Kritik: Krankenkassen mit "systematischen Ungerechtigkeiten"

30.4.2016, 15:38 Uhr
Kritik: Krankenkassen mit

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Immer mehr Krankenkassen sehen sich durch den Finanzausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung benachteiligt. Die Siemens Betriebskrankenkasse (SBK) beispielsweise beklagt, dass ihre rund ein Million Versicherten ungerechtfertigt belastet würden. Gertrud Demmler vom Vorstand der SBK spricht von "systematischen Ungerechtigkeiten", von denen vor allem AOKs in Ostdeutschland profitierten. Mit der Folge, dass Versicherte, die in Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt von der SBK zu einer der dortigen AOKs wechseln, bis zu rund 500 Euro im Jahr sparen können. "Und die Schere wird noch weiter aufgehen", erwartet die SBK-Vorständin

"Unser höherer Beitragssatz hat nichts mit Unwirtschaftlichkeit zu tun", erklärt Demmler. Die Verwaltungskosten ihrer Kasse lagen zuletzt bei 124,39 Euro je Versichertem. Im Geschäftsbericht der AOK Plus, die ihre Kunden in Sachsen und Thüringen hat, stehen im jüngsten Geschäftsbericht 152,24 Euro Verwaltungskosten je Versichertem, trotzdem kommt sie mit einem sehr günstigen Beitragssatz aus: Mit 14,9 Prozent statt 15,9 Prozent, die die SBK verlangt.

Auch die mit einem Beitragssatz von 16,1 Prozent teuerste bundesweite Groß-Kasse, die DAK, fordert neue Regeln im Finanzausgleich. Ihr Vorstands-Chef Herbert Rebscher warnt, dass ansonsten immer mehr an Stellen gespart würde, die auch die Patienten schmerzhaft zu spüren bekommen, etwa bei der Beratung für chronisch Kranke.

Versicherte in Ballungszentren teuerer

Der Finanzausgleich, der eigentlich verhindern soll, dass Kassen mit vielen kranken Versicherten schlechter gestellt werden, funktioniere nicht richtig, heißt es von Kassen wie SBK oder DAK. Denn er berücksichtigt es nicht, wenn eine Kasse viele Versicherte in Ballungszentren hat, wo die Versorgung teurer ist als in ländlichen Gebieten. Dort, wo es viele Krankenhäuser und Ärzte gibt, nähmen die Versicherten diese Angebote auch in Anspruch, erklärt die SBK-Vorständin Demmler. "Aber auch seltene, schicksalshafte Erkrankungen fallen durchs Raster", ergänzt sie.

Der DAK-Chef Herbert Rebscher nennt als Beispiel eine Patientin mit einer sehr seltenen Erkrankung, deren Behandlung eine Million Euro kostet, für die es im Finanzausgleich aber keinen einzigen Euro zusätzlich gebe. "Die gilt als kerngesund", ärgert sich der DAK-Chef. Michael Lempe, der Chef der preisgünstigen bundesweit wählbaren gesetzlichen Krankenkasse hkk, sieht die Probleme allerdings woanders. Er vermisst bei vielen teureren Konkurrenten vor allem eines: "Ein professionelles Management."

Unterstützung aus Bayern

Teure Kassen, die eine Neuordnung des Finanzausgleichs fordern, finden allerdings bei etlichen Politikern immer mehr Gehör. So fordert Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) "einen Wettbewerb, in dem Kassen auch über gute Angebote punkten können und nicht nur über den Preis".

Sie wehrt sich dabei gegen die Vermutung, die bayerische Staatsregierung argumentiere im Interesse von Kassen, die ihre Versicherten schwerpunktmäßig im Freistaat haben, wie die SBK. "Das trifft auch andere Bundesländer", betont Huml. So hat etwa die AOK Rheinland/Hamburg einen um 1,1 Prozentpunkte höheren Beitragssatz als die AOKs in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Huml erwartet grundsätzliche Änderungen am Finanzausgleich aber erst nach der nächsten Bundestagswahl. Etliche Kassen mahnen allerdings zur Eile. Gertrud Demmler vom Vorstand der SBK warnt: "Es muss jetzt etwas passieren, das kann man nicht auf die lange Bank schieben."

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