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Wie das Klinikum mit Vorwürfen umgeht

Facebook-Nutzer haben auf ein Lob für die Oberlausitzer Krankenhäuser harsch reagiert. Die Geschäftsleitung spricht nun über Pauschalkritik und Qualitätstests.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Zittau/Oberlausitz.Klinikum-Geschäftsführer Steffen Thiele weiß was ein Shitstorm ist. Diese oft deftige, meist auch unfaire Schimpf-Kanonade in sozialen Netzwerken hat das Klinikum Oberlausitzer Bergland vor zwei Jahren schon einmal erlebt. Dennoch waren die harschen Reaktionen im Internet, die nach dem SZ-Beitrag über die erfolgreiche Zertifizierung Anfang April zu lesen waren, auch für ihn überraschend. Den Fakt, dass das Klinikum mit seinen Standorten nun erneut eine ganzheitliche Qualitätsbewertung erfolgreich bestanden hatte, nutzten einige, um ihren persönlichen Frust oder Ärger mit dem Krankenhaus loszuwerden. Ein Erklärungsversuch über die Rolle von Kritik und der Sinn von Zertifizierungen.

Warum trifft das Klinikum so harsche Kritik?

Geschäftsführer Steffen Thiele kann nur aus bisherigen Erfahrungen Schlüsse ziehen. Als vor zwei Jahren ein ähnlicher Fall auftauchte, versuchte das Klinikum mit den Kritikern in Kontakt zu kommen, herauszufinden, was sie so wütend macht. „In einigen Fällen stellte sich heraus, dass die Patienten mitunter selbst gar nicht wussten, dass ihre Krankengeschichte im Internet Thema war und persönlich gar keinen Bedarf für eine Klärung sahen“, sagt Thiele. Andere wiederum lehnten persönliche Gespräche ab. Möglicherweise handelt es sich um bekanntes Phänomen im Internet: Die vermeintliche Anonymität ermuntert dazu, einfach mal Dampf abzulassen, gerade, wenn man sich nicht mit einem Gegenüber auseinandersetzen muss. „Natürlich sind wir nicht perfekt, arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen“, sagt Thiele. Man müsse aber in einer Klinik auch im Blick haben, dass jeder Patient seine Vorstellungen und Ansprüche hat. Und nicht immer ist zudem eine Heilung möglich.

Sind Gewaltbereitschaft und Aggressivität generell gestiegen?

Im Krankenhausalltag trifft das häufiger zu, schätzt der Geschäftsführer ein. Gerade auch, wenn bei Patienten in der Notaufnahme Alkohol ins Spiel komme, könne eine Situation schnell eskalieren. Das habe die Klinik dazu veranlasst, Ärzte und Pflegekräfte in den Standorten Zittau, Ebersbach und Weißwasser speziell zu schulen und auch in Sicherheit – wie Panikräume und Alarmsysteme – zu investieren. Thiele gesteht ein, dass nicht immer für Patienten ersichtlich ist, warum es manchmal auch in der Notaufnahme lange Wartezeiten gibt. Grund sei durchaus, dass sich im Gesundheitswesen inzwischen vieles auf das Krankenhaus fokussiere, zum Teil auch aus Mangel an Ärzten vor Ort. Das setze Kliniken in immer stärkerem Maße zu.

Spiegelt sich die Unzufriedenheit auch in Beschwerden wider?

Zum Teil. „Aber wir bekommen auch viele positive Rückmeldungen“, betont die Mitarbeiterin für Qualitätsmanagement, Stefanie Brückner. Über die von der Klinik verteilten Patienten-Fragebögen erhalte man hier ein Bild. Ausgefüllt werden sie vor allem von Patienten zwischen 60 und 80 Jahren. Diese Praxis stand auch in den sozialen Netzwerken in der Kritik. Man mutmaßte, die Bögen werden von Schwestern gefälscht. „Das stimmt nicht“, betont Frau Brückner. Sie persönlich hole die ausgefüllten Fragebögen, die von den Patienten in die dafür vorgesehenen Briefkästen eingeworfen werden, einmal pro Woche ab und werte sie aus. Manipulationen fielen da auf. Da das Klinikum mit dem Rücklauf der Fragebögen nicht ganz zufrieden war – 2015 gaben 16 Prozent den Bogen ausgefüllt ab – habe man ihn überarbeitet und gekürzt.

