Baumaschinen auffahren konnten. «Das neue Zentrum ist eine Akutmassnahme, die unseren Handlungsspielraum massiv erweitert», erklärt der Luzerner FDP-Nationalrat. Einerseits ist die Zusammenlegung von Intensiv- und Notfallmedizin medizinisch und betriebstechnisch sinnvoll, andererseits werden durch die 6800 Quadratmeter neue Nutzfläche bestehende Räumlichkeiten frei, auf die andere Abteilungen wie etwa die Handchirurgie im grössten Zentralschweizer Spital dringend angewiesen sind.

50 Millionen Franken aus eigenen Mitteln investiert das grösste nicht universitäre Spital der Schweiz in den viergeschossigen Neubau. Dabei handelt es sich gemäss Schilliger «um eines der teuersten Provisorien, die es im Kanton Luzern je gegeben hat». Auf maximal 15 Jahre ist der Betrieb des ZNI nämlich befristet. Es ist Teil eines Masterplanes, der zahlreiche weitere Rochaden auslöst. Nach dem Jahr 2022 soll dieser Bereich noch einmal neu errichtet werden, als Bestandteil des Campus Luzern, der ab dem Jahr 2020 über der Stadt Luzern neu entsteht. Auch der Bettenturm, das bisherige Kernstück am Standort Luzern, soll verschwinden. Moderne Kliniken werden in die Breite gebaut und nicht mehr in die Höhe.

Warum dies so ist, verdeutlicht die heutige Situation. Heute werden die über 20 000 Notfälle und 3000 Eintritte in die Intensivmedizin pro Jahr getrennt im vierten und elften Stockwerk behandelt. Dies sei längst nicht mehr zeitgemäss, sagt Lukas Brander, Leitender Arzt des Zentrums für Intensivmedizin. Personell bilden die beiden Bereiche denn auch schon seit dem Jahr 2013 eine Einheit. Nach der Eröffnung des Zentrums für Notfall- und Intensivmedizin 2017 sei man nicht nur räumlich vereint, sondern habe man die Radiologie, die Operationssäle und die Zufahrt für die Ambulanz in unmittelbarer Nähe. «Es ist ein Glücksfall, dass ausgerechnet dieser Platz auf dem stark überbauten Gelände noch frei ist», stellt Brander fest.

In den je 33 neu entstehenden Plätzen für Intensiv- und Notfallpatienten ist eine 24-stündige Präsenz von Ärzten und Pflegepersonal sichergestellt. Die einzelnen Bettenstationen in diesem sehr heiklen Bereich werden zu eigentlichen Hightech-Anlagen hochgerüstet. Die notwendigen Anlagen für Lüftung, Elektrizität, Informatik usw. dürfen allerdings auf Weisung der Stadt Luzern nicht auf dem Dach des Neubaus erstellt werden.

Schuldenbremse droht

Auch in einem anderen Bereich bereitet dem Luks ein möglicher politischer Eingriff Sorgen. Das Luzerner Kantonsspital ist eine öffentlichrechtliche Anstalt und konnte deshalb in den vergangenen Jahren selbständig über Investitionen entscheiden. Doch nun droht ein Rückschlag: Der Kanton Luzern will im Rahmen seines jüngsten Sparprogramms die Schuldenbremse nicht auf die Kernverwaltung beschränken, sondern auch auf die Rechnung des Spitals und anderer eigentlich unabhängiger Institutionen im Staatsbesitz ausdehnen. Dies will Peter Schilliger mit politischem Lobbying unbedingt verhindern: «Ein solcher Schritt würde unsere unternehmerische Freiheit massiv einschränken», erklärt der FDP-Politiker.