ÜBERWACHUNG: Nur das St.Galler Kantonsspital filmt in Behandlungsräumen

Am Kantonsspital St.Gallen hat eine Patientin eine Kamera entdeckt, die sie beim Umziehen filmte. Die Datenschutzbeauftragte des Kantons kritisiert diese Praxis, die es in anderen grossen Ostschweizer Spitälern nicht gibt.

Anna Viola Bleichenbacher
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Das Kantonsspital St.Gallen ist das einzige Ostschweizer Spital, das in der Notaufnahme Kameras angebracht hat. (Bild: Hanspeter Schiess)

Das Kantonsspital St.Gallen ist das einzige Ostschweizer Spital, das in der Notaufnahme Kameras angebracht hat. (Bild: Hanspeter Schiess)

Der Streit um Datenschutzprobleme mit Überwachungskameras ist seit Dienstag um ein Kapitel reicher. Das Kantonsspital St.Gallen nutzt Kameras, um Patienten zu überwachen. Eine Patientin berichtete der Gratiszeitung "20 Minuten", dass sie sich in ihrer Intimsphäre verletzt fühlte, als sie beim Umziehen in einem Zimmer auf der Notfallaufnahme eine Kamera entdeckte.

Philipp Lutz, Medienbeauftragter des Kantonsspitals, konnte diese Informationen am Dienstag gegenüber unserer Zeitung bestätigen. Er betont jedoch: "Wir speichern keine Kameradaten. Die Aufnahmen dienen rein als zusätzliche Sicherheitsmassnahme unserer Patienten und Mitarbeitenden. Es handelt sich um Übertragungen in Echtzeit auf Monitore der Pflege und der behandelnden Ärzte." Dabei spielt er auf den Aufbau der Notaufnahme am Kantonsspital an. Viele Behandlungsräume sind nur durch Vorhänge voneinander getrennt. "Dort haben wir keine Kameras angebracht. Das Personal auf dem Gang hört, wenn etwas nicht stimmt", sagt Lutz.

Zusätzliche Sicherheit
Anders sieht es bei geschlossenen Behandlungsräumen aus. "In Räumen, welche mit einer Türe verschlossen werden können, haben wir Kameras angebracht. Die Stationsleitung kann über Bildschirme beobachten, ob in einem Zimmer etwas nicht stimmt." Lutz fügt als Beispiel an: "In der Zentralen Notfallaufnahme kann es immer vorkommen, dass sich der Zustand einer Person in kurzer Zeit massiv verschlechtert." Mit den Kameras trifft man beim Kantonsspital eine weitere Sicherheitsmassnahme. Absolute Sicherheit kann aber nicht garantiert werden – auf allen Ebenen: Dass die Daten, die mit den Kameras aufgenommen werden, vor einem Hackerangriff geschützt sind, kann Philipp Lutz nicht garantieren. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass wir davor gefeit sind. Niemand kann einen Hackerangriff ausschliessen."

Seltene Praxis
In der Ostschweiz ist das Kantonsspital St.Gallen das Einzige, das solche Kameras hat. "Im Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden sind keine Kameras in den beiden Notfallaufnahmen der Spitäler Heiden und Herisau angebracht", sagt Nicole Graf Strübi, Mediensprecherin des Spitalverbunds Appenzell Ausserrhoden. "Da aber die Notfallaufnahme des Kantonsspitals St.Gallen sehr gross ist, kann ich die Massnahme nachvollziehen." Deshalb sei eine Videoüberwachung durchaus ein adäquates Mittel.

Und auch im Thurgau kennt man keine Kameras in den Behandlungszimmern der Notfallaufnahme. "Videoüberwacht sind lediglich die Eingangsbereiche der Spitäler", sagt Mediensprecher Marc Kohler.

Datenschutz wird beurteilen
Corinne Suter Hellstern, Datenschutzbeauftragte des Kantons St.Gallen, gab auf Nachfrage von "20 Minuten" an, es sei kritisch, "Aufnahmen im intimsten Bereich einer Person" zu machen.

Der kantonale Datenschutz wird sich nun dieses Dossiers annehmen. Daraus werden sich laut Lutz auch die Massnahmen ableiten, die das Kantonsspital weiter treffen wird: "Wir sehen aktuell keinen Grund, unser Sicherheitsdispositiv anzupassen und die Kameras zu diesem Zeitpunkt abzumontieren. Es geht um die Sicherheit der Patienten und Mitarbeitenden. Diesbezüglich sind wir im Austausch mit der kantonalen Fachstelle für Datenschutz."

Überwachung am Arbeitsplatz

Vergangene Woche wurde bereits ein Fall von Videoüberwachung publik: Die Firma DGS Druckguss Systeme aus St.Gallen soll ihre Mitarbeitenden wegen Verdachts auf Sabotage mit Videokameras überwacht haben. Erst stritt die Geschäftsleitung die Behauptung ab, mit den Kameras etwas zu tun zu haben, kurze Zeit später folgte die Entschuldigung. Empörung und Unmut machten sich breit. Silvia Böhlen, Mediensprecherin des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, sagt: "In besonderen Fällen ist das Filmen von Mitarbeitenden zulässig, grundsätzlich aber ist es aus Gründen des Datenschutzes kritisch, Angestellte bei der Arbeit zu überwachen." Und sie fügt an: "Auch aus gesundheitlichen Gründen ist Vorsicht geboten. Überwachung bei der Arbeit kann die psychische Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen." Falls ein Mitarbeiter eine Zivilklage einreicht, könnte DGS mit Schadenersatzforderungen konfrontiert werden. (avb)