Ein Spital in Turbulenzen

Zuerst Ausbaupläne, dann Kündigungen und jetzt ein Defizit: Das Paracelsus-Spital in Richterswil steckt in grossen Schwierigkeiten. Die Spitalführung versprüht trotzdem Zuversicht.

Jan Hudec
Drucken
2,1 Millionen Franken Defizit 2015: das Paracelsus-Spital in Richterswil. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

2,1 Millionen Franken Defizit 2015: das Paracelsus-Spital in Richterswil.
(Bild: Annick Ramp / NZZ)

Der Neuanfang für das Paracelsus-Spital schien vielversprechend. Von Ausbauplänen war in der Presse zu lesen und davon, dass das Richterswiler Spital die Patientenzahl deutlich steigern konnte. Es waren gute Nachrichten für das gebeutelte Krankenhaus, damals, Anfang 2014. Nur anderthalb Jahre später sahen die Schlagzeilen dann anders aus: «Das Paracelsus-Spital entlässt 12 Mitarbeiter in der Chirurgie», titelte die «Zürichsee-Zeitung» im letzten August. Bis Ende Jahr sollte sich die Zahl der Kündigungen auf 22 summieren. Und dabei blieb es nicht. Anfang dieses Jahres gab die Spitalleitung erneut die Streichung von rund 20 Arbeitsplätzen bekannt. Ende März schliesslich wurde öffentlich, dass die private Etzelclinic AG den Belegarztvertrag mit dem Paracelsus-Spital gekündigt hatte und stattdessen mit dem Spital Lachen eine Partnerschaft einging.

Die Kündigungen riefen die Gewerkschaft VPOD auf den Plan, die das Management harsch kritisierte. Die Spitalführung habe das Haus mit Fehlentscheiden an den finanziellen Abgrund geführt und lasse nun das Personal für ihre Fehler bezahlen, hiess es in einer Medienmitteilung. Der VPOD schreckte in seiner Kritik vor nichts zurück: «Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis angesichts der ausgedünnten Pflege das erste Todesopfer zu beklagen ist.» Solche Horrorszenarien kann man zwar getrost als gewerkschaftliches Schlachtengebrüll abtun. Trotzdem fragt man sich: Was ist los im Paracelsus-Spital?

«Der Sprung blieb aus»

Um diese Frage zu beantworten, muss man ein paar Jahre zurückblicken. Das Alleinstellungsmerkmal des Paracelsus-Spitals in Richterswil war stets die anthroposophische Ausrichtung. Finanziell stand man aber schon seit Jahren auf wackeligen Beinen (siehe Artikel unten). Und so kam es, dass die NSN Medical AG, ein von Ärzten und weiteren Gesundheitsfachleuten getragenes Unternehmen, im Jahr 2013 das Spital übernahm. Das erklärte Ziel war es, das Überleben des Richterswiler Spitals zu sichern, indem man unter andrem die Auslastung in der Chirurgie erhöhen und in die Infrastruktur investieren wollte. Der Erfolg stellte sich rasch ein. Die Zahl der Operationen konnte 2013 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt werden, und auch die Zahl der Geburten entwickelte sich positiv.

Davon befeuert, plante die Spitalführung den Ausbau. So sollte die Bettenzahl von 40 auf 60 aufgestockt werden. Man erhoffte sich 30 bis 40 Prozent zusätzliche Patienten. Doch die Zahlen stagnierten. «Der Sprung blieb aus», sagt Spitaldirektor Jens Weber. Den zusätzlichen Aufwand hatte man trotzdem – durch den Ausbau der Infrastruktur und verschiedene Personalprojekte. Rückblickend müsse man sagen, dass man einen Fehler gemacht habe, räumt der Direktor ein.

