Neue Klinik in Kirchheim:Rosinenpicker von nebenan

Neue Klinik in Kirchheim: In den leer stehenden Büros an der Sonnenallee in Kirchheim soll die Klinik einziehen, gegenüber der Gesundheitscampus entstehen.

In den leer stehenden Büros an der Sonnenallee in Kirchheim soll die Klinik einziehen, gegenüber der Gesundheitscampus entstehen.

(Foto: Robert Haas)

Im Streit um eine neue Klinik in Kirchheim wird der Ton zwischen den Landkreisen München und Ebersberg schärfer

Am 31. Mai entscheidet sich, ob es mit der guten Nachbarschaft zwischen den Landkreisen München und Ebersberg vorerst vorbei ist. Was deren Landräte Christoph Göbel und Robert Niedergesäß (beide CSU) entzweit, ist die unterschiedliche Ansicht darüber, ob es in Kirchheim im Landkreis München, einen Steinwurf nur von Poing im Landkreis Ebersberg entfernt, eine Klinik braucht. Dazu wird der Krankenhausplanungsausschuss am Dienstag nach den Pfingstferien einen Beschluss fassen.

Die Ansichten sind naturgemäß unterschiedlich. Die Münchner wollen das 180-Betten-Klinikum mit Gesundheitscampus und Rehabilitationszentrum, das von den Professoren Andreas Sendler und Rudolf Hipp zwar privat geplant wird, aber auch Kassenpatienten aufnehmen soll. Die Ebersberger lehnen eine Konkurrenz für ihre Kreisklinik vehement ab - und ärgern sich darüber, dass sie mit ihren Argumenten bei den Nachbarn auf taube Ohren stoßen.

Scheitern könnte das Projekt demnach wohl nur, wenn der Krankenhausausschuss und das Gesundheitsministerium ihre Zustimmung verweigern. Um auf das Gremium und das Ministerium einzuwirken, haben Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl, Landrat Christoph Göbel und der Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch (alle CSU) einen Brief an die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml und die Mitglieder des Ausschusses verfasst. "Wir stellen das System der Klinikplanung in Bayern in Frage", sagt Böltl.

Kirchheims Bürgermeister fragt sich, warum andere Kliniken zum Bedarf gefragt werden

Kritisch sieht er etwa, dass bei den bestehenden Einrichtungen abgefragt werde, ob sie Bedarf für eine neue Klinik sehen. "Das wäre ja so, wie wenn ein neuer Bäcker vorher erst alle anderen, die schon länger das sind, fragen muss, ob die beim Brezn-backen nicht mehr hinterher kommen." Außerdem werde die Bevölkerungsentwicklung im Großraum München nicht miteinbezogen. Für den Landkreis München werde bis zum Jahr 2020 ein Wachstum auf bis zu 390 000 Menschen prognostiziert.

Ein Themenfeld, in dem sich der Ebersberger Landtagsabgeordnete Thomas Huber als demografiepolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag bestens auskennt - und dagegen hält. Zwar steige der Bedarf an klinischer Versorgung ohne Zweifel, sagt Huber. "Aber dem kann man durch die Erweiterung der bestehenden Häuser nachkommen", was aus seiner Sicht sogar wirtschaftlicher sei, als der Bau einer neuen Klinik.

Umso bedauerlicher findet er, dass die Kollegen in München auf stur schalten. "Dabei hat uns Egoismus in der Gesamtheit noch nie weitergebracht." In diesem Punkt einig mit Huber ist sich die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher. "Es macht keinen Sinn, sich gegenseitig das Wasser abzugraben", sagt die Ebersberger Politikerin. Umso mehr hofft sie darauf, dass Ministerin Melanie Huml erkennt, dass sie mit einer Genehmigung der Kirchheimer Klinik die Leistungsfähigkeit des Ebersberger Krankenhauses schwächen würde.

Ebersbergs Landrat ist sauer, weil sich die Kirchheimer Ärzte nur auf die lukrativen Fälle spezialisieren könnten

Auch Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß verschärft den Ton, weil er keinen Bedarf für eine weitere Klinik im engeren östlichen Umfeld der Landeshauptstadt sieht. "Der Landkreis Ebersberg und die Region insgesamt sind mit ihren Kliniken sehr gut ausgestattet. Sie bieten eine ausgezeichnete, breit gefächerte und weitreichende medizinische Grundversorgung und arbeiten in verschiedensten Spezialbereichen auch mit den Universitätskliniken in der Landeshauptstadt zusammen", so der Landrat. Eine weitere Klinik im direkten Umland bedeute eine potenzielle Überversorgung, die sich am Ende negativ auf das bestehende sehr gute Angebot auswirken könnte.

Er sieht in der Ausrichtung der beantragten Klinik in Kirchheim eine Art "Rosinenpickerei". "Die Fälle, die für Kliniken lukrativ sind, würden dem Markt entzogen. Das würde die wirtschaftliche Situation der umliegenden Häuser weiter verschlechtern", befürchtet er. "Krankenhausplanung ist Ländersache - und das muss auch in Zukunft so bleiben!", so steht es auf der Homepage des Gesundheitsministeriums geschrieben. Wir fordern die Ministerin auf, diesem eigenen Anspruch auch gerecht zu werden. Wenn die Klinik in Kirchheim in den Plan aufgenommen und genehmigt wird, zeigt das, dass es überhaupt keine Krankenhausplanung mehr gibt!"

Nicht nachvollziehen kann Niedergesäß den Vergleich von Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl, der einen Zusammenhang herstellt zwischen der Neueröffnung einer Bäckerei und der einer Klinik. "Das ist freundlich gesagt ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen oder von mir aus auch Brezn", so Niedergesäß. Wenn ein Privater ein Geschäft aufmache, dann ist das sein Risiko. Aber eine Privatklinik habe massive Konsequenzen auf die umliegenden öffentlich geförderten, steuerfinanzierten Kliniken und das öffentlich finanzierte Gesundheitswesen. "Ich verstehe den Kirchheimer Bürgermeister, wenn er dieses Prestigeprojekt für seine Gemeinde gewinnen möchte." Das dürfe aber nicht dazu führen, dass bestehende Kliniken im Umland darunter leiden, das wäre Egoismus zu Lasten anderer.

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