Staatsanwaltschaften in mehreren Bundesländern ermitteln nach Informationen der „Welt am Sonntag“ zurzeit in jeweils millionenschweren Betrugsverfahren gegen Apotheker. Es geht dabei um die offenbar verbreitete Masche mit „Luftrezepten“: Die Pharmazeuten rechnen Tausende von Verschreibungen mit den gesetzlichen Krankenkassen ab, obwohl die verschriebenen Medikamente nie über ihre Ladentheke gegangen sind. Sie machen dabei gemeinsame Sache mit Ärzten oder Patienten.
Die Schadenssummen, die gesetzlichen Krankenkassen durch betrügerische Apotheker entstehen, sind teilweise deutlich höher als bei jeder anderen Berufsgruppe im Gesundheitswesen. Die Krankenkasse KKH (Kaufmännische Krankenkasse) etwa hat 2015 fast doppelt so viel ergaunertes Geld von Pharmazeuten zurückgefordert wie von der nächsten Berufsgruppe, den Pflegediensten: eine knappe halbe Million Euro.
Experten rechnen mit hoher Dunkelziffer
Gesundheitsökonomen halten die Dunkelziffer für hoch, da das Entdeckungsrisiko außergewöhnlich niedrig sei. „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass Betrug durch Apotheker auffällt. Es gibt in diesen Konstellationen von krimineller Energie einzelner Personen üblicherweise nur wenige Mitwisser, und solange diese zusammenhalten und sich nicht gegenseitig verpfeifen, gibt es kaum eine Chance, dass es auffliegt“, sagt der bekannte Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske.
Die Organisation Transparency Deutschland schätzt den Schaden durch Betrug und Korruption mit Arzneimitteln auf insgesamt 680 Millionen bis 2,72 Milliarden Euro pro Jahr. Das wären zwei bis acht Prozent der knapp 35 Milliarden Euro Ausgaben der gesetzlichen Kassen im vergangenen Jahr für Arzneimittelverordnungen.
„Darin sind Gelder, die Apotheker veruntreuen, ebenso enthalten wie Zuwendungen, die Ärzte für die umstrittenen Anwendungsbeobachtungen erhalten. Wir sind uns bewusst, dass es noch viele Bereiche gibt, die auch vom neuen Antikorruptionsgesetz nicht erfasst werden“, sagte Transparency-Deutschland-Gesundheitsexperte Wolfgang Wodarg.