Ist der Fragebogen der einzige Weg die Klinik-Arbeit einzuschätzen?

Nein. Um Kritik oder Lob loszuwerden, gibt es mehrere Möglichkeiten, die die Patienten je nach Persönlichkeit und Problemlage nutzen. Da gebe es die Fragebögen, die jeder bei einer geplanten Einweisung mit den Krankenhauspapieren erhält und die auch auf den Stationen vorhanden sind. Hierbei geht es um allgemeine Einschätzungen wie Essen, Sauberkeit oder Arbeit der Ärzte und Pfleger. „Natürlich können einige Patienten, zum Beispiel auf der Intensivstation, diesen Bogen nicht ausfüllen“, greift Frau Brückner einen weiteren Kritikpunkt auf. Aber zum Teil täten das die Angehörigen. Wer konkreter Lob oder Kritik äußern will, kann das auch über extra verfügbare Meinungsbögen tun, auf denen der Patient selbst frei formulieren kann. 155 solcher Bögen seien im vergangenen Jahr ausgefüllt und in die entsprechenden Briefkästen im Haus gesteckt worden. In dringenden Fällen nehmen auch Schwestern oder Frau Brückner selbst vor Ort schriftlich Beschwerden auf. „Oft berichten uns Patienten aber nach ihrer Behandlung telefonisch oder per Brief und E-Mail, wenn ihnen etwas wichtig erscheint oder missfallen hat“, sagt die Qualitätsbeauftragte. Dann reagiere man zügig und suche gegebenenfalls das persönliche Gespräch, um zu klären. In seltenen Fällen wählen Patienten aber auch den Weg über die Krankenkasse oder die Ärztekammer. „Aber das kommt sehr selten vor“, sagt Steffen Thiele. Eine weitere Möglichkeit ist der Weg über die Patientenfürsprecherin des Krankenhauses. Sie ist nicht beim Klinikum angestellt, nimmt aber als Externe ebenfalls Lob und Kritik der Patienten an und sucht den Kontakt zu Stefanie Brückner oder der Geschäftsleitung.

Wozu sind teure Zertifizierungen nötig – ist das nicht nur Selbstdarstellung?

Bei dem großen Angebot an Zertifizierungen kann leicht der Eindruck entstehen, solche Qualitätsprüfungen werden inflationär und leichthändig vergeben. „Das ist keineswegs so“, betont Steffen Thiele. Im Gegenteil: Die im April erfolgreich aufgefrischte Zertifizierung erfordere viel Aufwand und Dokumentation. Die Kosten lägen im vierstelligen Bereich. „Die Prüfer, die wir in solchen Fällen im Haus haben, sind selbst Ärzte“, betont Thiele. Sie arbeiten in Kliniken in anderen Bundesländern, die keine Kontakte zu den zu testenden Häusern haben. Mit ihrer Erfahrung sehen sie jedoch, wo Strukturen nicht stimmen und wo auch in der Arbeit mit den Patienten nachgebessert werden muss. „Der Blick von außen ist gut gegen Betriebsblindheit“, sagt Frau Brückner. Viel wichtiger ist aber, dass die nun erfolgreich verteidigte Zertifizierung im April die zwingende Voraussetzung zur Spezialisierung des Klinikums zum Brustzentrum ist. Ohne das eine wäre das andere nicht möglich. Das sei bei vielen Spezialisierungen so, deshalb seien die Qualitätsmanagement-Zertifikate eben nicht nur bloßer Schmuck, betont Thiele. Übrigens steht auch für den Status Brustzentrum in diesen Tagen eine neue Überprüfung an. Ein großer Aufwand, der sich lohne: „Mit einem solchen Status verdienen wir nicht mehr Geld, aber wir sind dann für Patienten ein guter Partner und auch bei der Suche nach neuen Ärzten attraktiv“, sagt Thiele.