Das Resultat war schmerzhaft. Das letzte Jahr hat das Spital mit einem Defizit von 2,1 Millionen Franken abgeschlossen, und das bei einem Umsatz von 40 Millionen Franken. Als man realisiert habe, dass sich die Patientenzahlen schlechter entwickelten, habe man sofort die Notbremse gezogen und auch Kündigungen ausgesprochen, so Weber. Betroffen davon war nicht nur das medizinische Personal, sondern auch die Administration. Es wird gespart, wo es geht, um das angeschlagene Spital wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Dass diese Massnahmen unumgänglich sind, zeigt ein Blick auf ein paar wichtige Kennzahlen: So sind im Paracelsus-Spital die Fallkosten überdurchschnittlich hoch, der Anteil an Privatpatienten, die lukrativ sind für die Spitäler, liegt hingegen weit unter dem kantonalen Schnitt. Und auch die Bettenauslastung ist im Vergleich mit anderen Spitälern nicht allzu gut.

Neben der Effizienzsteigerung will die Spitalführung die bestehenden medizinischen Schwerpunkte weiter stärken, die in der Gynäkologie/Geburtshilfe, der Onkologie, der inneren Medizin und der Chirurgie liegen. Dabei biete man zur Schulmedizin immer auch komplementärmedizinische Behandlungen an, sagt Verwaltungsratsmitglied Jürgen Robe. Der Fokus soll künftig aber nicht mehr so stark auf der Anthroposophie liegen. Dieser Kulturwandel ist ein zweiter Grund, weshalb es zu Kündigungen kam. Die anthroposophischen Vorstellungen einzelner Mitarbeiter und die ökonomischen Anforderungen an ein modernes Spital liessen sich nicht immer auf einen Nenner bringen. «Es ist heute einfach nicht mehr möglich, dass sich eine Pflegerin nur um einen einzigen Patienten kümmert», sagt Weber. Oder dass man eine Grundsatzdebatte darüber führe, in welcher Farbe die Cafeteria gestrichen werden solle.

Ambitionierte Ziele

Die finanziellen Ziele der Spitalführung sind sehr ambitioniert: «Wir müssen unser Ergebnis um 6 Millionen Franken verbessern», sagt Robe. Etwa 4 Millionen Gewinn im Jahr braucht das Spital, um Investitionen tragen und damit längerfristig überleben zu können. Der Bruch mit der Etzelclinic macht die Sache nicht einfacher. «Das bedeutet einen Verlust von mehreren hundert Fällen. Das tut weh», sagt Robe.

Der Zürcher Gesundheitsökonom Willy Oggier beurteilt die Lage des Paracelsus-Spitals als schwierig. Der Weggang der Etzelclinic könnte dem Image schaden, was bei der Rekrutierung von guten Ärzten zum Problem werden könnte. Dabei brauche das Spital gute Ärzte, die dem Haus über den ambulanten Bereich Fälle bringen. Auch die Lage am Rand des Kantons sei nicht ideal, die Patientenströme flössen heute eher in Richtung der Ballungszentren. Mit dem Zusatz der Komplementärmedizin habe man kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Denn heute hätten auch viele andere Spitäler Komplementärmedizin im Angebot. «Das Spital braucht sicher eine klarere Strategie mit ein paar Spezialitäten. Und man wird sich auch überlegen müssen, ob man im Verbund nicht stärker ist», so Oggier.

Trotz den schwierigen Umständen versprüht die Spitalführung in Richterswil Zuversicht: «Wir sind überzeugt, dass wir es schaffen werden», sagt Robe. Immerhin hätten im laufenden Jahr die Patientenzahlen bereits um 13 Prozent zugenommen. Falls man aber den angepeilten Gewinn auch in Zukunft verfehle, werde man sich überlegen müssen, gewisse Leistungen abzugeben. In der Region dürfte man die Entwicklung mit Spannung betrachten. Zwar handelt es sich im kantonalen Vergleich um ein kleines Spital. Aber mit rund 300 Arbeitsplätzen ist es für Richterswil durchaus bedeutsam.