Big Data in der Medizin : Digitalisiert in den demographischen Wandel
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Längst keine Ausnahme mehr: die medizinische Versorgung über das Internet Bild: obs
Was Japan voraus hat: Vielen Ärzten wird allmählich klar, wie tief die Datenrevolution in die Praxis eingreift. Wie Big Data dem einzelnen Patienten helfen kann.
Noch haben nur wenige Ärzte eine Vorstellung davon, wie die moderne Informationstechnologie die medizinische Praxis verändern wird. Mehr Klarheit über die digitale Medizin und ihren Ableger, die Internetmedizin, sollte auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Mannheim geschaffen werden. Die medizinische Versorgung über das Internet, war da zu hören, sei längst keine Ausnahme mehr.
Markus Müschenich vom Bundesverband Internetmedizin in Berlin nannte die Kontrolle des Herzrhythmus und des Blutdruckes über das Smartphone, die längst nicht nur Zukunftsvisionen seien. Die Technik ist als zertifiziertes Medizinprodukt zugänglich. Doch offenbar sind viele Ärzte noch zurückhaltend bei der Nutzung dieser Methoden. Angesichts von etwa fünfzig Millionen Nutzern von Smartphones in Deutschland werde die Internetmedizin den medizinischen Alltag einschneidend verändern. Der Wandel sei so tiefgreifend, wie das nach Erfindung der Röntgenstrahlen oder nach Entdeckung der Antibiotika der Fall gewesen sei.
Verknüpfung riesiger Datensammlungen
Anschaulich wurde das durch die Berichte aus Japan, die Ryozo Nagai von der Jichi Medical University lieferte. Es sei nicht zuletzt der demographische Wandel, der die Entwicklung dort vorantreibe. Während derzeit in Japan statistisch noch etwa zwei Bürger in der produktiven Lebensphase für einen Rentner aufzukommen hätten, sei das Verhältnis in den nächsten zwei Jahrzehnten ausgeglichen. Ohne das Einsparpotential, das die digitale Medizin eröffne, sei das nicht zu leisten.
Die Verknüpfung riesiger Datensammlungen der verschiedenen Institutionen, von Kliniken und Versicherern sei unumgänglich, um eine richtige Zuteilung der Ressourcen zu gewährleisten. Gleichzeitig helfe die elektronische Datenerhebung an Patienten, etwa Messungen von Blutdruck, Blutzucker oder des Herzrhythmus kostengünstig vorzunehmen.
Gleichzeitig können durch die Zusammenführung klinischer Register und Verbrauchsdaten von medizinischen Produkten Aussagen über die Effektivität einzelner Maßnahmen getroffen werden. Als Beispiel nannte Nagai die Gabe von Antithrombin III bei Störungen der Blutgerinnung im Rahmen schwerer Infektionen. Die Wirksamkeit dieser Therapie ist seit Jahren eine kontrovers diskutierte Maßnahme. Japanische Wissenschaftler haben die Daten von sieben Millionen Patienten analysiert. Dabei wurden Daten des Verbrauchs mit der Überlebensrate der Patienten in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich ein eindeutiger, wenngleich kleiner Vorteil zugunsten der Gabe des gerinnungsaktiven Stoffes. Erst die Analyse der Daten solch großer Patientenzahlen ermöglichte es, einen positiven Effekt der Behandlung zu belegen.
Wie Big Data auf den einzelnen Patienten angewandt werden kann, demonstrierte Nagai auch am Beispiel der dreidimensionalen Simulation eines kranken Herzens. Aufgrund von Messungen an individuellen Patienten werden etwa zwanzig Millionen virtuelle Zellen von einem Supercomputer zu einem räumlichen, bewegten Bild zusammengesetzt. Vor Beginn einer Operation am Herzen kann dann das für den Patienten am besten verträgliche Vorgehen simuliert werden. Supercomputer dürften das Erscheinungsbild der Medizin schon in naher Zukunft revolutionieren.